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23 Feb, 34 tweets, 5 min read
Ich habe bisher alle meine Pflichten erfüllt und habe ohne Murren und Meckern auf einen Teil meiner Grundrechte verzichtet, damit wir diese Pandemie schnell loswerden. 1/x
Genau wie der Staat es von seinen Bürgern erwartet.

Der Staat hat aber auch Pflichten. Damit die Bürger (ich) weiterhin bereit sind, ihre Pflichten zu erfüllen und auf Grundrechte zu verzichten, muss der Staat seine Pflicht auch erfüllen. 2/x
Es reicht nicht, alle paar Wochen weitere Verzögerungen bei überfälligen und absehbaren Maßnahmen zu verkünden und den Bürgern gleichzeitig nur Durchhalteparolen hinzuwerfen.

Das klappt ein paar Monate, vielleicht ein Jahr lang. 3/x
In Bereichen mit hohen Infektionsrisiken (Arbeitsplatz, Schule, ÖPNV) passiert so gut wie gar nichts.

Dafür fängt der Staat jetzt an rein symbolisch in Bereichen mit niedrigem Risiko zu agieren. Beispiel: Räumung des Mauerpark. 4/x
Natürlich ist es einfach Mal kurz eine Hundertschaft in einen Park an einem Sonntag zu schicken und viel schwieriger in jedem zweiten Bus eine Fußstreife zu stellen, die über Monate das Tragen der Maske durchsetzt und Bußgelder verhängt. 5/x
Natürlich ist es einfacher, auf einer Demo der Leerdenker nur daneben zu stehen und die Demonstranten vor den Gegendemos zu beschützen, als die behördlichen Auflagen auch wirklich durchzusetzen und Tausende Bußgelder zu verhängen, wegen fehlender Maske und Abstand 6/x
Aber warum sollte ich mich an Regeln und Pflichten freiwillig halten, wenn der Staat es sich so einfach macht?

Klar, die ersten Monate waren chaotisch. Habe großes Verständnis für Chaos im März bis Juni 2020

7/x
Aber als dann der Sommer verschlafen wurde, Gesundheitsämter nicht personell massiv aufgestockt und vollständig digitalisiert wurden, da hatte ich etwas weniger Verständnis 8/x
Als dann der zweite Lockdown im Herbst mindestens 4, eher 6 Wochen zu spät begann und viel zu soft war um wirklich was zu bringen, da habe ich mich schon gefragt, wie das weiter gehen soll 9/x
Als dann mitten in der absehbaren zweiten Welle die ersten Gesundheitsämter sich geweigert haben, Software und Prozesse auf Digital umzustellen, weil Sie dafür keine personellen Ressourcen frei hatten, da wurde ich wütend. 10/x
Klar, letztendlich kann ich als Bürger da nichts machen. Habe da keinen Einfluss drauf - aber wo ist denn bitte die Verhältnismäßigkeit?

Wieviele Milliarden kostet ein Lockdown pro Woche?
Wieviele Opernsängerinnen, Barkeeper, Hotelfachpersonal oder Veranstaltungstechniker..11/x
..brauchen gerade dringend etwas eigenes Einkommen? 30€/h Brutto auf Gewerbeschein, Sonder-Absprache mit der KSK - und schon stehen überall zehntausende Personen bereit in den Gesundheitsämtern auszuhelfen. 12/x
Die Alternative ist ein Lockdown, und der ist viel teurer - am Geld kann es also nicht liegen. Zudem man das auch mit Bußgeldern an Maskenverweigerern gegenfinanzieren könnte. Es kann also nur an der Kompetenz der Behörden liegen 13/x
Es liegt nicht an fehlenden Ressourcen, oder an fehlender Technologie. Es fehlt an Mut und der Bereitschaft zu Handeln auf Seiten der Behörden und Verwaltung 14/x
Wenn man dann noch etwas absolut Fehlverstandenen Föderalismus dazu nimmt, dann dauert selbst die kleinste Maßnahme, über die Konsens besteht, von der Idee bis zur Umsetzung mindestens 6 Wochen. 15/x
Und dann kommt die Maßnahme mindestens 6 Wochen zu spät. Und dann sterben noch mehr (alte) Menschen und wir alle müssen noch länger auf unsere Grundrechte verzichten. 16/x
Und dann kommen irgendwelche Spacken daher und wollen #Lockerungen von schwächstmöglichen Maßnahmen mit geringster Wirkung, weil sie nur an sich denken und die Politik glaubt dass man denen irgendwas Recht machen müsste, ohne die volkswirtschaftlichen Kosten der Alternative 16/x
auch nur ordentlich zu prüfen und in eine Verhältnismäßigkeit zu setzen.

Es kann einfach nicht sein, dass Gesundheitsämter Quarantäneanordnungen 4-6 Wochen nach einem positiven Test verschicken. 17/x
Es darf auch nicht sein, dass wir nachwievor keine Homeoffice-Pflicht haben, aber über Schulöffnungen diskutieren, für die wir in 12 Monaten nachwievor keine Luftfilteranlagen beschafft haben 18/x
Warum genau soll ich mich im Rahmen meiner staatsbürgerlichen Pflichten an alle Auflagen, Vorschriften, Grundrechtseinschränkungen halten, wenn der Staat so massiv und auf voller Länge einfach nur failed? 19/x
Hätte der Staat hier nicht so komplett versagt, dann wären unser Verzicht auf Grundrechte kürzer, schwächer, erträglicher.

Wie will die Bundesregierung dass dem Bürger noch kommunizieren? Durchhalteparolen reichen nicht. 20/x
Wir stehen kurz vor einer dritten Welle durch die britische Variante und wir haben die ersten warmen Tage des Jahres - diese Mischung wird das Infektionsgeschehen auf ungeahnte Weise anfeuern, das weiß und sieht jeder, der die Zahlen verfolgt. 21/x
Gleichzeitig erreicht uns die Nachricht, dass die Maßnahme "kostenlose Tests für alle" doch nicht zum 1.3. kommt, und in einigen Bundesländern öffnen die Schulen wieder. Ohne Luftfilter. 22/x
Wenn dann in vier Wochen wieder die Inzidenz über 100 ist, und wir in der dritten Welle einen Lockdown machen - dann glaube ich, werden sich nicht mehr viele dran halten. 23/x
Und dann wird die Polizei rein symbolische Maßnahmen durchsetzen und die Hochrisiko-Bereiche weiterhin ignorieren, weil es zu schwierig wäre, effektiv vorzugehen. Hauptsache es gibt ein paar Bilder von lokalem "hartem Vorgehen" für die Tagesschau. Das muss reichen. 24/x
So kommen wir aber aus dieser Pandemie nicht raus. Und auf Seiten der Politik sehe ich keine Bereitschaft Fehler einzugestehen und konstruktiv voran zu preschen.

Nur wer Fehler eingesteht, dem glaubt man das er daraus gelernt hat. 25/x
Und ich habe keine Fehler gemacht. Ich habe mich so maximal isoliert wie irgendwie möglich - weit über die Vorschriften hinausgehend - und mich an alle Auflagen und Vorschriften vollständig gehalten. 26/x
Ganz ganz vielen Bürgern wird es genau so gehen - die im Rahmen ihrer staatsbürgerlichen Verantwortung freiwillig mehr gemacht haben als die Vorschriften erzwingen.

Und gleichzeitig hat der Staat weniger gemacht, als es verhältnismäßig wäre. 27/x
Wie genau soll das jetzt also weitergehen?
Keine Luftfilter, Quarantäneanordnungen 4 Wochen nach Gesundung, keine Homeofficepflicht, zuwenig Impfstoff, symbolische Räumung von öffentlichen Grünflächen und Weggucken wenn die Leerdenker ohne Maske demonstrieren 28/x
Und ich als Bürger soll das alles einfach so hinnehmen, ohne zu Murren und mich auch an einen Dritten oder (hoffentlich nicht) vierten Lockdown halten? Und der Spahn kann nicht eingestehen, dass er und seine Behörde massive Fehler gemacht haben? 29/x
Threadview borken? Oder ich hab mich verklickt - egal, hier gehts weiter mit Nr.17 dieses Threads:
Was also ist der Plan, das verspielte Vertrauen wieder aufzubauen? Wie soll das weitergehen?

Staatsversagen mit Durchhalteparolen für die Bürger zu kaschieren funktioniert nicht mehr. Und ich hab da auch kein Bock mehr drauf. 30/x
Ich habe auch keine Antworten, aber ich glaube das Q2/2021 wird das schwierigste Quartal dieser Pandemie. Mit Abstand. Und es sieht nicht so aus als hätte die Politik den Ernst der Lage verstanden oder wäre bereit zu Handeln. 31/x
Gerade gefunden via @HonkHase - sehr passend zu diesem thread. 32/x

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20 Feb
Wellenbad der Gefühle.

👍 IPMI wurde erfunden (kannte ich noch nicht)
👌 Mein NAS Mainboard unterstützt IPMI
🤨 Default Supermicro IPMI Passwort tut nicht
🤔 Sticker auf Packung entdeckt "Unique Password"

1/2
😳 Sticker ist nur auf dem Mainboard

😭 Um den Sticker zu sehen muss ich das Mainboard wieder ausbauen

😭😭😭 Dafür muss ich alles aus dem sehr kleinen, kompakten Mini ITX Gehäuse wieder ausbauen.

🩹 Gestern hab ich das letzte Pflaster von den Verletzungen vom Einbau entsorgt
Achso, und Booten tut es natürlich auch nicht. Irgendwas muss schief gelaufen sein mit mir und diesem @UnraidOfficial. oder der BIOS config. Bootloader findet den Stick, aber es bootet davon einfach nicht. Proxmox bootet, Hardware ist intakt. @UnraidOfficial
Read 4 tweets
29 Nov 20
Berliner Gesundheitsämter:
- Keine Homeoffice-Möglichkeiten im Quarantänefall der eigenen Mitarbeiter
- Kein notwendiger Personalaufwuchs über die Sommermonate
- Kaum Meldungen am Wochenende
- teilw. Fax-Prozesse
- Kaum Kontaktnachverfolgung

Verantwortlich dafür: @dil_kal
Es gäbe so viele Künstler, Opernsänger, Schauspieler, Barkeeper und Hotelmitarbeiter, die sich sicherlich über ein paar Monate Beschäftigung im Gesundheitsamt freuen würden und sofort bereitstehen würden für "Telefondienst und Kontaktnachverfolgung". Wenn man wollte.
Es gibt auch (außer Totalversagen) keinen Grund dafür, das Kontaktverfolgung und Telefondienst nicht Remote vom Homeoffice aus gehen würde. Das muss von "ganz oben" (also von @dil_kal) nur angesagt werden.
Read 17 tweets

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