Heute Abend lief die Tagesschau mit kurzem Einspieler vom BMBF zum jüngsten IPCC-Bericht und diese #IchBinHanna muss sich in Folge einfach mal kurz Luft machen: 1/?
#IchBinHanna|s forschen u.a. zum Insektensterben, zum Klimawandel, zur Diskriminierung, zum Wohlstandsgefälle, zur Polarisierung der Medien, zu den Auswirkungen von Technologienutzung und Sozialen Medien, zur Wissenschaftskommunikation u.v.m. 2/
Alle diese Probleme sind heute wichtiger als je zuvor. Doch in den Augen vom BMBF/CDU sind dies keine "richtigen" Wissenschaften. Sie produzieren keine Innovation, keine Produkte für einen Markt, sind nicht Teil von Wertschöpfungsketten.
Stattdessen zeigen sie Probleme auf. 3/
Und das BMBF mag Probleme nicht so gerne. Das BMBF mag stattdessen Lösungen, die sich verkaufen lassen und damit Gewinne und Steuern für den Bundeshaushalt produzieren.

Probleme werden erst wieder in den Verkaufsbroschüren der innovativen Produkte "made in Germany" erwähnt. 4/
Bis dahin sind sie nicht existent. So lobt die CDU/BMBF z.B. die Ergebnisse der Forschung zu effizienteren Solarzellen, tut aber überrascht, wenn der Klimawandel "aus irgendeinem Grund plötzlich weltweites Thema" wird. 5/
Nahrungsketten brechen zusammen, globale Erwärmung führt zu mehr Wetterextremen, mehr Überschwemmungen, mehr Waldbränden, mehr Geflüchteten und zur Ausbreitung von Pandemien. Gleichzeitig wird die Bevölkerung auch medial überflutet von Falschmeldungen und Desinformationen. 6/
Ständiger "Lifestyle-Poker" auf sozialen Medien suggeriert, man müsse mehr konsumieren und auch mal mehr an sich selbst denken, um den Anschluss an vermeintlich überglückliche Dubai-Influencer nicht zu verlieren. 7/
Die Themen in den Nachrichten: Bailout großer Unternehmen, klaffende Arm-Reich-Schere, Überflutungen in Deutschland, Waldbrände in Griechenland, drohender Zusammenbruch des Golfstroms, Corona(leugner), "Querdenker", Angriffe auf Minderheiten, Vertrauensverluste in Medien, … 8/
…politische Radikalisierungen, Verletzung der Privatsphäre durch Staat und BigTech, usw. 9/
Die Tagesschau eingeleitet von der "Börse vor acht" mit steigenden Kursen und Rekordaussichten für Aktien und Immobilien für die Wohlhabenden und steigender Inflation und Preisen an der Supermarktkasse für den Rest in Kurzarbeit. 10/
Welche Ursprünge diesen Phänomenen zu Grunde liegen, wie diese Probleme in der Gesellschaft rezipiert werden und welche Gegenmaßnahmen sinnvoll wären? 11/
Das ist Gegenstand verschiedenster Forschungsrichtungen, die aber häufig in ihrer Finanzierung vernachlässigt werden, weil ihre Lösungsvorschläge mangels eines verkaufbaren Produkts nicht von Konsumenten am Markt, sondern vom Staat über Steuergelder finanziert werden müssten. 12/
Diese Unterfinanzierung schlägt sich auch in den Erfahrungen der Wissenschaftler:innen unter #IchBinHanna nieder. Sie sind neben eigenen Rücklagen und ALG zur Überbrückung von Vertragslücken bei der Finanzierung ihrer Verträge oft auf Drittmittelprojekte angewiesen. 13/
Diese Drittmittel wiederum werden häufig von Institutionen vergeben, die (z.T. auch in Kooperation mit Unternehmen und Industriepartnern) einen starken Fokus auf die Entwicklung von vermarktbaren Produkten legen. Grundlagenforschung bleibt so auf der Strecke. 14/
Doch als #IchBinHanna|s diese prekären Bedingungen anprangern und die durch das #WissZeitVG bedingte Abwanderung von Expertise kritisieren, reagiert das BMBF, indem es Wissenschaftler:innen eine überhöhte Selbstwahrnehmung und unrealistische Karriereerwartungen unterstellt. 15/
Gleichzeitig wird versucht, die Bewegung zu infantilisieren, indem man ihr unterstellt, sie würde "Entfristungen für Alle" fordern und suggeriert, gute Forschung sei nur die, die - als Glied einer Wertschöpfungskette - Erfindungen produzierte. 16/
Damit reproduziert das für Wissenschaftler:innen zuständige Ministerium selbst das wissenschaftsfeindliche Narrativ des weltfremden Forschers, der im Elfenbeinturm als Eigenbrötler zu kuriosen Themen Zeit verschwendet und von der Gesellschaft Unterhalt erwartet. 17/
Doch langsam rücken die "weltfremden Probleme" näher und die Bevölkerung fragt nach der Rolle in der Wissenschaft in dieser Zeit: Hätte die Wissenschaftskommunikation die Corona-Pandemie/den Klimawandel und ihre Gegenmaßnahmen nicht besser erklären können? 18/
Welche Antworten liefert die Ökonomie auf die Arm-Reich-Schere und die Soziologie auf das Auseinanderdriften der Gesellschaft? Hätte die Meteorologie die Flutkatastrophe besser modellieren können?

Zumindest auf die letzte Frage hat das BMBF/CDU eine Antwort: 19/
2019 forderten die @GrueneBundestag mehr Forschung zu regionalen Klimamodellen und Schutzvorkehrungen. Diese Forderung wurden von BMBF/CDU abgelehnt, man würde schließlich bereits genug tun. 20/
Wenige Tage nach der Flutkatastrophe 2021 wünscht sich das Ministerium für Forschung plötzlich mehr Forschung - um Klima besser regional zu modellieren. 21/
Wieder werden Problem so lange ignoriert, bis eine innovative Problemlösung mehr Steuern einbringt oder das Problem potentiell Wählerstimmen kostet. 22/
Deshalb ein Hinweis an alle, die nach den Äußerungen des BMBF/der CDU mit der Vorstellung sympathisieren, Forschung müsse sich anhand von "Erfindungen" am Markt messen und die Wissenschaftler:innen unter #IchBinHanna säßen alimentiert im Elfenbeinturm: 23/
#IchBinHanna|s stehen hinter euch in der gleichen Schlange im Supermarkt, haben Geldsorgen und Existenzängste, beziehen z.T. ALG oder finanzieren sich aus eigenen Rücklagen, wissen nicht wo und ob sie in 2 Jahren arbeiten. 24/
Nach 12 Jahren Forschung und Lehre auf befristeten Teilzeitverträgen mit im Durchschnitt 13 unbezahlten Überstunden pro Woche dürfen sie an keiner Uni in Deutschland weiter befristet beschäftigt werden. 25/
Für viele bedeutet dies ein Berufsverbot mit 40+ und eine Einstufung vom Arbeitsamt als zu alt und "überqualifiziert". 26/
Trotz prekärer Arbeitsbedingungen forschen sie unterbezahlt u.a. zum Insektensterben, zum Klimawandel, zur Diskriminierung, zum Wohlstandsgefälle, zur Polarisierung der Medien und politischer Radikalisierung, zu Auswirkungen von Technologienutzung und Sozialen Medien, usw. 27/
Sie produzieren keine Innovationen, keine Produkte für einen Markt, sind nicht Teil von Wertschöpfungsketten. Sie produzieren Ideen, Theorien, Hypothesen, Modelle und Vorhersagen. Sie schaffen Wissen. Sie sind Wissenschaftler:innen. 28/
Und als solche ändern sie selbstverständlich ihre Meinung, wenn neue Informationen dies erfordern. Was zum Selbstverständnis von Wissenschaftler:innen gehört, gilt unter Politiker:innen als Charakterschwäche. 29/
Deshalb ist es wichtig, dass Politiker:innen die Erkenntnisse aus und den Konsens innerhalb der Wissenschaft ernst nehmen, und das Vertrauen in selbige nicht auch noch gefährden. 30/
Eine Wissenschaft mit vernünftiger Grundfinanzierung, eine Politik die deren Empfehlungen auch bei aktualisierter Datenlage folgt, und eine Medienlandschaft, die der Wissenschaftskommunikation ausreichend Raum lässt, um komplexe Sachverhalte zu erklären, sind die besten… 31/
…Vorkehrungen, um den Herausforderungen, die uns nun täglich in den Nachrichten entgegen sprudeln, zu begegnen. 32/32

So. Musste raus.

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