#Servicetweet zur Frage „Wählen, Nichtwählen oder Kleinstparteien?“
Aktuell geistern durch Twitter Statements zur Bundestagswahl, die sich mit dem Thema beschäftigen, wie man den Parlamentsparteien seinen eigenen Unmut ausdrücken kann.
1/12
Statt nicht zu wählen, solle man eine der vielen „Sonstigen“ wählen. Dadurch wären die Prozentzahlen der Parteien, die Sitze erringen niedriger. Das mag richtig sein, aber hat das auch einen negativen Effekt für die künftigen Fraktionen? Die Antwort ist „Jein“.
2/12
Denn unserem Berechnungsverfahren für Bundestagsmandate liegen drei Grundsätze zugrunde:
1. Eingang finden nur die „zu berücksichtigenden Stimmen“. Ab dem Moment der Sitzberechnung wiegen also „Sonstige“ wie Nichtwähler.
3/12
2. die Anzahl der zu verteilenden Bundestagssitze sinkt nicht, auch wenn 20% „Sonstige“ wählen würden.
3. das Berechnungsverfahren begünstigt tendenziell die kleineren Parteien.

Die Parteien teilen sich also die gleiche Menge Sitze mit weniger Prozenten.
4/12
Hinzu kommt, dass gerade Wähler aus dem linken/progressiven Spektrum unter den „Sonstigen“-Wählern überrepräsentiert sind. Grund sind Angebot und Nachfrage: progressive Wähler sind schneller bereit, sich aus Enttäuschung abzukehren
5/12
und zudem gibt es unter den „Sonstigen“ überwiegend Parteien mit linken Spezialangeboten, Abspaltungen von Abspaltungen. Dass Zweidrittel aller „Sonstigen“-Wähler eher links sind, dürfte untertrieben sein.
Das aber alles nur als „Vorgeschichte“, denn jetzt wird es konkret.
6/12
Grundlage meiner Rechnung ist die aktuelle Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen mit 7% Sonstigen. Aktuelle Sitzverteilung wäre wie folgt:

Union 218
SPD 157
Grüne 157
FDP 91
AfD 91
Linke 58

7/12
Nimmt man an, dass weitere 3 Prozentpunkte die „Sonstigen“ auf 10% pushen, sieht es so aus:

Union 218 (+/-)
SPD 155 (-2)
Grüne 155 (-2)
FDP 94 (+3)
AfD 94 (+3)
Linke 60 (+2)

8/12
Warum die Union stabil bleibt? Naja, die 2 Punkte, die die CDU verliert, gewinnt die CSU hinzu.🤷🏼‍♂️

Was sehen wir also? Der Effekt vieler linker Unzufriedener, die „Sonstige“ wählen, ist, dass vor allem AfD und FDP über die Mandatsberechnung linke Stimmen geschenkt bekommen.
9/12
Armin Laschet regiert übrigens aufgrund dieses Effekts mit CDU/FDP mit 45% der Stimmen, aber der absoluten Mehrheit im Landtag.

Was also tun? Wenn die Verhinderung von Laschet die oberste Priorität ist, führt kein Weg an der Wahl von Grünen, SPD oder Linke vorbei.
10/12
Ebenso wenn der Klimawandel höchste Prio hat. Es mag schön für‘s Gewissen sein, eine kleine, linke, radikalere (im besten Sinne!) Partei von 0,3 auf 1,3% anzuheben, bringt in der Realität aber nur 4 Jahre Laschets Kohlelobbyismus und Windkraftverhinderung.
11/12
Wer selber rechnen will:

next.mandatsrechner.de

Der Rechner ist aufgrund von Verzug insbesondere bei den Erststimmen-Umfragen ungenau. Ich habe ihn deshalb auch nur zur Demonstration der Wirkung von „sonstigen“ Stimmen genutzt, nicht zur Prognose der Gesamtzahlen.
12/12

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6 Jul
German politics in a nutshell: heute Morgen im Deutschlandfunk ein Beitrag über die Abschiebung voll integrierter georgischer Familien in Sachsen. Und alle Beteiligten füllen ihre Rollen idealtypisch aus, um zu zeigen, was alles bei uns falsch läuft. Ein sehr wütender Thread.
1/6
Es ging um Familien, die seit Jahren in Sachsen leben, deren Kinder zum Teil hier geboren sind, die zum Teil Gymnasien besuchen und nie die georgische Schrift oder Sprache gelernt haben. Deren Vater Altenpfleger ist. Die in Georgien weder Wohnung noch Job haben.
2/6
Zunächst die CDU in eiskalter bürokratischer Exekution. Nicht bereit Gestaltungsspielräume zu nutzen, wie es andere Bundesländer machen. Nicht einmal bereit, darüber zu sprechen. Ja, das sind die sprichwörtlichen deutschen Tugenden, die Lafontaine damals erkannte.
3/6
Read 6 tweets
18 May
@Manjol @MKreutzfeldt @hendrikstreeck @Volksverpetzer @correctiv_org @nrecherche @schroeder_k @realTomBohn Und es wird immer bitterer und gruseliger, je tiefer man nachliest. Man muss nichtmal aufwendig recherchieren🤷🏼‍♂️
Bravia, eines der „K“ in KKR ist Großspender für die Republikaner und Trump. KKR hat in D neben fast der Hälfte von Springer auch die GfK gekauft. Das Unternehmen..
1/-
@Manjol @MKreutzfeldt @hendrikstreeck @Volksverpetzer @correctiv_org @nrecherche @schroeder_k @realTomBohn ...welches für die Berechnung und Veröffentlichung der Einschaltquoten verantwortlich ist. Dann besaß man eine zeitlang die Deutsche Glasfaser - die über Storymachine die Heinsberg-Studie mitfinanzierte. Storymachine, Wolfram Winter (3W) und Kellecom sind PR-Agenturen
2/-
@Manjol @MKreutzfeldt @hendrikstreeck @Volksverpetzer @correctiv_org @nrecherche @schroeder_k @realTomBohn ...die entweder ehemaligen Springer-Redakteuren gehören oder über Ehefrau mit Springer vernetzt sind. Die Produktionsfirma i&u kaufte KKR von Günther Jauch und setzt dort mit Fred Kogel die Basis für ein neues Medienunternehmen. i&u produzierte dann auch Streeck‘s ZDF-Sendung
3/-
Read 7 tweets
29 Apr
Bevor das RKI morgen die „Todesfälle nach Sterbedatum“ für KW14 bekanntgibt, einige beunruhigende Erkenntnisse aus den aktuellen Zahlen:

1. das RKI korrigierte die KW1-12 jeweils nach unten (Nachmeldungen wurden korrekt einem Sterbedatum in KW40-53/2020 zugeordnet).
1/5
Nun wurde für KW13 erstmals wieder im Vgl. zu den Tagesmeldungen nach oben korrigiert. Im Oktober waren die Korrekturen ein erstes Anzeichen dafür, dass bereits mehr gestorben wurde, als uns die RKI-Tagesmeldungen suggerierten.

Setzt sich das mit der morgigen Korrektur fort
2/5
...könnte das bedeuten dass auch jetzt mehr gestorben wird, als die RKI-Tagesmeldung ausweist.

2. bis letzte Woche hat das RKI die Sterbefälle der KW40-53 in 2020 um ganze 9.120 Tote nach oben korrigiert.
In der 2.Welle starben also fast 10.000 Menschen mehr, als uns während
3/5
Read 5 tweets
27 Mar
Ich überlege gerade, ob die Menschheit überlebt hätte, wenn wir schon früher so agiert hätten wie heute.

„Die Hunnen haben unsere Stadt schon 2x angegriffen, jeweils halb niedergebrannt und über 100 Menschen ermordet. Sollten wir nicht eine Stadtmauer bauen?“ 1/7
„Nein, ein 3. Mal kommen die sicher nicht.“
„Aber sie kamen immer im Frühjahr bisher und jetzt hätten wir genug Zeit, eine Stadtmauer zu bauen.“
„Macht doch keine Panik, man sieht nirgendwo Hunnen in der Nähe.“
„Dann lasst uns wenigstens mehr Wachen an den Straßen postieren.“ 2/7
„Nein, Wachen schrecken nur die Händler ab, das ist schädlich für das Geschäft.“
„Und wenigstens einen Turm, um die Hunnen früher zu sehen?“
„Nein, der kostet viel zu viel Geld und es gibt keinen Beweis, dass Türme Hunnen verhindern.“3/7
Read 7 tweets
25 Mar
Vor der morgigen Veröffentlichung der „Todesfälle nach Sterbedatum“ eine Einschätzung zu den Zahlen der letzten Wochen (KW1-7): ich habe die jeweils 1. Korrektur des RKI mit den aktuellen Korrekturen übereinander gelegt und komme auf erschreckende 1.528 zusätzliche Tote. 1/3
Noch wird im Vergleich zu den Tagesmeldungen nach unten korrigiert, aber das Delta schmilzt von Woche zu Woche. Und es gibt vermehrt Rückdatierungen für die Einzelwochen. Rückblickend war das in KW41/2020 das erste starke Alarmsignal für die 2. Welle. 2/3
Dagegen ist das Jahr 2020 mit Nachmeldungen fast abgeschlossen. Vergangene Woche gab es noch etwa 70 Tote zusätzlich, die auf das letzte Jahr datiert wurden. Zeit, ein Fazit zu ziehen: damit lagen die RKI-Tagesmeldungen KW40-53 um 8.932 Tote niedriger, als in der Realität 3/3
Read 4 tweets
17 Mar
Todesfälle und auch die ITS-Belegung sind sog. „nachlaufende Indikatoren“. Wenn wir hier Ausschläge sehen, wirkt sich jede Maßnahme erst 14-21 Tage später aus. Wenn wir erst bei 500 Toten/Tag reagieren, bedeutet das bis zu 10.000 Tote in direkter Verantwortung 1/7
Da der Homo sapiens Ursache und Wirkung nicht in Zusammenhang bringen kann, wenn diese mehr als ein paar Stunden auseinanderliegen, wird es immer Menschen geben, die auch nach 10.000 Toten die Zusammenhänge nicht erkennen. 2/7
Die Neuinfektionen sind ein weit vorlaufender Indikator. Charakteristik solcher Indikatoren ist, dass sie sehr, sehr ungenau sind. Vorteil ist: je mehr Datenmaterial zur Verfügung steht, desto zuverlässiger erkennt man eine Tendenz. 3/7
Read 7 tweets

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