Hartnäckig halt sich in der Gesellschaft das Gerücht, dass E-Autos eine schlechte CO2 Bilanz hätten.
Es wird von CO2 Rucksäcken >150.000km (Fahrleistungs-Äquivalent) geredet oder gar in Frage gestellt, ob das E-Auto (im Folgenden EV = electric vehicle) überhaupt CO2 einspart.
Angeführt werden dann häufig irgendwelche Kalkulationen, Studien oder Meinungspapiere, die das beweisen sollen.
Und genau hier liegt das Problem. Man muss diese Kalkulationen verstehen können, um ihre Aussagekraft und Korrektheit zu interpretieren.
Darauf möchte ich im Folgenden einmal eingehen.
Wenn man so eine Kalkulation aufstellt, die die CO2 Bilanz von EV und Verbrenner vergleicht, gibt es im Wesentlichen 4 Faktoren, die zu berücksichtigen sind:
1. Emissionen in der Batterieproduktion
2. Emissionen des Strommixes (mit dem das Fahrzeug betrieben wird)
3. Haltbarkeit der Batterie
4. Emissionen des Verbrenners
Im Folgenden mal die einzelnen Punkte im Detail:
1. Emissionen der Batterieproduktion
Es ist bekannt, dass die Produktion von Batteriezellen ein relativ energieintensiver Prozess ist.
Dieser hängt ziemlich direkt mit dem Strom zusammen, den die jeweilige Fabrik nutzt, ergo also auch mit dem Anteil an Erneuerbaren vor Ort.
Das ist ein sehr wichtiger Punkt, da dieser Anteil jedes Jahr steigt, und somit auch die Emissionen pro kWh produzierter Batteriekapazität sinken.
Das ist der 1. Punkt den man überprüfen sollte, wenn wieder irgendein Papier dem E-Auto eine schlechte CO2 Bilanz attestieren will.
Die Emissionen der Batterieproduktion liegen heute bei etwa 60-106kg CO2/kWh (IVL 2019) je nach Produktionsstandort.
Diese Zahl stammt aus dem Update einer (auch von E-Auto-Kritikern) vielzitierten Studie des schwedischen Umweltinstituts IVL.
Die ursprüngliche Studie aus 2017 sprach dabei noch von ~150-200kg CO2/kWh, bezog sich dabei aber auf ältere Studien, die teilweise über 10 Jahre alt waren.
Wir erinnern uns -> Anteil erneuerbarer Energien ist fundamental für CO2/kWh.
Vor 15 Jahren hatten wir sehr wenig EE.
Viele Kalkulationen,die zu einem schlechten Ergebnis fürs E-Auto kommen, zitieren eben diese alte Studie.
Die Autoren haben aber klar gemacht, dass diese nicht mehr dem Stand entspricht und daher das Update gemacht.
Wir haben also heute statt 150-200kg CO2/kWh nur noch 60-106kg!
2. Emissionen des Strommixes
E-Autos fahren zwar lokal emissionsfrei, was für Innenstädte super ist, aber natürlich muss auch der Strom zum Fahren produziert werden.
Der Strommix setzt sich zusammen aus den Emissionen der verschiedenen Stromquellen.
Wie auch bei der Batterieproduktion haben wir hier keinen Stillstand, sondern eine dynamische Entwicklung.
So lag der Strommix 2018 bei 474g CO2/kWh.
Jedoch 2020 bereits bei ~365g CO2/kWh.
Was heißt das?
Hat man 2018 eine Kalkulation über die CO2 Bilanz gemacht, ist diese heute bereits nicht mehr korrekt, da die Emissionen im Strommix um ~23% gesunken sind.
Wenn man heute ein E-Auto kauft, wird es gemeinsam mit dem Strommix jedes Jahr automatisch emissionsärmer.
3. Haltbarkeit der Batterie
Auch hier finden sich in vielen Kalkulationen grobe Fehler. Häufig wird angenommen, dass die Batterie nach 150.000km getauscht werden muss, das Auto aber 250.000km betrieben wird.
Gemeinsam mit zu hohen Zahlen für die Batterieproduktion errechnet man
sich hier künstlich ein noch schlechteres Bild für das E-Auto.
Aber wie lange halten Batterien denn nun?
Generell ist es so, dass Batterien für E-Autos für 1500-2000 Vollzyklen (100-0%) entwickelt werden.
Heißt: Ein Fzg mit 300km Reichweite sollte 450-600.000km halten und dann
noch zwischen 70-80% Restkapazität haben.
Das Bild des Akkus, der nach 150.000km getauscht wird ist generell einfach konstruiert und hat keine reale Basis. Selbst Hersteller geben mehr Garantie.
Der EV Rekordhalter @gem8mingen hat seine Batterie bei 668.000km tauschen lassen.
4. Verbrauch des Verbrenners mit dem verglichen wird
Auch hier gibt es einige fiese Tricks, die absichtlich oder unabsichtlich in solchen Kalkulationen zur CO2 Bilanz zu finden sind.
Ein besonders gutes Negativ-Beispiel ist dabei die Kalkulation des Hans-Werner Sinn.
Sinn rechnet eine MB C-Klasse mit 4,5l NEFZ (ein alter, sehr unrealistischer Testzyklus) und ignoriert die Produktion des Kraftstoffs komplett.
Er kommt zu dem Ergebnis: Die C Klasse verursacht 117g CO2/km.
Das ist massiv schöngerechnet.
Nimmt man sich mal reale Durchschnitts-Daten dieses Modells von der Plattform Spritmonitor zur Hand, dann verbraucht dieses Modell 6,4l/100km.
Inkludiert man zusätzlich auch noch die Produktion des Kraftstoffs, kommt man auf insgesamt 211g CO2/km bei diesem Modell. Nicht 117g.
Realistische und aktuelle Daten zu verwenden ist fundamental, wenn man eine Life-Cycle Analyse von E-Auto vs. Verbrenner macht.
Wenn ihr das nächste Mal so eine Behauptung oder Schlagzeile lest, macht euch doch kurz den Aufwand und überprüft die Quelle auf die in diesem Thread
aufgeschlüsselten Faktoren.
Die wichtigen Kennzahlen (Stand 2020) nochmal kompakt:
Batterie: 60-106kg CO2/kWh
Strom (DE): ~365g CO2/kWh
Haltbarkeit: Reichweite*1500-2000 Zyklen
Verbrenner: Spritmonitor-Verbrauch prüfen und auch prüfen, ob die Produktion inkludiert wurde.
Wirft man diese relevanten Zahlen für 2 vergleichbare Modelle nun in 2 Funktionen, werden diese sich idR irgendwo zwischen 25.000-50.000km (je nach Modell und Akkugröße/Spritverbrauch) schneiden.
Das ist der CO2-Rucksack, den das E-Auto kompensieren muss.
Über die Lebensdauer wird das EV mit heutigem Strommix CO2 im zweitstellungen t-Bereich einsparen.
Wenn ihr euch heute einen neuen PKW kaufen wollt und irgendwie finanziell und infrastrukturell ein E-Auto realisieren könnt, kauft/least ein E-Auto.
Die CO2 Bilanz ist ohne Zweifel besser!
Ich hoffe ich konnte mit diesem Thread das Thema etwas verständlicher machen.
Offene Fragen sonst gerne stellen.
Ebenso empfehle ich an der Stelle auch @AukeHoekstra und @Stefan_Hajek, die das Thema praktisch hauptberuflich behandeln und super Artikel/Threads darüber haben.
Hier noch ein kleiner Thread von mir zum Thema Kobalt und wieso wir auch hier und bei Rohstoffen allgemein keine ehrliche Diskussion führen.
Ebenfalls noch eine gute und recht aktuelle Studie, die das Thema sowohl von best-case als auch worst-case Seite beleuchtet und Einsparpotenziale je nach nationalem Strommix aufzeigt findet ihr hier:
Der Markt für Verbrenner schrumpft global seit 2017. Auf E-Autos zu setzen (die als einziges Marktsegment noch wachsen) ist also keine falsche Entscheidung.
Gleichzeitig sinkt der Marktanteil deutscher Firmen in China mit dem Hochlauf der E-Mobilität dort.
Deutsche Verbrenner verlieren zu Lasten chinesischer (E-)Autos stetig Marktanteile.
Gerade in den unteren Segmenten sieht man das massiv!
Dort war VW über Jahrzehnte sehr stark.
Super Video zum Thema Akku Degradation durch Schnellladen.
Spoiler: Es ist in der Praxis kaum ein Problem, weil Hersteller mittlerweile den Sweetspot gefunden haben, bei dem Schnellladen nur einen minimalen, teils kaum nachweisbaren Effekt hat.
Die Ergebnisse "Schnellladen = schlecht" stammen häufig aus Studien, bei denen Zellen mit konstanter, hoher Ladeleistung vollgeladen wurden.
Diese Methode kann für eine Studie sinnvoll sein, hat für die Realität aber kaum Relevanz.
In der Praxis richtet sich die die Ladeleistung nach viele Faktoren wie Ladestand (%), Temperatur, etc.
Der Zusammenhang zwischen Degradation und Ladeleistung steigt mit dem Ladestand, weshalb man mit steigendem Ladestand die Leistung reduziert, was Degradation minimiert.
Verkehrsminister Wissing drohte das Gesetz zum Verbrenner-Aus ab 2035 zu blockieren.
Seine Begründung: eFuels, also strombasierte Kraftstoffe, sollen als Perspektive für Neuwagen erhalten bleiben.
Aber was ist dran an all dem, was in dieser Woche diskutiert wurde?
Es war von bezahlbarer Mobilität die Rede, von Klimaschutz, vom Schutz des Automobilstandorts Deutschland.
Nicht mal der Lobbyverband "eFuel Alliance" redet von bezahlbaren eFuels.
70-133ct Produktionskosten 2050 (!!!) sind immer noch 2-4x mehr als bei fossilem Sprit.
Bezahlbare eFuels sind ein komplettes Märchen.
Ohne Subventionen wird das nicht passieren.
Wie hier einige das Blaue vom Himmel versprechen ist absolut unehrlich, das muss man klar so benennen.
Irreführung der Wählerschaft.
Wenn man wirklich Klimaschutz mit eFuels will - was ja gut ist - dann sollte man Quoten beschließen, die im Einklang mit unseren Klimazielen sind
Laut @Der_BDI hieße das:
2030 22% eFuels im Kraftstoffmix.
Die geplanten Mengen laut eFuel Alliance reichen etwa für 3-5% in Deutschland (nicht Europa!), knapp 1,5-2Mrd Liter.
Natürlich stimmt es erstmal, dass man Autos prinzipiell sowohl elektrisch als E-Auto, mit Brennstoffzelle oder als Verbrenner mit eFuels CO2-neutral betreiben kann.