CN: Chronische Erkrankung/Fibro
Ein wirklich doofer Tag, heute.
8:00 Uhr, ich wache auf. Ok, einer dieser Tage. Jeder Knochen, jeder Muskel tut weh. Bei den ersten Bewegungen stelle ich fest, japp auch der Kopf. Und wie.
Ich stehe vorsichtig auf und schaffe die Treppe nach unten.
Ein erster Versuch mit Kaffee und Wasser die bleierne Müdigkeit zu bewältigen, eine erste Dosis Schmerzmittel um mich bewegen und gleich die Katzen versorgen zu können. Ich warte. Es passiert nichts. Fein, dann eben so. Statt wie sonst zügig die Näpfe zu reinigen, zu füttern und
die Katzenklos zu säubern, knie ich davor und bin sehr, sehr langsam. In Zeitlupe und mit Schwierigkeiten die Dosen überhaupt aufzumachen, laufe ich auf Autopilot. Mir ist schwummrig, leicht übel. Die Katzenklos, Futter- und Wassernäpfe für 6 Katzen sind auf 3 Stockwerke verteilt
heute ist das ein zusätzliches Hindernis. Aber watt mut, dat mutt. Normalerweise brauche ich ca 10 Minuten. Heute deutlich mehr. Aber ich habs geschafft. Nun sollte ich mir was zu essen machen. Ich habe aber keinen Hunger und keine Energie. Mir brummt der Kopf, es tut noch immer
alles weh. Ich entscheide mich für eine zweite Dosis Schmerzmittel. Manchmal ist eine niedrige Dosis nicht ausreichend. Fehler. Zu früh. Nach kurzer Zeit geht mein Kreislauf total in den Keller. Ich schleppe mich ins Schlafzimmer, weiß nicht wie ich den Kopf hinlegen soll,
jede Haltung tut weh. Uff, und mir ist so richtig übel. Ich wünsche mir schlafen zu können, aber das klappt nicht. Also schließe ich nur die Augen, versuche zu dösen. Bis es nicht mehr geht. Das Stadium "Kopf gegen die Wand hauen, damit der Schmerz aufhört" ist gleich erreicht
ich quäle mich wieder aus dem Bett. Stelle fest, dass ich auch mal pinkeln sollte, finde den Gedanken aber enorm anstrengend. Hilft aber nix, ich will mich ja nicht einpinkeln. Danach versuche ich mehr Wasser in mich rein zu kippen. Ich habe normalerweise immer Durst, kippe 2-3
Liter Wasser plus andere Getränke am Tag in mich rein. Heute fällt es mir schwer zu schlucken. Ich habe Widerstände gegen alles, was in meinen Magen soll. Alles riecht doof. Ich bin verwirrt, dass mein Urin nach Honig riecht und frage mich, was heute wieder nicht mit mir stimmt.
Wasser ist drin. Die Schmerzen in Kopf und Nacken explodieren. Ich kämpfe mit dem Verschluss einer Medikamentenflasche, dann eben ein anderes Schmerzmittel. Dieses Mal Tropfen. Die Kindersicherung hält mich auf. Aber irgendwann ist sie offen. Wer hat das Zeug eigentlich so eklig
gemacht?! Anfängerfehler. Ich bin heute neben der Spur, mische sonst selten Schmerzmittel. Mein Magen revoltiert. Die Frau ruft an, ich versuche zuzuhören wie sie von ihrem Arzttermin erzählt, wie positiv alles läuft und dann muss ich mit einem kurzen "Schatz, es tut mir leid,
ich glaube ich muss kotzen" abbrechen. Und das muss ich dann auch. Glücklicherweise schaffe ich es noch ins Bad.
Danach schiebe ich mir eine Handvoll Salzstangen rein. Trotz Widerständen mehr Wasser. Der Magen beruhigt sich ein wenig. Ich sitze fast bewegungslos am Rechner.
Schreibe ein bisschen auf Twitter, versuche ruhig zu atmen, hoffe, dass die Schmerzen endlich nachlassen. Als das passiert, lege ich mich wieder hin und schlafe etwas. Beim erneuten Aufstehen sind die Schmerzen deutlich weniger geworden, aber ich bin wackelig.
Ich muss endlich was essen, ganz klar. Ich will mir ein Müsli machen und finde mich in der Küche mit Kohlrabi, Trauben, Banane und Gurke wieder. Aaalter. Fibro-Fog. Wie ich das hasse! Mein Gehirn ist vernebelt, ich muss mich extrem konzentrieren. Schließlich habe ich mein
Frühstück fertig. Um 14:00 Uhr. Nachdem das Essen im Magen ist, haut es mich wieder aus den Latschen. Eigentlich sollte es mir etwas Energie geben. Das Gegenteil ist der Fall. Also wieder zurück ins Bett, nochmal etwas schlafen. Den Rest des Tages bis jetzt, habe ich gegen
einen wackeligen Kreislauf, frieren, zittern, heißes Gesicht und Konzentrationsschwierigkeiten gekämpft. Langsam melden sich die Kopf/Nackenschmerzen wieder stärker.
Solche Tage sind in meinem Leben nicht Alltag. Aber sie kommen leider auch nicht allzu selten vor. Ihr könnt das
alles nicht wahrnehmen, wenn ich hier zwischendurch mal einen Tweet schreibe. Oft sieht man chronische Erkrankungen den Menschen auch keineswegs an. Aber wenn Euch ein Mensch anvertraut, dass er/sie/they chronisch erkrankt ist, dann denkt bitte daran, dass wirklich jede Bewegung
eine Riesenanstrengung sein kann. Dass eins manchmal nicht einfach Nachrichten nicht beantwortet oder Dinge nicht erledigt, weil es nicht will, sondern nicht kann. Ich habe heute noch einen Text durchgelesen und Anmerkungen gemacht, weil das so abgesprochen war. Ich hätte genau
so gut ein 2 Meter tiefes Loch im Garten graben können - das Gefühl der Anstrengung ist ähnlich intensiv.
Ich schreibe diesen Thread nicht, weil ich Mitleid oder Mitgefühl möchte! Aber ich möchte gerne, dass ihr Euch daran erfreut, wenn ihr gesund seid, oder Dinge tun könnt.
Genießt Euer Leben, wenn ihr keine (oder gerade keine) körperlichen oder psychischen Schmerzen und Einschränkungen habt! Ihr dürft das genießen und müsst kein schlechtes Gewissen haben, dass es Euch gut geht. Ich gönne es Euch, weil ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist.

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