Ich finde das Thema Korruptionssumpf nicht zuletzt historisch interessant. Wir GeschichtsarbeiterInnen machen ja auch nichts anderes, als eine Fülle von Indizien in eine plausible Kausalkette einzupflegen. 1/5
Stelle mir das Forschungsseminar zur Causa Novomatic im Wintersemester 2051 vor, evtl als follow-up zum Proseminar "Die merkwürdigen Zufälle im Karriereverlauf des Josef Pröll oder wie günstig die Raika mithilfe eines Finanzministers dem Hypo-Schlamassel entkam". 2/5
Fest steht jetzt schon: das werden nicht nur spannende, sondern auch ziemlich lustige Lehrveranstaltungen. Zumindest bis zu den Oral-History-Interviews in den diversen Stadtrandvillen, wo die Protagonisten von damals sich von einem harten Arbeitsleben erholen. 3/5
Und entgeisterten jungen Leuten treuherzig die selben abstrusen Geschichten aufzutischen versuchen, die sie seinerzeit erzählt haben. Warum auch nicht? Was ist schon historische Wahrheit, werden sie mit den Postmodernen fragen. Und lächelnd mit den Augen zwinkern. 4/5
Dann werden die Studierenden die gesicherten Fakten und die Plausibilität der widerstreitenden Erzählungen prüfen müssen. Und sich entscheiden. 5/5
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Alte Frau will mit Rollator die dicht befahrene Gablenzgasse überqueren. In der Mitte des Zebrastreifens blockiert Rollsplitt eines der Rollator-Räder. Frau kann weder vor noch zurück. Fußgängerampel springt auf rot. Autos können nicht weiter, eines hupt ungeduldig. 1/4
Ich schnappe Rollator, hake die Frau unter, in Minischritten geht's Richtung Gehsteig. Trottel hupt weiter. Vom Straßenrand marschiert junger Mann mit der Figur eines bulligen Kampfsportlers aufgebracht zum hupenden Auto. Er klopft resolut an die Scheibe. 2/4
"Was is, Deppata? Siehst nix? Oma is kaputt. Kann nix mehr gehen wie will!" Hupen hört abrupt auf. Man bleibt seelenruhig neben dem Fahrzeug stehen, bis wir samt Rollator die Fahrbahn verlassen haben. Dann drischt er mit der flachen Hand aufs Autodach. "Fahr, Deppata!" 3/4
Heute vor 102 Jahren stürzte das Haus Habsburg. Das Ende der 'guten alten Zeit' war die Voraussetzung für Demokratie, Arbeiterrechte und Wohlfahrtsstaat. In Staaten mit gefestigter demokratischer Tradition würde man das jedes Jahr ausgiebig feiern. Bei uns nicht. 1/6
Ein unvollständiges best-of der am 12. November proklamierten Republik: Frauenwahlrecht, 8-Stundentag, bezahlter Urlaub, Arbeitslosenversicherung, Betriebsrätegesetz, Abschaffung des Adels, Verbot der Kinderarbeit usw. Trotzdem - oder gerade deshalb - galt die Republik ihren 2/6
Feinden als 'rotes Regime'. Das hatte auch Auswirkungen darauf, wie der 12. November als Tag der Republik in Erinnerung geblieben ist. In der Ersten Republik war er zwar staatlicher Feiertag, wurde aber nur von der Linken gefeiert. Der Austrofaschismus hat den Feiertag 3/6