🇺🇸 Das Kalkül der Biden-Administration war beim bereits von der Vorgängerregierung beschlossenen Abzug, einen Zeitpunkt zu finden, der möglichst wenig Schaden an der Wahlurne anzurichten (nicht, dass ich das gut fände). Der politische Schaden momentan ist groß, Joe Bidens
Zustimmungsrate ist das erste Mal seit Amtsantritt „under water“, aber das Thema wird innenpolitisch in den USA schon wieder von anderen Dingen überlagert: die Auswirkungen einer laschen Covidstrategie in republikanisch regierten Bundesstaaten treiben Zahlen wieder in die Höhe,
Kinderspitäler sind voll und es drohen neue Lockdowns. In Florida liegt die Anzahl der schwer erkrankten höher als je zuvor während der gesamten Pandemie und das geht voll zu Lasten des dort regierenden Gouverneurs DeSantis, der als Trumps wahrscheinlichster politischer Erbe gilt
- das gefährdet nicht nur DeSantis Wiederwahl 2022, sondern damit seine Ambitionen aufs Weiße Haus ebenso wie Parteifreund Rubios Senatssitz, der ebenfalls 2022 zur Wahl steht. Im September wird der Kampf um Bidens Infrastrukturpakete den Kongress erreichen, wo ein kleines
Paket bereits eine überparteiliche Mehrheit hätte, wenn alle DemokratInnen mitstimmen - da fordern jetzt aber die Progressiven auch die Umsetzung des erweiterten Pakets mit sozialen Investitionen u.a in Kindergärten, Unis, Pflege und Medikamentenpreise. Der September wird also
voller innenpolitischer Debatten um Gesundheits-, Sozial- und Bildungspolitik sein und das ist den meisten WählerInnen und Medien dann näher als das ferne Afghanistan. Am 14. September werden außerdem in Kalifornien alle Stimmen zur möglichen Abwahl des demokratischen Gouverneurs
ausgezählt, auch das wird die Schlagzeilen dominieren. Und dann ist da noch Hurrikan Ida, der ganze Landstriche im Süden zerstört hat und den Fokus auf Katastrophenschutz und Klima bringt. Summa summarum: Joe Bidens Image hat in einem seiner zentralen Kompetenzfelder massiv
unter der Form des Abzugs gelitten, aber das wäre nach Einschätzung der Adminstration auch zu jedem anderen Zeitpunkt passiert. Der Fokus geht jetzt auf mehrere andere Themen - und Donald Trump und mehrere andere RepublikanerInnen tauchen schon wieder in Vorwahlstaaten für 2024
auf und testen ihre Wirkung und Chancen. So desaströs die Form des Abzugs für Afghanistan und die Zukunft der Menschen dort ist, so wenig nachhaltigen Einfluss wird das auf die US-amerikanischen Innenpolitik nachhaltig haben. Dort werden die kommenden Wahlgänge, Kalifornien im
September und die Gouverneurswahl in Virginia im November, zeigen, ob die DemokratInnen auch ohne Trump am Wahlzettel so stark mobilisieren können wie bei Bidens Wahl. Das ist dann ein Vorgeschmack darauf, ob Biden ab November 2022 nach der Kongresswahl gegen eine
Mehrheit im Parlament regieren muss - wieder mit sehr realen Auswirkungen auf das tägliche Leben der US-AmerikanerInnen. Next stop: Kalifornien. Sollte Gouverneur Newsom dort in einem Staat, den Biden 65:35 gewonnen hat abgewählt werden, dann sind die innenpolitischen Karten
komplett neu gemischt. 🇺🇸

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