Ich habe ein paar Mal die Frage aufkommen hören, ob der Zeitpunkt der Veröffentlichung des CDU-Spots Absicht war.
Meine Vermutung ist: Ja, das Datum und den Abstand zur Wahl betreffend.
Nein, was die Verbindung zum Mord angeht.

Wer es ausführlicher will: 🧵
Mind: Ich habe nur ein wenig Erfahrung in Öffentlichkeitsarbeit und bin weit, weit davon entfernt, Profi auf diesem Gebiet zu sein.
Relativ früh in einer Kampagne dürfte sich das Team mit der Frage beschäftigen, wen man ansprechen will bzw. wen nicht. Bzw. bei einer alten Partei wie der CDU wird da sicherlich teils auf Wissen aus früheren Kampagnen zurückgegriffen. Man startet nicht jedes Mal von Null.
Wen man nicht ansprechen will: Menschen, die die CDU nur wählen würden, wenn die Hölle zufriert.
- Lohnt nicht. Ist nur rausgeschmissenes Geld.
Wen man mit relativ wenig Aufwand ansprechen will: Menschen, die auch dann nur CDU wählen würden, selbst wenn die Hölle zufriert. Also die Stammwählerschaft.

Denen muss man quasi nur die Botschaft senden, dass alles beim Alten bleibt.
Ein Video mit einem milde lächelnden Kandidaten, ein paar Bergwiesen, getragene Musik, das man für Arbeitsplätze steht, ein paar Lügen, dass man sich um die Zukunftsprobleme kümmern wird, die man vier Legislaturperioden liegen gelassen hat ...
Ich vermute, diese Videos etc. sind mehr eine Erinnerung daran, dass bald Wahl ist und man doch bitte den Umweg am Wahlsonntag nach der Kirche zum Wahllokal einplanen soll, als das da irgendwer von irgendwas überzeugt werden soll.
Wen man unbedingt ansprechen will: Wechselwähler vor allem Unzufriedene. Und zwar möchte man verhindern, dass sie zur AfD oder zur FDP abwandern und stellt deswegen jeweils die Themen heraus, die man glaubt, dass die Gruppen besonders abholen.
Das geht immer ganz gut, in dem man den gemeinsamen Gegner links verortet, verspricht sich jetzt dann endlich um die Sachen zu kümmern, die man vier Legislaturperioden liegen gelassen hat, wie Digitalisierung und die z.B. den FDP-nahen Teil der Wechselwähler abholen.
Man verspricht sich um ein paar Nicht-Probleme zu kümmern, z.B. "Clan-Kriminalität" um den AfD-nahen Teil der Wechselwähler abzuholen, sowie, dieses Jahr ganz heiß: Gendern.
Das spricht die meisten alten Männer an, die in beiden Parteien in der Mehrheit sind.
Die Wahlkampfperiode lief für die CDU, sagen wir, nicht gut. Fast alle Parteien versuchen in der Not am rechten Rand zu fischen und die CDU hat es dieses Jahr besonders nötig, noch jede Stimme aus einem Wähler herauszuquetschen, der zum Wechsel bewegt werden kann.
Von daher denke ich, das Video war geplant und die Veröffentlichung war bereits im Vorfeld auf eine Woche vor der Wahl festgelegt. Man wollte quasi in einem Last-Minute-Versuch die Hand nach Rechts und nach Schwurbelhausen ausstrecken.
Das wollte man nicht zu früh beginnen, damit nicht irgendwelche blöden Entwicklungen in Sachen Corona die so umworbene Personengruppe wieder daran erinnert, warum sie der CDU auch ohne Merkel nicht trauen.
Man wollte auch nicht zu lange warten, so dass das Video Zeit hat, durch die Netzwerke zu sickern.

Ich gehe davon aus, dass die eigentliche Strategie so blöde gar nicht war.
Die gesamte Querdenkerszene zeigt recht deutliche Anzeichen, außerordentlich auf Schmeichelei anzusprechen.

Sie wollen wichtig sein. Sie sehen sich als die Mehrheit, die sie nicht sind. Sie überschätzen ihre eigene Kompetenz.
Sie glauben besser Bescheid zu wissen, als Experten.
Dieses Endorsement durch Laschet, diese öffentliche Anerkennung, ich gehe davon aus, das hätte wirklich genau den richtigen Ton getroffen. Trifft vielleicht immer noch den richtigen Ton.
Aber im Moment ist man vermutlich in den Netzwerken zu beschäftigt damit, sich a) über den Mord zu freuen und b) sich in die Opferrolle zu begeben und darüber zu jammern, dass man für den Mord mitverantwortlich gemacht wird, als ein Schmeichelvideo weiterzureichen.
Das wäre, vermutlich das Ziel von Laschets Team gewesen. Ein Wahlwerbungsvideo, das auch auf Telegram viral geht, weil man denkt, man ist endlich wichtig und wird endlich wahrgenommen.
Klar, hätte das auch Zunder gegeben, aber sowieso nur von Personen der ersten Kategorie. Die für diese Kampagne einfach nicht relevant sind. Relevant sind die paar potenziellen zusätzlichen Stimmen von Querdenkers.
Ich denke, bis zu diesem Punkt kann man Laschets Team durchaus zugestehen, eine gute, kalkulierte Kampagne zu fahren, für einen Kandidaten, der es ihnen nicht leicht gemacht hat.

Nur: Sie haben keine krisensichere oder krisenbewusste Kampagne gefahren.
Und damit haben wir eine Parallele zu allem, was wir von Laschet seit Beginn der Pandemie sehen. Er kann nicht wirklich mit einer Krise umgehen, wie es die Krise erfordert. Er versucht, die Spielregeln der Krise zu ändern, um damit klar zu kommen.
Und er - bzw. sein ganzes Umfeld - versuchen Krisen so lange wie möglich zu ignorieren oder wegzudefinieren. Bis sie handeln müssen oder die Krise Fakten geschaffen hat.

Mal abwarten, ob es wirklich so schlimm kommt.
In einer krisenfesten oder zumindest krisenbewussten Kampagne wäre das Video, dessen Veröffentlichung sicherlich im Publikationsplan lange fixiert war, sofort nach dem Mord sang und klanglos zurückgezogen worden.
In diesem Fall hat man es vergessen oder für schlicht nicht wichtig genug erachtet.

Entweder, weil man weiterhin glaubt, dass sich nur die Wähler daran stören werden, die die CDU ohnehin nie wählen würden.
Oder, weil man tief in der eigenen Bubbel steckt,dass ernsthaft nicht aufgefallen ist, welche Botschaft das nun, durch die zeitliche Nähe der Veröffentlichung zum Mord sendet.
Und das es vielleicht nicht mal bei den Stammwählern gut ankommt, wenn man nun die Hand zu potenziellen Mördern ausstreckt.

Aus welchem Winkel und unter welchem Aspekt man es auch betrachtet: Es wird deutlich, dass eine Bundesregierung unter Armin Laschet ein Desaster wäre.

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20 Sep
Manchmal habe ich schon den Eindruck, ich bin etwas zu fies* zu Schwurblern. Und dann denke ich an den Schaden, den sie anrichten und denke so ... neeee.
*Indem ich einer Dame, die meinte Gürtelrose (schlimm) sei nicht mit 'einer Grippe' (sie meint natürlich Covid-19 aka 'nicht schlimm') zu vergleichen, ein paar Stellen zitierte, in der die Symptome der spanischen Grippe beschrieben werden.
Ha! Mit dem weiteren Fortgang habe ich fast recht behalten.
Ich hatte vermutet, dass sie mich jetzt blockt.

Das hat sie, spannenderweise nicht. Statt dessen hat sie ihren Kommentar gelöscht (und damit sind natürlich leider auch meine Kommentare weg).
Read 4 tweets
10 Sep
Schwurbler: "Es wird gar nicht richtig über die Impfungen aufgeklärt. Wenn man das mehr erklären würde, würden sich ja auch mehr Leute impfen lassen*."
Me: "Okay, Angebot. Ich beantworte Dir alle fragen die Du willst."
Schwurbler: "Wir kommen wohl nicht auf einen Nenner."
*) In dem Punkt gebe ich ihm sogar recht. Aber aus dem Diskussionsverlauf bis dahin, war abzusehen, dass es ihm nicht wirklich um gute oder schlechte Kommunikation ging.
Tehe! Immerhin hat er den ganzen Thread gelöscht, in dem er vollmundig verkündete, wie er gedenkt die Quarantänebestimmungen zu unterlaufen, um Falle des Falles.

Hätte ich nicht fallen lassen sollen, dass die Staatsanwaltschaft dann ja dort direkt ihre Beweise findet? 🤓
Read 4 tweets
10 Sep
Nochmal kurz was zu Intelligenz und Impfgegnertum bzw. Verschwörungsanhängerschaft:

Ein Diskutant brachte gestern seinen IQ von 130+ als Argument vor, dass er es eben besser wissen würde, als die dummen Impfgläubigen.
Er argumentierte außerdem für die Anwendung von Ivermectin und war auch in der Lage ein paar Wirkmechanismen zu nennen.

Nur, was die meisten intelligenten Leute haben ist: ein gutes Gedächtnis.
(Ganz ehrlich, ich bin mir nicht sicher, wie viel meines IQ in Wirklichkeit die Fähigkeit ist, mir auch obskure Wissensschnipsel in die Hirnwindungen einzubrennen um sie Jahrzehnte später bei einer passenden Gelegenheit aus dem Hut zu zaubern.)
Read 21 tweets
9 Sep
Mensa. Ein kurzer Thread, weil ich grade an meine "nicht Mensa-Geschichte" denken musste, nach etwas lästern* über eine Person, die mit ihrem IQ von 130+ rumwedelt und damit ihre geistige Überlegenheit zu begründen suchte.

*ja, ich weiss, nicht okay. Auch ich bin schwach.
Seit der 4. Klasse wusste ich, dass ich 'schlauer' bin als der Durchschnitt. Eine Art IQ-Test gehörte Mitte der 4. Klasse dazu, um die Empfehlungen für die weiterführende Schule zu bekommen. Mir wurde anschließend gesagt, ich hätte weit vor dem Rest der Klasse abgeschnitten.
Ich wusste nicht wie weit und habe auch nie eine Zahl erfahren. Nur dies 'weit vor dem Rest der Klasse' abgeschnitten und diese fassungslose Erstaunen, das ich aus den Worten meines Klassenlehrers entnahm. Damit hatte er nicht gerechnet.
Read 43 tweets
9 Sep
Ein Argument der Covid-Leugner, das mich bisher recht sprachlos gemacht hat, ist ja, dass sie dumme Entscheidungen der Politik, gegen sinnvolle Maßnahmen, nicht ins Grübeln bringen, ob da wirklich so ein grandioser Plan dahinter stecken kann.
Statt dessen zimmern sie sich die Argumentation zurecht: "Wenn es wirklich so schlimm wäre, wie sie behaupten, dann würden sie ja das Notwendige tun."
Das kommt auch als Argument, wenn man versucht ihnen klar zu machen, dass Querdenker verantwortlich für den Tod von Menschen sind, weil sie Politikern die Ausrede geben, die Maßnahmen, die die Lobbyfreunde nicht wollen, dann auch sein zu lassen.
Read 7 tweets
8 Sep
Der neuste Hit unter den Facebook-Lügen: Mutter/Vater/Tante/Onkel von $FREUNDIN/$FREUND wurde nach einer normalen OP auf eine Covid-19-Station verlegt und deswegen dann in in die Statistik eingetragen.
Spannend daran: Skandalisiert wird wirklich das "in die Statisik eingetragen". Nicht etwa, dass die Verlegung in eine hoch-infektiöse Umgebung, eine frisch operierte Person in Lebensgefahr gebracht hätte.
Eine der Damen, die auch mit sehr geringer Besorgnis um den eigenen Mann(!) behauptet, er sei mit Schwarzschimmelsporen in der Lunge auf die Covid-19-Station gekommen ("Dreimal negativ getestet!!!"), hat dann einen interessanten Beruf:
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