Als der #HambacherForst geräumt wurde, war ich 16. Das erste Mal hatte mich meine Freundin Jana im Sommer 2018 mit dorthin genommen. Raus aus Köln, eine halbe Stunde mit der Bahn bis nach Buir. Danach 20 Minuten durch die siedende Hitze, vorbei an der Mahnwache, an der Kiesgrube,
dann rein in den Wald. Man muss dazu sagen, dass ich ein Stadtkind bin und in echten Wäldern furchtbar selten unterwegs. Aber ich habe gespürt, wie besonders dieser Ort ist. Grün und lebendig und voller Widerstand. Später standen wir dann am Tagebau.
Auch hier war ich vorher nie gewesen. Es gibt da diesen aufgeschütteten Hügel, der die Grenze des Betriebsgeländes von RWE markiert und wenn man darauf steht, dann sieht man sich dieses riesige, zerstörerische Loch, hinter sich den Wald.
Dazwischen: Nur man selbst. Aber an diesem Sommertag blieb es ruhig im Wald.
Zeitsprung, Herbst 2018. Je näher die Rodung rückte, umso öfter bin ich nach Buir gefahren. Als angefangen wurde zu räumen war ich dort und als der erste Baum fiel auch. Nach der Schule, an jedem Wochenende. Was ich dort erlebt habe,
lässt sich in so einem Twitter Thread nicht zusammenfassen. Aber eines ist geblieben: Die Erinnerung daran, wie jede mögliche Staatsgewalt genutzt wurde, um sich mit allen Mitteln gegen uns zu stellen. Die Polizeigewalt. Die Verzweifelung.
Die Tage, an denen ich nachts nicht schlafen konnte. Das Wissen, dass RWE und die Landesregierung alles recht ist, um an die Kohle unter dem Wald zu kommen, dass Profite für sie wichtiger sind, als Menschen und die Natur. Es wurden Räumungsgründe erfunden, Menschenleben riskiert.
Und was wir damals schon alle wussten, ist jetzt gerichtlich bestätigt: Diese Räumung war illegal. Aber im Kampf für die Kohle schien alles recht zu sein. In diesem Herbst habe ich eins gelernt: Wenn wir uns nicht gegen die Klimazerstörung stellen, dann tut es niemand.
Die erste Demo, die ich je selber organisiert habe, war um die Räumung und Rodung im Hambacher Forst zu stoppen. Und am Ende haben wir gewonnen. Weil viele Menschen alles gegeben haben, weil sie den Wald mit ihren Körpern geschützt haben und niemals nachgegeben haben.
Wenige Wochen später, ich war gerade 17 geworden, habe ich aufgehört freitags in die Schule zu gehen. Denn genauso wie es niemals ein wirtschaftliches und politisches Interesse gab die Rodung zu stoppen, gab (und gibt) es keines um die Klimakrise aufzuhalten.
Alles was uns bleibt, sind wir selbst. Es ist zugegebenermaßen ein komischer Tag. Zu wissen, dass all der unfassbare Schmerz aus diesem Herbst niemals hätte sein müssen. Niemals hätte sein dürfen. Sich daran zu erinnern, dass es nicht okay ist, wenn der Staat so agiert,
dass 16 Jahre alte Jugendliche die Verantwortung dafür tragen die Klimazerstörung zu verhindern.
Aber es geht genauso weiter: Noch in diesem Herbst will die NRW Landesregierung das Dorf Lützerath für die Kohle zerstören, obwohl klar ist,
dass dies einen gerechten Beitrag zur Einhaltung des 1,5 Grad Limits verunmöglicht. Keine Partei in diesem Bundestagswahlkampf hat einen Plan um die Klimakatastrophe ausreichend einzudämmen. Es ist ein Sommer der Extreme, überall auf der Welt, auch hier bei mir Zuhause in NRW.
Und die Verantwortung liegt wieder bei uns. Bei mir. Bei dir. Lasst uns den Laschets dieser Welt zeigen, dass wir ihnen ihre Politik niemals durchgehen lassen - mit allem was wir haben! ❤️ #LütziBleibt #AlleFürsKlima

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12 Jul
TW Sexismus

23:14. Ich stehe am Düsseldorfer Hbf am Bahnsteig und werde von der Seite angesprochen. Ein Mann um die dreißig. Wie viel Uhr es denn sei? Ich zeige auf die große Uhr direkt vor uns. Die Bahn kommt. Fast alle Plätze sind frei. Der Mann setzt sich direkt hinter mich.
Ich setze Kopfhörer auf und mache leise Musik an. So, dass ich gleichzeitig abweisend wirke aber dennoch alles um mich herum mitbekomme. Nur für den Fall. Er spricht mich von hinten an. Ich ignoriere ihn. Nochmal. Dann nochmal. Er fängt an gegen meinen Sitz zu schlagen.
Ich denke nur noch: Fass mich nicht an, bitte fass mich nicht an. „Entschuldigung?“ Nochmal. Diesmal so laut, dass ich erschrecke und antworte. „Ja?“ Ob er mit mir reden könne? „Warum denn?“ „Ich will dich kennenlernen.“ „Nein.“ „Du bist ein sehr hübsches Mädchen!“ „Nein!“
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