Eine "Agrarwende" - braucht mehr Hände: Nicht weniger. Ein Thread zu gesellschaftlichen Wunschvorstellungen und sozialen Realitäten in der deutschen Landwirtschaft - eine Bilderreise zur Diskussion der letzten Wochen. Gerne kommentieren/mitmachen :-)!
Mich macht es alleweil sprachlos, wenn triumphierend gefeiert wird, dass es endlich zu einer "Agrarwende" kommt, das ein "Aufbruch" entsteht, 170.000 Einträge zu Gedanken, ich frage mich, wer soll das alles an-"wenden"? Wo/wer/wie viel verfügbare "Umsetzer" haben wir?
Dabei ein toller Blogbeitrag von @Vornerbauer & danke für diese Grafik: Die Zahlen der Azubis & der Berufsschulklassen erodieren, jedes Jahr. Das wäre - unser ("verfügbarer") Nachwuchs. Rechnet eigentlich jemand von den "Agrarwendern" damit? blogagrar.de/politik/bauer-…
Weiter gehts - denn die Alterswelle rollt auch unter den bisherigen Betriebsleitern. Auch Landwirte bekommen - weniger Kinder & auch später. Oder haben auch - gar keine Familie, erleben Scheidungen & soziale Brüche.
Das trifft auch ökologische Betriebe - hier ist noch viel Luft für Quereinsteiger aus der Stadt, die sich ihren Traum von Erdung & Selbstversorgung, ökologischem Leben/Gewissen verwirklichen wollen. Wenn sie denn Mut & Kapital besitzen. hofsuchtbauer.de/hofboerse/
Aber auch auf EU-Ebene wandert die Jugend in attraktivere Berufe ab: Denn landw. sozialisiertere junge Menschen sind überall gefragt - sie packen an, Leistungsbereitschaft & praktische Erfahrungen. Das Aufarbeiten im/am Hof ist nicht immer attraktiv....
Dabei - egal ob Gemüsebau, Ackerbau & Tierhaltung, ob Konvi- oder Bio: die Betriebsgröße wächst: So simpel wie diese Grafik ist - so sehr bringt sich mich doch zum Staunen wie steil die grüne Kurve immer noch ist. Keine "Grenzeffekte"? Aber Bevölkerungswachstum bleibt....
Dabei zieht schon die Bürokratisierung jetzt schon unglaublich qualifizierte Betriebsleiterzeit ab: Die wir eigentlich IN der täglichen Arbeit bräuchten. Am Tier, am Acker. Mit der fühlenden Hand, die die Komplexität der Zusammenhänge erfasst & "handelt".
Aber - wir hören ja grad - die Digitalisierung wirds schon richtigen: Nur - ein Hammer ist so gut wie man ihn führt und ein Sensorsystem so gut wie/OB es funktioniert. Siehe mein Basilikum letztes Jahr - der Sensor sagte OK?! Pflanze tot...
Sind wir ehrlich - haben wir jetzt schon ein "Zeitpflege-Gap" heißt: Für die Nutztiere habe wir im Schnitt zu wenig Zeit, um den Job gut machen zu können, für Pflege, für Dokumentation. Ich weiß auch gar nicht, wie das unsere Landwirte jeden Tag überhaupt schaffen/können?
Weil: Alternative Haltung - mehr Stroh: Macht nur NOCH mehr Arbeit. Man beschäftigt sehr viel mit Scheiße/als Mist & ich kann da mitreden: Wir hatten das mal vor über 25 Jahren mal ausprobiert. Ausser der (heruntergearbeiteten) Figur von damals vermisse ich derzeit - nix davon.
Ich habe viele tolle Freunde mit Tierhaltung: Tierschutz und erst recht der Quantensprung Tierwohl macht extrem viel Arbeit, Kopfzerbrechen. Und viele kommen ohne exteren (ausländische) Fremdarbeitskräfte nicht herum. Und - ins Wachstum gezwungen UM auch mal Urlaub zu haben.
Wer hätte vermuted, dass sich hinter diesem Betrieb - diese neue Aufzucht befindet? Wer würde denn nur für 200 Ferkel so einen Neubau stemmen? Eher schon für 2.000...!
Aber auch im Bereich Rind - schlägt die Betriebsleiterqualifikation Haltungssystem & -haltungeffekte! Lasst uns in Menschen investieren - sie für einen guten Job / Ergebnis in Tiergesundheit gut bezahlen. Ich zeig die Folie jetzt immer & immer wieder!
Und das nimmt mich auf meinen Touren unterwegs immer so sehr mit: Verlassene Höfe, tote Häuser. Einstiger Stolz - in Städten Hundertausende bis Millionen wert. Aber nichts wert ohne Arbeitsperspektive vor Ort. Nicht in Quantität an Arbeit - sondern in Form von Stundenlohn.
Unser Kulturlandschaft ist mit einer ganz anderern (Hand-)Arbeitskapazität erschaffen wurde. Nicht nur je Hof - sondern auch in Ressourcen wie Familie für Spitzenarbeitszeiten wie Sommer-Ferien: Weil von Kind bis Oma, Cousin bis Onkel alle mitanpackten:
Und jetzt kommen wir zum Artenschutz, das treibt mich um. Wer bitteschön soll dann in Zukunft eine kleinstrukturierte Landschaft wie in de 30er Jahren bewirtschaften oder eben "nur" pflegen - können? Das ist großteils harte, körperliche "Allwetterarbeit"?
Das hat nichts, aber auch gar nichts mit den städtischen Alibiveranstaltungen von "Grünflächen" oder "Selbstversorger-freu-dich-dran" Kübelchen zu tun, mit nicht endemischen Hübschpflanzen in Betonwegen zugänglichen, ebenen Eckchen.
Sondern damit: Bei Kälte oder bei Hitze: Steilhangpflege. Seht ihr den Schlepper? Mir geht bei solchen Hanglagen die Muffe, geschweige denn könnt ich einen Schlepper warten. Oder die ganzen Streuobstbestände ausschneiden. Das machTEN viele ältere Landwirte nebenbei.
Leichter wird damit - der völlige Irrsinn: "Ökostromförderung" per zugestellter Photovoltaikanlagen. Mein persönlicher Alptraum. Für viele Landwirte eine Lösung um in dem Spinnennetz an Zukunftsorgen, Finanzierung, Arbeitszeit & Auflagen eine Existenzgrundlage zu finden.
Dann las ich heute von Fr. @SvenjaSchulze68 die Aussage: "Artenschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe". Ich kann nur sagen: "Gesellschaft - you´re welcome!" Denn allein - in wirklich tatkräftiger Arbeit - schaffen es die 2 % Landwirte nämlich nicht.
Daran wird auch eine "food revolution 5.0" (mit ihren spinnerten Ideen in der Ausstellung damals in Hamburg) nix ändern. Fun fakt: Das da auf dem Teller ist ein streng geschützter Hirschhornkäfer, legt seine Eier gern in Sägemehlpferdemist. Serviceinfo vom Bauernhofkind.
Und - der Hammer - die Auflagen der Insektenschützer gefährden ausgerechnet regionale Erzeuger, die eh schon unter Auflagen & viel Handarbeit (noch) hochqualitative Weine wie hier erzeugen.
Die Diskrepanz beim Artenschutz wird einem ja nicht nur in den Steinwüsten der Gabionenfriedhöfe in den Siedlungen bewußt, sondern auch in den Baumärkten: Hl. St. Florien, bitte keine Ökologie im eigenen Garten. Da werden Lebewesen zu unerwünschtem Viechzeuch.
Die Selbstverständlichkeit, mit der ich mir so ein Essen/immer/überall leisten/kaufen kann - bringt mich zur Frage: Man kann - GAP/Geldern - nur einmal verteilen. Derzeit reicht es grad so für Lebensmittel, gibt man es für Umweltschutz aus, wird der Stundenlohn der Landwirte ...?
Ich sehe die Zukunft nicht unbedingt in solidarischer Landwirtschaft, sondern in echten Allianzen & modernen Finanzierungsmodellen: So wie hier crowdfunding.at/project/lebend…
Oder ganz konkreten Projekten mit dem LEH. Hat sowas hier nicht Vorbildcharakter? Und das ganze ohne Behördenwahnsinn, Kürzungsandrohungen ....? bwagrar.de/Pflanzenbau/Gr…
Das ist auch cool! Für die BRD Fr. @JuliaKloeckner ? Ich glaube, wir haben das volle Potential an Angeboten an die Gesellschaft sich aktiv & transparent zu beteiligen noch nicht abgeschöpft. Das kann nicht allein über Steuergelder/Gap & Lebensmittel sein? landschaftspflegefonds.at

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Mirjam Lechner

Mirjam Lechner Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

More from @MirjamLechner

26 Jan
Warum ich mit dem Einsatz von Homöopathie im Nutztierbereich hadere. Ein Thread über Tierschutz, Schmerzbehandlung & Tiersignale aus meiner praktischer Erfahrung & Gedanken zur Trends in der Tierbetreuung.
Homoöpathie ist ein Bereich, um den Tierärzte im Klein/Hobbytierbereich nicht mehr herumkommen & auch für den Nutztierbereich "verlockend" verkauft wird: Man kann damit AB senken, praktisch keine Nebenwirkungen, billig, keine Wartezeiten & der Tierbetreuer kann es selbst anwenden
Neben der Wirksamkeitsfrage, die in der persönlichen Betreuung dann zur Glaubensfrage mutiert, ist das größte Problem das "schadet nicht zusätzlich" versus dem "wir probierens erstmal natürlich/homöopathisch" - die Gesetzgebung gibt das aber "erstmal" nicht her:
Read 18 tweets
17 Aug 19
The last days i was added to a "agrar-troll/lobbyist"-list. And now there is the question - is it a bad thing to work with farmers & love my job? While it is "in" to blame them for climate change, animal abuse or using pesticides? A thread about the challenge our farmer & future.
This year we had a training for animal welfare & undocked pigs for teacher at agrar school - and they are worrieng about the future and the frustration of our young farmers. They work so hard, it is a big thing to run a farm, they see the mountain of requirements & pressure.
When i have animal signals trainings and i talk to the young farmers - they feel like this pic i took from facebook. The love their home, the farm, the work. They work with high-tech & high-education level. But they feel: Will it be ever enough? Will there be acceptance for us?
Read 7 tweets

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal Become our Patreon

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!