Thread by @dm_ms

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Das britische Joint Committee on Vaccines & Immunisation rät von der Impfung von Jugendlichen ab, obwohl die Vorteile die Risiken überwiegen. UK auf dem gleichen Weg wie Deutschland - die Diskrepanz zur Wissenschaft ist hier wie dort verblüffend.
reuters.com/world/uk/briti…

Bei uns hat diese negative Einstellung neuen Impfstoffen gegenüber eine lange Tradition. Zur Polio-Impfung schrieb ich gerade schon einen Thread, weil die Argumente sich 1:1 auf die Corona-Situation heute übertragen lassen. Bei Masern war es nicht anders.

https://twitter.com/dm_ms/status/1415588097161633797

Georg Henneberg, der damalige Leiter des Robert Koch-Institutes, stellte 1956 in einem Vortrag über Polio noch die Frage, ob eine Impfung wirklich dringlich sei, da es in Deutschland kein „aggressives Virus“ gebe und Paralysen relativ selten seien.

Seiner Meinung nach reiche „der Immunitätszustand der Bevölkerung zur Vermeidung von Polio-Epidemien augenscheinlich aus“. Er ging sogar so weit zu behaupten, dass die Polio in den USA von selbst verschwinden würde. Das kam wohlgemerkt vom Leiter des damaligen RKIs!

Henneberg wechselte 1969 von der Leitung des RKIs ins Bundesgesundheitsamt als dessen Präsident. Im gleichen Jahr verfasste er einen Artikel zur Masernschutzimpfung in der Zeitschrift "Das öffentliche Gesundheitswesen". Während in der BRD nahezu jedes Kind an Masern erkrankte,…

waren in den USA schon 35 Millionen Dosen Lebendvakzine verimpft worden, was zu einem Rückgang der Maserninfektionen um 90% führte. In der DDR konnte jedes Kind ab Mai 1967 kostenlos gegen Masern geimpft werden, was 1970 zur Pflichtimpfung wurde.
nd-archiv.de/artikel/166814…

Trotz dieser tatsachen schrieb Henneberg noch 1969, dass wir uns zu fragen hätten, „ob eine Notwendigkeit zur Impfung besteht, ob der Aufwand zur Impfung gerechtfertigt ist, d.h. also auch, ob die Impfung effektvoll im Sinne des öffentlichen Gesundheitswesens sein wird“.

Ob die Letalität der Masern und die neuralen Komplikationen eine generelle Indikation zur Masernschutzimpfung geben, sei erst einmal zu beweisen. Die Indikation dränge sich nicht so auf wie bei Polio (sic!). Er stellte Dauerimmunität in Frage und sah die Masernenzephalitis als…

„die einzige echte stichhaltige Indikation für die Prophylaxe, d.h. für die Anwendung einer Schutzimpfung.“ Doch genau hier sah Henneberg keinen Beweis, dass Nebenwirkungen der Impfung seltener wären als das Auftreten der Masernenzephalitis.

Das geforderte Gutachten des Bundesgesundheitsamtes zur Masernsituation in Deutschland sah Masern als zumeist mild verlaufende Kinderkrankheit, mit in 1% auftretenden Komplikationen und bei 0,02% bis 0,2% auftretender Masernenzephalitis mit seit langem rückläufiger Mortalitäts…

und Letalitätsrate. „Massenimpfungen gegen Masern
sind in der BRD z.Z. nicht erforderlich.“ Es sei aktuell kein erstrebenswertes Ziel, die Masern auszurotten: „Der erforderliche Aufwand würde nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der kleinen Zahl schwerwiegender‥

Masernkomplikationen stehen, mit denen nach den bisherigen Erfahrungen in der BRD zu rechnen ist“. Das gleiche Fazit wie bei Henneberg: „ Da Massenimpfungen gegen Masern als nicht erforderlich angesehen werden, sind Individualimpfungen bei besonderen Gelegenheiten zu empfehlen.“

Noch 1963 äußerte man sich zurückhaltend; man solle Impferfolge nicht einfach aus anderen Ländern übernehmen. Die Komplikationen der Krankheit wurden unterschätzt, die fehlende Meldepflicht in der BRD führte dazu, dass keine validen Daten über die Krankheit erhoben wurden.

Die erfolgreichen Impfprogramme im Ausland, vor allem in den USA und der DDR, wurden konsequent ignoriert. Die Diskrepanz der Auffassungen zwischen den Wissenschaftler und dem öffentlichen Gesundheitsdienst zur Masernimpfung spiegelt sich auch in der Presse wider.

In einem Artikel beschreibt ein Arzt die vielen Fälle an Masernerkrankten im Notdienst und den wohl geringen Anteil derjenigen, die die Masernimpfung in Anspruch nähmen. Am Tag darauf erscheint sofort eine Stellungnahme des - Trommelwirbel - Frankfurter Gesundheitsamtes,…

welches die Masern als nicht sonderlich gefährlich beschreibt und die Aussagen des Mediziners beschwichtigt (Titel: Keine Angst vor Masern). Auch wenn in der Wissenschaft zum Teil leicht voneinander abweichende Meinungen zum Umfang bzw. zum verwendeten Impfstoff zu Beginn der…

Einführung der Impfung vertraten, so war es Konsens unter allen publizierenden Wissenschaftlern, dass die Einführung der Masernimpfung in der BRD eine sinnvolle Maßnahme sei. Darin unterschieden sie sich klar von der Empfehlung des Bundesgesundheitsamtes und des RKIs.

Erst 1974 sprach die STIKO eine Empfehlung zur Masernimpfung aus. Ich finde die Parallelen zur Coronaimpfung für Kinder und Jugendliche, das fanatische Verteidigen der STIKO-Position und das Feiern der Aussagen von Prof. Mertens bei Leerdenkern und Coronaleugnern frappierend.

Jede Kritik an der Position der STIKO wird auch hier bei Twitter in entsprechenden Blasen kategorisch abgelehnt und die Einschätzung und der Entscheidungsprozess der STIKO als einzig richtiger Weg in der Pandemie stilisiert. Dabei ist Kritik an solchen Entscheidungen nicht neu!