Wie schafft es die Politik eigentlich, derart konsequent zu ignorieren, daß die Mehrheit vor allem geeignete Maßnahmen will, um die Pandemie schnellstmöglich zu beenden? #thread
Klar, Lobbyismus, aber da gibt es ja auch eine Inhaltsebene. Schließlich sagen Lobbyisten nicht: "Paß auf, Ihr müßt hunderttausend Menschen über die Klinge springen lassen für die Wirtschaft" und Politiker dann so: "Ok geht klar."
Auf dieser Inhaltsebene läuft vermutlich das allermeiste über Bullshit, und zwar große Mengen. Und was das Ignorieren der Mehrheit betrifft, gibt es da diese Kombination aus Psychologisierung und Dekontextualisierung.
zdf.de/nachrichten/po…
Psychologisierung bedeutet, daß man Äußerungen auf psychische Vorgänge erklärt, anstatt durch eine inhaltliche Bezugnahme auf die äußere Welt. Und Dekontextualisierung bedeutet in diesem Fall, daß man den Inhalt der Äußerungen sogar völlig ignoriert.
Das heißt, wenn jemand sagt "X", dann kann das alles bedeuten, außer: "X".
In der Politik gibt es das ideologische Narativ, daß Bürger/ Wähler/ Menschen immer emotional und irrational reagieren. (Also, IMMER.)
Wenn die Menschen also sagen: "Lockdown!!! JETZT!!!!", dann muß man überlegen, welche psychologischen Sachverhalte dahinter herausfinden und herumdeuteln, was damit gemeint sein könnte, denn eins ist klar: Die Menschen meinen damit nicht "Lockdown!!! JETZT!!!!"
Ob es also um die Pandemiebekämpfung geht, den Klimaschutz, Atomausstieg, BGE oder sonst eine pro-menschliche Politik, die von einer Mehrheit gewollt und gefordert wird: Man muß irgendwie herausfinden, was die Menschen bloß damit meinen könnten, wenn sie all das fordern.
Also dieses Psychologisierung/ Dekontextualisierung ist schon die ganze Zeit da, und wie antiemanzipativ und antidemokratisch und antiaufklärerisch dieses Narrativ ist, kann man sehen.
In der vorlertzten Lanz-Talkshow hat das jemand genau vorexerziert, und zwar der Psychologe Stephan Grünewald. Er hat ein Marktforschungsinstitut und arbeitet da für "internationale Konzerne und Marken" laut Wikipedia.
Außerdem ist er in Laschets Expertenrat. Man kann also davo n ausgehen, daß seine Auffassung die Politik womöglich wirklich beeinflußt. de.wikipedia.org/wiki/Stephan_G…
Hier ist die Sendung, das geht etwa ab min 32 los. Das Vertrauen in die Politik geht verloren, woran liegts? Antwort: Vertrauen basiert immer auf Berechenbarkeit. [Also kein Inhaltsbezug. Finde außerdem, das Politikversagen stellt sich doch stets verläßlich ein]
Man bräuchte Einheitlichkeit und daß einem eine Richtung vorgegeben wird, dann würde man vertrauen. [Wieder egal, welcher Inhalt, welche Richtung]
Die Menschen verhalten sich anders, der Lockdown fühlt sich anders an. [Spielt sich alles im Innenleben der Menschen ab.]
Die große Gruppe der Regeltreuen, die für die Maßnahmen sind, würden unter der Hand die Regeln für sich aufweichen. [Das kann schon sein, legitimiert aber nicht, die politische Forderung nach ernsthaften Maßnahmen zu ignorieren oder so zu tun, als sei das alles nicht so gemeint.]
Lanz spricht die große Mehrheit derer an, die einen Lockdown fordert. Und fragt gleich selber, ob man das ernst nehmen soll. Angeblich würden diese Leute nämlich eine Perspektive wollen, sagt der Psychologe. [Und unterschlägt, welche Perspektive, obwohl es klar geäußert wird.]
Jetzt hat er unterstellt, daß den Leuten wurscht ist, welche Perspektive. Eine mögliche Perspektive sei also ein harter Lockdown, und der könne aber nur durch drastische Sanktionen durchgesetzt werden.
Also das, was alle seit Monaten fordern, kann angeblich nur mit Gewalt gegen diejenigen durchgesetzt werden, die es fordern. [Ist Euch schon schwindelig?]
Und wenn man jetzt den Lockdown also mit Gewalt durchsetzen würde, dann würden sich die Menschen also versteifen in ihren Regelbrüchen.
Diese Unduldsamkeit der Menschen müsse man also "kanalisiern, zivilisieren, kontrollieren", indem man kontrolliert öffnet. [Nee echt! Das ist echt die Argumentationskette!]
Weil die Leute sich also sonst heimlich treffen würden, müsse man sie stattdessen in die Öffentlichkeit und zum Testen locken.
Das heißt: Wenn die Mehrheit den Lockdown fordert, beweist das, daß man öffnen muß!

So läuft das nämlich in NRW.
Sehr aufschlußreich, danke #Lanz, jetzt verstehe ich die Welt besser.

Und gleichzeitig überhaupt nicht mehr. Wer fällt auf so einen Müll rein?

/fin
Oh Tschuldigung, hier ist die Sendung: zdf.de/gesellschaft/m…

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