Das ist ein sehr persönlicher Bericht. Von einer Intensivstation. Es ist eine andere Welt, für viele nicht greifbar, weshalb unklar ist was #Corona für eine ITS bedeutet. Ich würde gerne versuchen aus Laienperspektive hierzu eine Erfahrung zu schildern. 1)

Ein Thread.
Vor Jahren durfte ich für über ein Jahr Vollzeit in der @ChariteBerlin (Virchow) auf der hämatologisch-onkologischen Intensivstation (51a) mitarbeiten. Die 51a war für die Behandlung schwerstkranker Patienten im Blutsystem (z.B. Leukämien) oder Tumorerkrankungen spezialisiert. 2)
Vor ein paar Tagen kam in der ARD der Vierteiler zur Station 43 im Virchow-Klinikum der Charité, die aktuell als Coronastation der Maximalversorgung dient. Wer sich für diese Perspektive zur Corona-Situation interessiert, dem verlinke ich unten den Beitrag. 3)
Ich durfte damals die 43er kennenlernen. Die 43 hat am Standort Virchow-Klinikum u.a. zusammen mit der Intensivstation 8 im Netzwerk der Intensivstationen eine herausgehobenen Bedeutung in der Krankenversorgung. 4)
Spezialisiert u.a. auf Lungen- und Multiorganversagen unterstützt sie im Rahmen der internistischen Notfallmedizin intern andere Stationen sowie extern andere KH. Wenn bei uns auf der 51a ein Patient reanimationspflichtig wurde, wurden die 43er routinemäßig dazualarmiert. 5)
Zudem durfte ich die 43er und die 8er einmal im Rahmen einer eintägigen „Hospitation“, besser: Besuch erleben – der Vorteil in einer Uniklinik, wo sowieso permanent Studenten, Auszubildende etc. „rumlaufen“ - und doofe wie ich. 🙈 6)
Ich habe viel gelernt: wie es ist, den ganzen Tag mit Maske zu arbeiten, sich oft zusätzlich mit Haube, Mantel & Handschuhen zu verkleiden. Wie es ist, sich ca. 50x pro Tag die Hände zu desinfizieren. Wie es ist, in abgedunkelten Räumen, mit piepsenden Maschinen zu arbeiten. 7)
Wie es ist, keine Pause zu machen, acht Stunden durchzuarbeiten. Wie Ärzte aussehen, die täglich noch viel länger arbeiten, nichts essen, Dienste machen, aus einem 36 Stunden-Dienst kommen, nicht geschlafen haben, immer weitermachen. 8)
Ich habe gesehen, gespürt, mit welcher unglaublichen Konzentration gearbeitet wird, in welcher Geschwindigkeit wirklich existentielle Entscheidungen getroffen werden müssen, Verantwortung übernommen wird, wie es ist den Tag an der Schnittstelle von Leben und Tod zu arbeiten. 9)
Ich habe gelernt, wie es ist, wenn der berufliche Alltag aus Sterben besteht. Dauernd. Immer. Und wie es sich anfühlen, anfühlen muss, wenn man als medizinisches Personal dagegen sehr oft nichts machen kann. 10)
Ich habe gelernt, wie unglaublich krank Menschen werden können, so krank, wie wir uns das in unseren Alltagen mit Beruf & Familie überhaupt nicht vorstellen können. Wie sie auch jung, lebendig, plötzlich aus dem Leben gerissen werden und um ihr Leben kämpfen. Oft vergebens. 11)
So krank, wie das so ähnlich mit Corona passieren kann. Plötzlich, unerwartet in eine existentielle Krise zu kommen. 12)
Ich habe erlebt, was intensivmedizinische Behandlung mit Menschen macht, die oft wochen- oder monatelang geht. Wie körperlich erschöpft, psychisch überwältig von der Maschinenwelt, traumatisiert sie das KH in ihr altes Leben verlassen, was eben nicht mehr das alte Leben ist. 13)
Ich habe gelernt: niemand, wirklich niemand der schwer krank ist, extrem krank ist, möchte sterben. Weder die jungen noch die alten Patienten. Selbst in den letzten Tagen, Stunden versucht der Mensch im Leben zu bleiben, kämpft, hofft, betet, weint, bittet irgendwann auch. 14)
Ich habe aber vor allem erfahren dürfen, gespürt, mit welcher unglaublichen Hingabe das Pflegepersonal, die Ärzte auf diesen Stationen arbeiten. 15)
Auch in meiner Branche wird viel gearbeitet, wird auch oft leidenschaftlich, intensiv gearbeitet. Für Menschen, Kunden etc. Auch in anderen Berufen ist das so. Keine Frage. 16)
Aber dieser Einsatz, diese Leidenschaft, dieser persönliche Kampf, diese Hingabe, dieser Mut, diese Verantwortungsbereitschaft, diese teilweise persönliche Aufopferungsbereitschaft, habe ich in meinem Berufsleben so konzentriert nie wieder gesehen und erlebt. 17)
Wir, die normalen Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die keine politischen Entscheidungsträger sind, wir können unseren Intensivstationen nur teilweise helfen. Wir können ihnen nicht mehr Geld bezahlen oder die unglaubliche Personalsituation verbessern. 18)
Wir können aber zuhause bleiben. Wir können Kontakte reduzieren. Und wir können uns in Solidarität und in echter Dankbarkeit verneigen. 🙏🏻 19)

#nichtselbstverstaendlich #LockdownJetzt
P.S. Und hier der Link auf den Vierteiler der ARD über die Station 43 der Charité. 20)

ardmediathek.de/video/charite-…
FF: diese haben viel mehr zu sagen. Und bitte entschuldigt meine unprofessionellen Ausführungen im Thread. 🙈🙈🙈
21)

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