Thread by @HasnainKazim

Heute habe ich ein sehr spannendes, kleines Experiment zur Diskussions(un)kultur gemacht. Ich habe mir bewusst ein niedrigschwelliges Thema gesucht, das in Deutschland aber alle möglichen Leute bewegt und zu dem viele etwas zu sagen haben: Autos.
Ich schrieb heute Mittag also...

...in den sozialen Medien: "Kein Mensch in einer Stadt braucht einen SUV. Kein Mensch." Das hatte im autofanatischen Deutschland Folgen, viel mehr als zum Beispiel ein Post/Tweet zu einem rassistischen Angriff in Erfurt auf einen jungen Syrer, obwohl es da ein Video von dem...

...brutalen, widerlichen Übergriff gab. Das Auto ist den Deutschen doch heilig.
Bei Twitter hatte dieser Kommentar von mir am Abend mehr als 3000 "Likes" und mehr als 270 Kommentare, auf Facebook 2600 "Likes" und sage und schreibe 1247 Kommentare.
Wenn ich schreibe: "Kein...

...Mensch in einer Stadt braucht einen SUV. Kein Mensch.", bedeutet das natürlich: "Ich meine, dass kein Mensch..." oder "Ich finde, dass kein Mensch..." oder "Ich denke, dass kein Mensch..." Es bedeutet nicht: "Ich verbiete, dass Menschen in der Stadt ein SUV haben dürfen!"...

...oder "Niemand darf in einer Stadt ein SUV haben!", von dürfen ist da sowieso keine Rede. Und wie soll ich jemandem etwas untersagen/verbieten, ich bin ja (noch) kein Kalif!?
Wenn ich also so etwas schreibe, dann ist das meine Meinung. Es ist zunächst einmal mein Recht, sie...

...so zu äußern. Wenn ich mag, kann ich sie begründen. In diesem Fall zum Beispiel so: SUVs verbrauchen noch mehr Stahl und Plastik und Glas und sonstige Rohstoffe, und dann kachelt man vielen Tausend Kilogramm Material durch die Gegend, verbraucht also überproportional viel...

...Rohstoffe, ebenso Energie zur Produktion und zur Fortbewegung Benzin/Diesel/Strom, nimmt allein durch Parkplätze absurd viel öffentlichen Raum ein, der allen zusteht, ist eine noch größere Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere Fußgänger und Radfahrer, als es...

...Autofahrer ohnehin sind.
Natürlich darf ich für meine Meinung auch kritisiert werden. Intelligente Kritik wäre zum Beispiel: "Aber manche Leute brauchen so ein Auto, weil sie in kaum ein anderes Auto passen oder weil sie beruflich bedingt viele Dinge transportieren müssen,...

...die nur in einen SUV beziehungsweise in einen Geländewagen passen." Oder: "Ich bin Förster, lebe aber in einer Stadt und fahre zur Berufsausübung aufs Land und in den Wald, und ich habe nur ein Auto, eben einen SUV, mit dem ich auch in der Stadt unterwegs bin."
Ich hätte...

...dann zum Beispiel gesagt: "Aha, ja, das verstehe ich, das klingt nachvollziehbar." Oder auch "Hm, leuchtet mir nicht so ganz ein." Auch gut. Man muss nicht immer einer Meinung sein.
Manche argumentierten so.
Andere schrieben aber: "Dann können wir ja gleich zurück zur DDR!"...

...Oder: "Schön, dass Sie als woke Person [Ich. Bin. Nicht. Woke. Was. Auch. Immer. Das. Sein. Soll. Anm. HK] vorschreiben wollen, was andere Menschen zu wollen haben!" Oder "Das ist Absolutismus!" Oder: "Sozialistische Diktatur!" Oder: "Aber meine Freiheit!!!!"
Aber...

...von Vorschreiben, von dem, was andere zu wollen haben et cetera habe ich nie etwas geschrieben. Jeder darf mit so einer grotesken Kiste herumfahren! Und jeder muss auch Kritik dafür ertragen. Er kann, aber muss sich nicht dafür erklären. Und ich darf ihn dafür weiter...

...kritisieren.
Diesen Diskussions(un)kulturtest haben viele bestanden, aber nicht alle. Die Namen und die Performance von jeder und jedem ist gespeichert, jetzt im Nachhinein zu löschen ist zu spät. Das kommt alles in die Akte, und wenn ich dann bald Kalif bin und das Kalifat...

...ausgerufen ist... -> Ab in den Diskussionsunterricht! ("Als erwachsener Bürger will ich nicht erzogen werden!" - Doch, hast du dringend nötig!)