In seinem vor Fehlern strotzenden Text zur Vergangenheitspolitik schreibt Schmid: "Es ist zwar nicht einsichtig, warum ein Gedenken das andere erdrücken muss." Um dann genau das zu tun und zwischen Opfern 1. und 2. Klasse zu unterscheiden. Warum? 🧵 schmid.welt.de/2021/02/26/der… 1/
Es scheint dabei kaum um historische Wahrheit zu gehen. Sonst würde er @juergenzimmerer nicht derart verkürzt und unterkomplex zitieren.
Warum dann dieses Insistieren auf der Singularität des Holocausts, obwohl auch @juergenzimmerer - immerhin einer der renommiertesten Genozidforscher - Unterschiede zwischen Holocaust und kolonialem Genozid benennt u. den Holocaust auch explizit nicht monokausal herleitet? 4/
Ein Motiv drängt sich auf: die Verteidigung der "Aufklärung" und ihrer Singularität. Sie stützt ein eurozentristisches Weltbild, aus dem sich ganz unterschiedliches politisches Kapital schlagen lässt, von der Migrations- bis zur Geopolitik (Stichwort humanitäre Intervention). 5/
Aufklärung muss unbedingt positiv besetzt bleiben. Dazu wird Deutschland bis 1945 ein "Sonderweg" unterstellt, ein voraufklärerischer Zustand, der den Holocaust ermöglichte. Hier der Beweis: 6/
Andere Ursachen wie der verlorene Erste Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise, welche 🇩🇪 u.a. wegen Auslandsschulden, Kapitalflucht und #Austerität bedeutend härter traf als zB. 🇬🇧, werden unter den Tisch gekehrt. 7/
... oder die Revolution von 1918 nicht die "größte aller Zeiten" (Gerwarth) und die Weimarer Verfassung die modernste von allen gewesen wären, deren Modell sich in der Folge nahezu weltweit ausbreitete (dazu demnächst mehr von José Agustín Menéndez und mir). 9/
Kurzum: Die Vergangenheitspolitik hat wieder mal wenig mit der Vergangenheit und viel mit der Gegenwart zu tun. Es geht nicht um den Holocaust oder um koloniale Genozide, es geht primär um die Überlegenheit europäischer "Zivilisation". Sie lässt sich prima instrumentalisieren.10/
Naturgemäß spielt bei dieser kulturalistischen Sichtweise dasjenige kaum eine Rolle, was wirklich singulär an Europa ist: nämlich der "European Way of Life" (Judt), die Beantwortung der "sozialen Frage" durch den Aufbau des Sozialstaats. Mithin: ein großes Ablenkungsmanöver. 11/e
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
5 cents on the mounting #pluralism debate. It’s reasonable for #EU institutions to reject the @BVerfG verdict. Deter copy-cats. However, both sides are missing the gist of legal pluralism in the EU. The primacy question is insoluble and needs to be treated as such. Long Thread 1/
Monist, unitary solutions are unwarranted for epistemic, democratic, politico-economic, and doctrinal reasons. From the observer’s point of view, both levels are deeply entangled with no clear precedence of either MS or EU level. 2/
EPISTEMIC: At which level is a well-ordered society possible? At the particular level of a homogeneous society, at the universal level of a world society, or somewhere in between? Almost all societies show both pluralistic and more homogeneous elements. 3/