Eine der erfolgreichsten Behauptungen der Nationalliberalen und Rechtskonservativen ist ja, dass der Neoliberalismus, der seit den frühen Achtzigern zur Doktrin in den westlichen Gesellschaften aufstieg, etwas Linkes sei. Ich frage mich, warum so wenige Linke widersprechen. 1/
Aus welchem Teil des politischen Spektrums kamen Thatcher, Reagan, oder hierzulande Graf Lambsdorff, Merz, Westerwelle und auch die frühe Merkel? Wer entfachte diesen Druck, der Rot-Grün vom ersten Tag vorwarf, deutschen Wohlstand durch linke Umverteilungspolitik zu zerstören? 2/
Warum auf längst vergessenen Zeiten herumreiten? Weil auf dieser Schuldumkehr ein wichtiger Teil der rechten und neurechten Argumentation basiert. Wagenknecht, Sarrazin und ungezählte Konservative, Liberale und Rechtsradikale erzählen jeden Tag aufs Neue die Geschichte von den 3/
„globalistischen“ Salonlinken, denen das Leben der einfachen Leute egal sei. Wer gegen diese immer wieder erfolgreiche Behauptung anargumentieren will, der muss ein Stück zurückgehen. Der oder die muss benennen, aus welchen Gründen heute 4/
die Mieten explodieren, die Mittelschicht schrumpft, der Superreichtum wächst, die Behörden unterausgestattet und ländliche Räume vernachlässigt sind. Dahinter steckt ein Begriff von Markt, deren Vertreter zum großen Teil aus dem konservativen und liberalen Spektrum kamen. 5/
Es ist keine Idee der „68er“ und linker „Globalisten“, dass heute niemand aus der Mittelschicht mehr sicher vor dem Absturz ist. Dass es mit einem normalen Einkommen heute nahezu unmöglich ist, ein Vermögen aufzubauen. Der Neoliberalismus ist kein linkes Konzept. 6/
Vielmehr erschlafften Sozialdemokraten, Grüne und Linke damals in ihrem Widerstand gegen einen Zeitgeist, in dem „modern“ ein Synonym für Reaganomics war. Kaum jemand gewann damals noch Wahlen, der nicht „Reformen“ versprach, also Staats- und Sozialabbau.
Wo ist die Bereitschaft, mal auf die Behauptung zu antworten, diese Entwicklung sei „links“? Es geht auch darum, ein wichtiges Kapitel der Nachwendezeit aufzuarbeiten, dass besonders im deutschen Osten, aber nicht nur dort viel stärkere Folgen hatte als „68“. 7/
Es geht auch darum, ein billiges rechtes Feindbild zu zerstören, das immer mehr Wahlkämpfe entintellektualisiert und die politische Kultur kaputtmacht. Die Linken sind nicht the enemy of the people. Der Neoliberalismus ist genauso wenig links wie der Faschismus. 8/
Wenn Linke gegen diese Erzählung nicht endlich mal offensiv vorgehen, dann ist es eine Frage der Zeit, bis der Trumpismus nach Deutschland kommt. 9/Ende
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Nein, kein Einzelfall. Es gibt aus den vergangenen Monaten vergleichbare Bilder aus Schmalkalden, Pössneck, Dresden, Leipzig und anderen Orten. Immer selbstbewusstere Rechtsextreme gegen eine überfordert erscheinende Polizei. Sie versuchen den Staat zu besiegen.
(Schmalkalden liegt übrigens in Maaßens Wahlkreis. Bin ehrlich gespannt, ob er auch nur einmal in diesem Wahlkampf was gegen diese Leute sagt.) mdr.de/nachrichten/th…
Meine Miete war durch den #Mietendeckel von 20€ pro Quadratmeter auf 9€ gefallen. Der Mietendeckel hat gezeigt, welche Kraft die Politik gegenüber angeblich unabänderlichen Marktgesetzen entwickeln kann (wenn CDU und FDP nicht regieren).
Aber schade, jetzt ist wieder Wildwest.
Ich dachte übrigens, die härtesten Trolle hängen beim Thema Putin ab. Aber nein, sie sind alle hier. Warte eigentlich nur noch auf Alfons Don und Bernd Brechtken.
Liebe Liberallalas, es wohnen nicht nur @zeitonline-Redakteure in Neukölln. Der Mietendeckel schützte auch meine vielen Nachbarn.
Krasser Tag. Ich komme mit dem Blocken kaum hinterher. Drohungen, Beleidigungen, Hitler- und Erdoganvergleiche, sogar der Vorwurf, einen Völkermord vorzubereiten. Wie müssen sich Leute fühlen, die nicht so viele Follower haben?
Zwei Sachen sind mir nochmal klargeworden: (Thread)
Erstens: Klar findet die AfD Zuzug schlecht. Zuwanderung in den Osten ist für die AfD und ihre Anhänger nicht nur dem Augenschein nach eine Horrorvorstellung. Jede einzelne erfolgreiche Integration von Westdeutschen oder Ausländern untergräbt deren paranoides Weltbild. 2/
Was aber bisher zu kurz kam: Zuzug, also die Stabilisierung der demografischen Situation vor allem ländlicher Räume, ist kein sinistrer Plan linker Journalisten, sondern im Osten relativ konsensual. Zuzug hält Schulen offen, erhält Zugverbindungen, bringt Azubis. 3/