Wir haben bei der gegenwärtigen Corona Krise zwei große »black boxes«: Die Gesundheitsämter und die Labore. In diesem 🧵 geht es darum, was ich über die Labore herausgefunden habe.
(Am Ende des Threads ist eine Mitmachbitte. Wem dieser 🧵 neue Erkenntnisse bereitet hat, oder was beizusteuern hat, dem wäre ich für eine Nachricht sehr dankbar.)
Die Labore sind diejenigen, die die PCR-Tests (genauer RT-qPCR-Tests) durchführen und im Falle eines positiven Befundes das Gesundheitsamt informieren. Das Gesundheitsamt leitet dann die uns bekannten Maßnahmen ein, mit bekannten Folgen für Einzelfälle und deren Kontakte.
Der Inzidenzwert ist der bestimmende politische Wert, der über Einschränkungen entscheidet. Er ist im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben. Die Inzidenz durch PCR ist also für den lokalen Einzelfall wie auch für die Gesellschaft ein bestimmender Parameter geworden.
Aber was geht in den Laboren genau vor, die ja letztendlich die Inzidenz bestimmen? Durch einen Aufruf konnten Laborbefunde eingesehen werden, die ein fragmentarisches Bild geben, was in den Laboren abläuft.
Anhand von drei Befunden, die hier anonymisiert gezeigt werden, soll beispielhaft dargestellt werden, wie unterschiedlich es dabei zugeht.
Der erste Befund ist ein Negativ-Befund. Wir erfahren auf dem Befund, dass zwei Genstellen getestet wurden, bei denen auch der Referenzbereich angegeben ist, ab dem ein Labor einen Test als positiv ansieht.
Hintergrund: Die Person musste sich für einen Auslandsbesuch »freitesten« und war gänzlich asymptomatisch. Es ist überraschend, dass der negative Befund erst bei einem so hohen Schwellenwert negativ ist. Immerhin hat das Labor zwei Genstellen getestet.
Der zweite Befund ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: Wir erhalten viele Informationen, etwa über einen sog. cobas®6800; das ist grob gesagt das Gerät, in dem die PCR (exakt RT-qPCR) abläuft. Es handelt sich um den Roche cobas®6800.
Dieses Gerät kommt auch in der Berliner Charité zum Einsatz, zusammen mit der größeren Ausfertigung cobas®8800, wie wir etwa der Viruslast-Studie entnehmen können.
Das verwendete Testkit ist ebenfalls von Roche; es hat eine CE-Kennzeichnung und ist für die Diagnostik zugelassen (IVD = in vitro diagnostic). Dies unterscheidet den Test von allen, die nur für die Forschung zugelassen sind (RUO = research use only).
Wir wissen nicht, ob es sich bei einem der Testkits um eines von TIB Molbiol handelt, dem Charité-Partner, der zusammen mit Drosten und anderen das erste PCR-Testprotokoll entwickelt hat. Diese sind auf die Geräte von Roche abgestimmt.
Nun wird es besonders interessant. Anders als beim ersten Test erfahren wir hier, auf welche Genstellen im Genom des Virus SARS-CoV2 getestet hat, nämlich einmal auf das ORF1ab-Gen, und einmal auf das E-Gen.
Das Labor hat auch hier genau angegeben, was bei ihm der Schwellenwert für <10^6 Virus-Kopien pro ml ist, und handelt so, dass dem Gesundheitsamt die Möglichkeit gegeben wird, entsprechend der Entlassungskriterien des RKI zu handeln!
Überrraschend ist also hier, dass der ermittelte Ct-Wert für das E-Gen über dem Schwellenwert liegt. Aber: Das Gesundheitsamt schickt solche Menschen trotzdem samt Kontaktpersonen grundsätzlich erstmal für zwei Wochen in Quarantäne. So auch hier.
Der nächste Klopper ist, dass von beiden getesteten Genstellen nur das E-Gen nachweisbar war, das ORF1ab-Gen nicht. Konzedieren wir mal, dass das Labor eine Kontrollprobe gemacht hat, wie es üblich ist bei einem positiven Test, und dass wirklich nur das E-Gen nachweisbar war.
Tja, dann trifft nun mal das zu, was Schwurbler von Anfang an gesagt haben, nämlich, dass zum Zeitpunkt des Testes SARS-CoV2 nur als Fragment vorhanden war. Wir haben also neben der niedrigen Viruslast auch nur einen unvollständigen Nachweis des Virus.
Erinnern wir uns hier an die Definition aus dem IfSG § 2 zur Definition des »Krankheitserregers«

gesetze-im-internet.de/ifsg/__2.html
Demnach handelt es sich um ein »ein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann«.
Zudem kommt, wie ich aus dem Schriftverkehr erfahren habe, dass die Person ebenfalls komplett asymptomatisch war. Wir haben also insgesamt drei Sachverhalte, die dafür sprechen, dass die Person nicht mehr ansteckend war.
Wie ich im letzten Thread über die vollkommen irrsinnige Aussage von Karl Lauterbach beschrieben habe, wissen die Labore nur wenig über den klinischen Befund.

Trotzdem hat das Labor alles so aufbereitet, damit das Gesundheitsamt eine menschliche Entscheidung hätte fällen können. Nicht passiert.
Der dritte Befund ist wiederum hochinteressant. Es sind zwei Tests derselben Person. Diese stammten vom 21.4.2020 und vom 1.5.2020, sind also etwas älter.
Das Datum ist hier relevant, weil neben dem PCR-Befund auch Antikörpertests im Rahmen einer Studie durchgeführt wurden, wie mir die Person mitteilte. Die Person arbeitete in einem Altenheim.
Statt eines genauen Ct-Wertes erhalten wir lediglich den Hinweis »schwach positiv«. Wir wissen nicht, welche Genstellen getestet wurden, und wie der Ct-Wert wirklich war.
Wir erfahren, dass bereits Antikörper gebildet wurden. Dies deutet darauf hin, dass das Immunsystem bereits geprimed war, mithin eine Teilimmunität erworben hat.
Hören wir allerdings Christian Drosten im Tagesschau-Interview mit @CarenMiosga vom 26.1.2021: »Wir haben ein ganz neues Virus, niemand ist hier immun.«



Aha. Offenbar also alles falsch bis hierhin. Ich mach’ trotzdem weiter.
Die Person musste sich dann am 1.5.2020 freitesten. SARS-CoV2 ist nicht mehr nachweisbar, dafür aber die Antikörperklasse IgG. Auf IgM wurde gar nicht mehr getestet, was ich verwunderlich finde.
Frappierend: Die Person hat erst im Juni 2021 die Ergebnisse nach mehrfacher Nachfrage erhalten. Die schriftlichen Anfragen liegen mir vor.
Weiter frappierend: Die Haupt-Kontaktperson wurde für vier (!) Wochen in Quarantäne geschickt, mit der Begründung, sie könnte sich am letzten Tag der Quarantäne der getesteten Person noch anstecken.
Die getestete Person hatte eine dauerhafte Erkrankung, aber keine Symptome, die sich eindeutig von SARS-CoV2 abgrenzen ließen.
Passiv-Aggressives Intermezzo: Durch ein Interview des bekannten Schwurblers @gunnarkaiser mit einem Schwurbler-Prof. und seiner Schwurbler Prof.-Frau könnten wir eine Menge darüber lernen, was es mit den benannten Antikörpern (IgM und IgG) auf sich hat.
Wir lernen vom Schwurbler-Prof, dass die Antikörperklasse IgM die schnelle Antikörper-Reaktion ist, die darauf hinweist, dass eine Infektion kurz vorher stattgefunden haben muss.
IgM war beim zweiten Test nicht mehr getestet worden. Die Antikörperklasse IgG bilde sich aber laut Schwurbler-Prof erst nach Wochen. Diese hat Schwurbler-Prof als noch wirksamer dargestellt, mit Verweis auf drei aktuelle Studien.
Wir könnten das erfahren, aber leider hat YouTube das Video gelöscht. Die Studien, die er zitiert, gibt es auch. Eine sei hier verlinkt.

Intermezzo-Ende.

sciencedirect.com/science/articl…
Ich höre jetzt schon diverse Kommentatoren, die gleich einen Faktencheck hinterherschieben, dass das alles bekannt ist. Ich setze ein paar Fragen entgegen:
Warum wurden die Personen dann trotzdem in Quarantäne geschickt? Und ihre Kontaktpersonen gleich mit? Warum werden nicht mehr serologischen Tests gemacht, um einen Hinweis auf erworbene Immunität zu erhalten? Und das asymptomatisch?
Diejenigen, die diese Maßnahmen zu verantworten haben, peitschen diese Maßnahmen mit aller Gewalt durch und lassen nur ganz marginale und unbedeutende Kritik zu. Warum?
Selbst die Forderung nach einem Zweittest, wie er in den beiden testpositiven Fällen hier durchaus hätte angeordnet werden können, wird etwa im NDR-Podcast mit Verweis auf die Laborkapazitäten vom Tisch gewischt. Warum?

ndr.de/nachrichten/in…
Was ist der Grund dafür, obwohl selbst die WHO sagt, dass ein Zweittest bei unklarem klinischen Befund gemacht werden sollte?

who.int/news/item/20-0…
Warum?
Nun, diese drei Laborbefunde deuten die unterschiedliche Vorgehensweise an: Es gibt keine Surveillance, es gibt keine Standardisierung, es gibt keine Kontrolle. Es wird schlecht kommuniziert, und es hat sich nichts Wesentliches geändert.
Die Laborbefunde waren vielleicht deutlich, aber waren sie auch repräsentativ? Auch das wissen wir leider nicht. Daher meine Mitmachbitte, die ich oben angekündigt habe. Zeigt her eure Laborbefunde!
corodok.de/pcr-desaster-b…

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21 Jun
Karl Lauterbach sagte dies hier 👇



Im ersten Teil dieses 🧵 geht’s darum, die Aussagen zu prüfen und zu kommentieren. Im zweiten Teil geht’s darum, die Publikation genauer anzusehen, auf die sich Lauterbach bezieht.
I. Im ersten Satz bezieht sich Lauterbach auf einen Artikel der BILD, der von @DeineMeinungung zitiert wird. Lauterbach bezieht sich vordergründig auf die Schlussfolgerung »PCR-Tests sind keine Grundlage für politische Maßnahmen«.
Dieser Satz wird auch im BILD-Artikel als Überschrift gewählt. Karl Lauterbach hält diese Aussage für »Quatsch« und kommentiert im folgenden die ct-Werte. BILD wiederum zitiert einen Letter to the Editor an das Journal of Infection.

bild.de/politik/inland…
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