Ich hab von der ÖGK den Zuschuss für 40 Stunden Psychotherapie bekommen. Das heißt, ich spare mir 1.120 Euro. Insgesamt kostet die Therapie aber 4.000 Euro für 40 Stunden. Das heißt, ich mit meinem Berufseinsteiger:innengehalt muss den Rest selbst zahlen. Das ist so kaputt.(1/17)
Wie kann das sein, dass ich es mir leisten können muss, gesund sein zu dürfen? Ich bin seit vier Jahren immer wieder depressiv, nehme seit 3 Jahren Antidepressiva und mache die Psychotherapie, damit ich gesund bleiben und arbeiten kann. (2/17)
Und die ÖGK streicht den Antrag von 60 Stunden runter auf 40 Stunden? That’s fucked up, right? Well, that’s not it yet. Die Krankenkassa zahlt nicht einmal 1/3 des Honorars meiner Therapeutin. Sie schießt nur 28€ von den 100€ pro Stunde zu. (3/17)
De facto heißt das: Von den 40 Stunden, die ich wahrscheinlich innerhalb eines Jahres aufgebraucht haben werde, übernimmt die ÖGK 1120€. Von 4000€. Das heißt, ich bleibe auf 2880€ sitzen. (4/17)
Und das sind nur die Kosten für meine #Psychotherapie. Eine Stunde bei meiner #Psychiaterin kostet 150€. Ich warte einen Monate auf einen Termin, obwohl sie #Wahlärztin ist. Ich bekomme von der Kasse rund 80% rückerstattet. (5/17)
Es wäre gut, einmal im Monat zur Kontrolle zu gehen. Das heißt: Auf rund 30€ bleib ich hier pro Monat zusätzlich sitzen. Dazu kommen die Kosten für die Antidepressiva, bei denen ich rund 30€ selbst tragen muss. (6/17)
Ich verdiene bei meiner 40-Stunden-Anstellung 1.577€ netto. Dadurch, dass ich Berufseinsteiger:in bin, finde ich das ganz fair. Rechne ich aber die rund 315€ weg, die ich im Monat für meine psychische Gesundheit ausgebe, wird‘s echt knapp. (7/17)
315€. Das ist mehr Geld pro Monat als ich für meine Miete bezahle. Like wtf? Jemand, der einen Herzfehler hat, muss auch nicht die Operation selbst bezahlen. Warum muss ich es mir leisten können, überleben zu dürfen? (8/17)
Ich hab das große Glück, aus einer wohlhabenen Familie zu kommen. Meine Eltern haben bestimmt schon mehr als 10.000€ für meine psychische Gesundheit ausgegeben. Und ich bin gerade einmal 22. Ohne ihre Unterstützung wäre ich wahrscheinlich vor vier Jahren gestorben. (9/17)
Wenn mein Leben so weitergeht, sich politisch nichts ändert und ich 80 Jahre alt werde, werde ich hochgerechnet rund 230.000€ für meine psychische Gesundheit bezahlen müssen. Um das Geld könnte ich mir in der Steiermark ein fucking Haus kaufen. (10/17)
Ich bin so wütend, wenn ich darüber nachdenke, dass ich nur am Leben bin, weil meine Eltern dafür bezahlen konnten. Wie viele junge und auch ältere Menschen mussten schon sterben, weil sie nicht genug Geld hatten? (11/17)
In Österreich ist Suizid in meinem Alter die häufigste Todesursache. Jährlich sterben mehr junge Menschen durch Suizid als durch Autounfälle. Erst vor wenigen Wochen habe ich einen so großartigen Menschen durch Selbstmord verloren. Er war nicht einmal 30. (12/17)
Wann hört das auf? Wann erkennt die Gesellschaft endlich, dass eine psychische Erkankung genauso fatal ist wie eine physische? Ich will endlich akzeptiert werden, wie ich bin. Ich will endlich so leben dürfen, wie ich will. Ich will überleben dürfen. (13/17)
Genau deswegen werde ich im kommenden Jahr ein Buch zum Thema psychische Gesundheit schreiben. Sehr gerne arbeite ich mit Medien zusammen, um die Ergebnisse meiner Recherche aufzubereiten und zu veröffentlichen. @florianklenk@NanaSiebert@ArminWolf@profilonline@apfl (14/17)
Ich freue mich auf alle Betroffenen, die mit mir ihre Geschichte teilen wollen; auf alle Expert:innen, die mir ihre Erfahrungen erzählen möchten und auf alle Angehörigen, die ihre Liebsten auf diesem Weg unterstützen wollen. (15/17)
To put it in a nutshell: Die @WHO definiert psychische Erkrankungen als eines der größten Gesundheitsrisiken der kommenden Jahrzehnte. Ich kann also nicht verstehen, warum unser Gesundheitssystem nicht auf diese Entwicklung reagiert. (16/17)
Wir können diese systematische Diskriminierung nur gemeinsam anpacken. Also reden wir darüber, damit die Politik endlich ihre Augen öffnet und das Gesundheitssystem an die Realität anpasst. Damit eine Julia, die arm ist, künftig nicht mehr sterben muss. (17/17)
Weil die Rückmeldung so groß ist: Warum diese Gruppe? Hier der Link zu einer Facebook-Gruppe, sie ich erstellt hab. Wenn es die Politik nicht schafft, müssen wir uns eben basisdemokratisch gegenseitig per Räuberleiter aus diesem Loch helfen. facebook.com/groups/3943576…
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Warum Psychotherapie so viel kostet? Nicht weil Therapeut:innen ein zu hohes Honorar haben. Nein, die Krankenkasse hat ein viel zu geringes Kontingent an Therapieplätzen. UND die Ausbildung müssen die Therapeut:innen selbst tragen. Das sind Kosten um die 50.000 Euro. Mindestens.
Damit müssen sie eigentlich fast 100€ verlangen, damit sie den Kredit abbezahlen können, den sie für die Ausbildung aufgenommen haben. Das Absurde: Man muss sich die Psychotherapieausbildung leisten können. Die meisten Normalsterblichen tun das ohne Kredit nicht.
Und wer bekommt einen Kredit? Entweder, wer Sicherheiten hat (spricht, sowieso wohlhabend ist) oder wer hohe Zinsen in Kauf nimmt. Damit werden viele Bevölkerungsgruppen von der Therapieausbildung systematisch ausgeschlossen.
Genau um diese Zeit vor einem Jahr starrten mein Freund und ich ungläubig auf unsere Laptops. Schüsse in Wien. Tote. Unsere Handys vibrierten dauernd. Alle in Sicherheit. Fuck. Doch nicht. Meine beste Freundin hockte am Schwedenplatz im Keller einer Bar. oe1.orf.at/player/2021110…
Dutzende Menschen kauerten in diesem Altbaukeller am Boden. Weinten leise, riefen ihre Liebsten an; manche verabschiedeten sich. Meine Freundin schickte in unsere Freundesgruppe eine Sprachnachricht. Es gehe ihr gut. Sie war mit Kolleg:innen unterwegs. Alle stünden unter Schock.
Aber sie war unverletzt. Der Kellner hatte schnell reagiert und die Gäste in den Keller gescheucht. Dort ging er nun umher und verteilte Wasser. Stundenlang harrten sie eingepfercht mit Fremden aus. Niemand wusste, was passierte.
Es ist so traurig, dass die Boulevard-Presse häufig durch Verkürzungen verfälscht und Medien-Ethik und Personenschutz mit den Füßen tritt. Die Inseratenaffäre in Ö bestätigt das. Dabei ist Boulevard so wichtig, weil er meinungsbildend für den Großteil der Bevölkerung ist. (1/7)
Medien müssen inklusiver werden und die Lebensrealität der Leser:innen abdecken, wenn wir weitere Polarisierung vermeiden wollen. Qualitätsmedien werden derzeit aber oft nur von Eliten gelesen. Die Boulevardpresse nimmt also eine zentrale Rolle bei der Volksbildung ein. (2/7)
Da müssen wir Journos uns auch selbst bei der Nase nehmen: Es braucht mehr Quellentransparenz (auch in der Qualitätspresse), es braucht einen verpflichtenden Ehrenkodex (wie jener des Presseclubs @PCConcordia) und es braucht mehr Schulungen für sensible Berichterstattung. (3/7)
Vor einem Jahr habe ich gemeinsam mit @ronny_taferner, @sndrschbr, @chiara_theresa und @paul_e_maier den gemeinnützigen Verein amrand.at gegründet. Seither berichten wir über jene Menschen, deren Lebensrealität in der digitalen Nachrichtenflut zu kurz kommt. (1/6)
Stichwort: Slow Journalism, Constructive Journalism und Social Journalism. Wir wollen multimedialen Journalismus machen, der den Horizont erweitert und unsere Zuschauer:innen näher zusammenbringt. Wir wollen Journalismus ins 21. Jahrhundert bringen. (2/6)
@webstandardat und @ORF haben bereits über uns berichtet. Unser erfolgreichstes Youtube Video hat mittlerweile 36.000 Klicks. Wir sind zudem auf über zehn großartige, ehrenamtlich arbeitende (!) Multimedia-Redakteur:innen (die meisten von @JourFHWien) angewachsen.(3/6)