Der Entwurf für die Änderung des Infektionsschutzgesetzes, der heute vom Kabinett verabschiedet wurde, ist im Vergleich zum ersten Entwurf an mehreren Stellen aufgeweicht und an einer Stelle verschärft worden. Ein kurzer Thread: [1/x]
Zuerst die Verschärfung: Die Bundesnotbremse tritt in Kraft, wenn die Inzidenz in einem Kreis 3 Tage über 100 liegt - außer Kraft treten soll sie jetzt aber erst, wenn sie 5 Tage unter 100 sinkt (links). Ursprünglich waren dort auch 3 Tage vorgesehen (rechts). [2/x]
Nun die Aufweichungen im Vergleich zum Entwurf: Bei privaten Treffen gilt bei Inzidenz über 100 nun 1 Haushalt plus 1 Person (+ deren Kinder unter 14). Die ursprünglich vorgesehene Obergrenze von 5 Personen (rechts) wurde gestrichen. [3/x]
Die Liste der Geschäfte, die auch bei einer Inzidenz über 100 öffnen dürfen, wurde im Vergleich zum ersten Entwurf (rechts) deutlich ausgeweitet; u.a. sind jetzt Buchhandlungen und Gartenmärkte dabei (links). [4/x]
In Bezug auf Schulen bleibt es dabei, dass Präsenzunterricht bei Inzidenz zwischen 100 und 200 nur mit 2 Tests pro Woche zulässig sein soll und oberhalb von 200 gar nicht. Neu ist, dass Abschlussklassen und Förderschulen von Letzterem ausgenommen werden können (links). [5/x]
Im ÖPNV war ursprünglich (rechts) vorgesehen, eine maximale Belegung von 50 % "sicherzustellen" (was ein echter Fortschritt gewesen wäre). Jetzt (links) ist diese nur noch "anzustreben" (was vermutlich wenig bringt). [6/x]
Noch ein Nachtrag zu Tweet 3 dieses Threads: Ebenfalls entfallen ist im vom Kabinett verabschiedeten Entwurf die Vorgabe, dass private Treffen nur mit einer weiteren Person *pro Tag* stattfinden dürfen. [7/x]
Nach dieser Beschreibung jetzt noch eine kurze Bewertung: Eine bundesweite Regelung ist sinnvoll. Aber die derzeit geplante den grundlegenden Fehler, dass sie sich an den falschen Indikatoren orientiert. [8/x]
Der Grenzwert von 100 ist zum einen deutlich zu hoch. Und wenn schon nach wenigen Tagen unterhalb dieses Werts wieder gelockert wird, wird die Inzidenz ständig um diesen Wert pendeln, was gesundheitlich wie wirtschaftlich große Probleme machen wird. [9/x]
Zudem ist der feste Inzidenzwert ein Problem, denn infizieren können sich ja in der Regel nur jene, die noch nicht geimpft sind und die zuvor nicht infiziert waren. Diese Gruppe wird immer kleiner. [10/x]
Wenn 25 % geschützt sind, bezieht sich die Inzidenz also nur noch auf die verbliebenen 75 %. In dieser Gruppe entspricht eine Gesamt-Inzidenz von 100 dann einer faktischen Inzidenz von 133. Das Risiko für die Ungeimften steigt bei gleichem Grenzwert also permanent an. [11/11]
Weil es viele Rückfragen gab, noch eine Ergänzung zum letzten Tweet: Mit "Risiko" meinte ich dort primär das Risiko, dass man zu den Infizierten gehört, und nicht das Risiko, dass man sich infiziert. [12/x]
Dass Risiko, sich zu infizieren, steigt dabei aber für jüngere, ungeimpfte Menschen ebenfalls, wenn man davon ausgeht, diese überproportional viele Kontakte zu anderen jüngeren, ungeimpften Menschen haben (in Kita/Schule/Uni/Job). [13/x]
Und noch eine weitere Ergänzung zu den Quellen: Der heute vom Kabinett beschlossene Entwurf ist hier zu finden: bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Date…, der ältere Entwurf, mit dem ich ihn verglichen habe, findet sich hier: cdn.businessinsider.de/wp-content/upl… [14/14]

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13 Apr
Die heutigen #Corona-Zahlen bieten erneut Anlass zu großer Sorge. Bei den gemeldeten Neuinfektionen lässt steigt der 7-Tage-Mittelwert deutlich auf 17.365. Damit ist nach dem kurzen Oster-Einbruch jetzt der höchste Wert der 3. Welle erreicht. [1/x]
Die prozentuale Veränderung des 7-Tage-Mittels, für mich sonst der wichtigste Indikator, ist derzeit weiter nicht aussagekräftig, weil die Werte letzte Woche nicht vergleichbar sind und zudem unklar ist, wie viele Nachmeldungen in den aktuellen Zahlen noch enthalten sind. [2/x]
Aber die großen Sprünge, die in den letzten Tagen zu sehen waren, lassen keine große Abschwächung des Wachstums im Vergleich zur zweiten Märzhälfte erwarten, sofern nicht bald verstärkte Gegenmaßnahmen greifen. [3/x]
Read 9 tweets
12 Apr
Nach 10 Tagen Osterpause sehen die #Corona-Zahlen leider gar nicht gut aus.
Bei den gemeldeten Neuinfektionen folgte auf den starken Rückgang über die Feiertage ein ebenso starker Anstieg. Der 7-Tage-Mittelwert liegt mit 16.804 nur knapp unter dem Wert von Karfreitag. [1/x]
Das ist deswegen enttäuschend, weil es neben der geringeren Testzahl und der höheren Meldeverzögerung (die die Meldezahlen beeinflussen, aber nicht das eigentliche Infektionsgeschehen) durch die Ferien ja auch weniger Kontakte geben sollte, die den Anstieg real bremsen. [2/x]
Dass der Mittelwert der gemeldeten Neuinfektionen am Ende der Osterferien trotzdem höher liegt als bei deren Beginn, deutet darauf hin, dass der aktuelle Anstieg selbst mit geschlossenen Schulen nicht gestoppt wird, sondern weitergehende Maßnahmen erforderlich sind. [3/x]
Read 7 tweets
25 Mar
Die #Corona-Zahlen sehen heute wieder sehr schlecht aus. Bei den gemeldeten Neuinfektionen liegt der Tageswert mit 22.657 um 29 % höher als vor einer Woche. Der 7-Tage-Mittelwert steigt auf 14.416; das sind 27 % mehr als vor einer Woche. [1/x]
Bei den neu gemeldeten #Corona-Toten herrscht jetzt eindeutig Stagnation: Der Tageswert von 228 ist geringfügig höher als vor einer Woche; der 7-Tage-Mittelwert liegt mit 187 Toten pro Tag auf dem gleichen Niveau wie in den letzten Tagen und wie vor einer Woche. [2/x]
Das Niveau, auf dem sich die Todesfälle derzeit einpendeln (und bei dem immer noch über Lockerungen diskutiert wird), liegt übrigens nur geringfügig niedriger als das Maximum der ersten Welle im Frühjahr. [3/x]
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24 Mar
Ein Update zur Frage, welchen Anteil die kostenlosen Schnelltests beim aktuellen Anstieg der gemeldeten Neuinfektionen haben: Das @MAGS_NRW hat mir jetzt Zahlen zu den positiven Schelltests in NRW in KW 11 geschickt: [1/6]
Demnach lag die Zahl der positiven Schnelltests in NRW in KW 11 um 2001 höher als in KW 10. Wie viele dieser Schnelltests per PCR bestätigt werden, ist leider nicht bekannt. [2/6]
In Baden-Württemberg, wo das erhoben wird, waren es rund zwei Drittel. Wenn man diesen Wert (den ich überraschend hoch finde) auch für NRW annimmt, gab es dort letzte Woche 1320 zusätzliche positive PCR-Tests aufgrund der zusätzlichen kostenlosen Schnelltests. [3/6]
Read 6 tweets
24 Mar
Die Zahl der gemeldeten #Corona-Neuinfektionen steigt heute langsamer als zuletzt (aber immer noch stark): Der Tageswert von 15.813 ist 18 % höher als vor einer Woche. Der 7-Tage-Mittelwert steigt auf 13.680, das sind 26 % mehr als vor einer Woche. [1/x]
Die Zahl der #Corona-Toten fällt jetzt seit 6 Tagen praktisch nicht mehr. Der aktuelle Tageswert von 248 lässt den 7-Tage-Mittelwert unverändert bei 187 Toten pro Tag. Der Wert liegt damit nur noch 7,7 % niedriger als vor einer Woche. [2/x]
Auf den Intensivstationen steigt die Zahl der dort behandelten #Corona-Patient*innen erneut schneller: Mit 3209 liegt sie heute schon 12,2 % höher als vor einer Woche. Auch die Zahl der Neuaufnahmen steigt weiter. [3/x]
Read 6 tweets
23 Mar
Am Morgen danach zeigen die #Corona-Zahlen erneut den Ernst der Lage:
Bei den gemeldeten Neuinfektionen liegt der Tageswert von 7485 um 37 % höher als vor einer Woche. Der 7-Tage-Mittelwert steigt auf 13.340, das sind 30 % mehr als vor einer Woche. [1/x]
Und auch die Zeiten, in denen die Kurve der #Corona-Toten stetig nach unten ging, sind vorbei: Ein Tageswert von 250 lässt den 7-Tage-Mittelwert auf 187 Tote steigen. Das ist der 3. leichte Anstieg in Folge. [2/x]
Der 7-Tage-Mittelwert der täglichen Toten ist damit immer noch 12 % niedriger als vor einer Woche - aber das ist die geringste Rückgangsrate seit 6 Wochen. Ob das jetzt schon der Wendepunkt ist, bleibt abzuwarten. Aber gut sieht die Entwicklung nicht aus. [3/x]
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