Überlegungen zu #Gamestop, #RobinHood, #TradeRepublic & Co aus Sicht des deutschen Marktmissbrauchsstrafrechts (Thread).
1. a) Die ungedeckten Leerverkäufe der Aktien von GameStop& Co, gegen die r/wallstreetbets mobilisiert hat, wären in Deutschland nach Art. 12 der
EU-Leerverkaufs-Verordnung verboten, wenn nicht die dort genannten Maßnahmen zur Sicherung der Geschäftsabwicklung getroffen wurden.
Wenn die
Short-Positionen (wie im Fall GameStop) aber die Menge der verfügbaren Aktien übersteigen, muss jedenfalls ein Teil der ungedeckten Leerverkäufe illegal sein.
1. b) Verstöße gegen die Leerverkaufs-VO sind für sich genommen keine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit gem. § 120 Abs. 6 Nr. 3 WpHG.
Ein ungedeckter Leerverkauf kann allerdings auch
als strafbare Marktmanipulation gewertet werden, was m. E. zumindest dann der Fall sein muss, wenn der Short-Seller es von Anfang an für möglich hält und billigend in Kauf nimmt,
den Verkauf nicht erfüllen zu können.
2. a) Haben sich nun die Kleinanlegerinnen strafbar gemacht, die Gamestop-Aktien (oder darauf bezogene Optionen) erworben haben,
um den Kurs mit dem Ziel eines Short Squeeze in die Höhe zu treiben?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil der möglicherweise einschlägige Tatbestand der handelsgestützten Marktmanipulation
(§ 119 Abs. 1 WpHG, Art. 12 Abs. 1 lit. a) EU-Marktmissbrauchsverordnung) äußerst vage ist.
2. b) Nach Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR stellt der Abschluss eines Geschäfts, die Erteilung eines Handelsauftrags sowie jede andere Handlung eine Marktmanipulation dar, wenn damit [...]
[...] die Aussendung von falschen oder irreführenden Signalen hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises des Tatobjekts einhergeht oder dadurch ein anormales oder künstliches Kursniveau erzeugt werden kann.
Kernproblem dieses Tatbestandes ist, dass der Abschluss von Geschäften oder auch das Entwickeln und Ausführen komplexer Handelsstrategien ein grundsätzlich erlaubt ist. Dem einzelnen Geschäft kann man nicht ansehen, ob eine legale oder eine illegale Marktaktivität vorliegt.
Die Abgrenzungsprobleme zwischen legaler Handelsstrategie und illegaler Marktmanipulation treten verschärft bei sog. effektiven Geschäften auf, die für die Beteiligten tatsächlich wirtschaftliche Relevanz besitzen. Um solche Geschäfte geht es hier.
Letztlich kann die richtige Lösung nur unter Rückbesinnung auf den Sinn des Verbots der Marktmanipulation gelingen:
Das Verbot soll verhindern, dass die Informationsgrundlage für die Marktteilnehmer von Marktaktivitäten verzerrt wird, die sich nicht aus dem Markt heraus erklären lassen und deren wahre Ziele und Motive für die anderen Marktteilnehmer verborgen bleiben.
Ob dies der Fall ist, ist durch eine Gesamtbetrachtung der fraglichen Handelsaktivität und ihres Kontexts festzustellen.
Bei effektiven Geschäften ist entscheidend, ob es dem Handelnden tatsächlich um den wirtschaftlichen Effekt des Geschäfts geht, er also mit dem Geschäft selbst Gewinne erzielen oder Verluste vermeiden möchte oder [...]
[...] ob nicht stattdessen die mit dem Geschäft verbundene Einwirkung auf den Preis im Vordergrund steht, um derentwillen die wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts hingenommen werden.
Wer also GameStop-Aktien nur erwirbt, um den Kurs in die Höhe zu treiben, begeht eine handelsgestützte Marktmanipulation. Das wird allerdings kaum je nachweisbar sein, denn es ist bei jedem Kauf genauso plausibel, dass er durch die Aussicht auf einen Verkaufsgewinn motiviert ist.
3. Vielfach wird gegenüber Brokern wie #TradeRepublic der Vorwurf erhoben, sie hätten ihrerseits Marktmanipulation begangen, indem sie den Kauf bestimmter
von Short-Attacken betroffener Aktien unterbunden und nur noch einen Verkauf dieser Wertpapiere zugelassen haben.
Ob dies zutrifft, lässt sich ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts und insbesondere der Motivation der Order-Verweigerung nicht sagen. Wenn sich herausstellen würde, dass damit gezielt Kurse beeinflusst werden sollten (etwa auf Wunsch eines wichtigen Geschäftspartners), [...]
[...] so wäre dies als (zumindest versuchte) handlungsgestützte Marktmanipulation einstufen (und womöglich auch als Untreue zu Lasten der betroffenen Kunden).
4. Auf einem anderen Blatt steht, ob das Geschäftsmodell von FinTechs wie #TradeRepublic insgesamt mit dem Marktmissbrauchsrecht vereinbar ist. Gegen #RobinHood wurde der Vorwurf erhoben, zu Lasten seiner Kunden #FrontRunning und damit strafbaren Insiderhandel zu betreiben.
Man kann nur hoffen (und aus gegebenen Anlässen auch zweifeln), dass die BaFin vergleichbares hierzulande unterbinden würde.
CC, auch mit der Bitte um weiterführende Hinweise und Korrekturen: @Silberfuchs050 @HHirte @cobvl @Willmroth @jbruehl @larsweisbrod @basbrinkmann @VolkerVotsmeier @CybercrimeFAU
Eine nähere Einführung in das Marktmissbrauchsstrafrecht ist in JuS 2020, S. 1016 ff. (Teil I) und in JuS 2020, S. 1153 ff. (Teil II) sowie unter t1p.de/l05t (Teil III) abgedruckt.

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