Warum läuft in der Pandemiebekämpfung so vieles schief? Die Emotionen kochen hoch, Menschen sind frustriert und das Vertrauen in politische Entscheidungen ist auf einem Tiefpunkt. Ich möchte 3 wesentliche Fehler aus psychologischer Perspektive beleuchten: 1/12
1. Politiker versuchen, möglichst viel Sicherheit auszustrahlen. Tatsächlich ist es aber in einer neuen Situation entscheidend, lernen zu dürfen und nicht können zu müssen. Wer so tut als wären Dinge gewiss, wird in einer unsicheren Situation zwangsläufig in Widersprüche laufen.
Dadurch wird die Bereitschaft der Bevölkerung vermindert, die Unsicherheit als normal zu erleben. Wir brauchen ehrliche, differenzierte Aussagen statt simplifizierende Versprechungen wie: »Wenn die Mehrheit geimpft ist, ist die Pandemie vorbei.» So wird Vertrauen verspielt.
Menschen brauchen ein Ziel und die Möglichkeit, aktiv daran mitzuarbeiten. Dann kann auch Unsicherheit toleriert werden. 4/12
2. Bürger:innen werden nicht auf Augenhöhe angesprochen. Ansprachen von Politikern sind fast immer «Appelle» und fordern ein bestimmtes Verhalten ein. Häufig noch moralisch aufgeladen. Dadurch schleicht sich eine «Eltern-Kind-Dynamik» ein, die zu unnötigem Widerstand führt. 5/12
Besser wäre, die Fakten verständlich und nicht künstlich vereinfacht zu erklären.Und deutlich zu machen, dass Entscheidungen immer nur auf Basis der aktuell verfügbaren Informationen getroffen werden können und man erst in der Zukunft weiss, ob diese Entscheidungen richtig waren.
Und jede Entscheidung immer neue Entscheidungen nach sich zieht. Wichtig ist, dass Menschen die grundlegenden Zusammenhänge verstehen und ihre eigenen Entscheidungen dann daran ausrichten können statt sinnlose Regeln zu befolgen (Bsp: Gefahr durch Aerosole vs. Abstand in Räumen).
3. Aus falscher Fürsorge und vielleicht aus Sorge, zu viel Besorgnis zu kreieren, wurden und werden Verharmlosungen zum Standard («Kinder sind nicht betroffen, gesunde Menschen erkranken nicht schwer, das Virus ist nur gefährlich für Vorerkrankte und Ältere»...). 8/12
Das führt zu einem sog. »Subtyping», d.h. wenn es plötzlich doch Menschen betrifft, die mit einem selbst vergleichbar sind, dann sucht man nach Erklärungen für diese «Ausnahmen». («Aber der hatte doch Vorerkrankungen...?; Kinder in den USA sind dicker...»). 9/12
Das ist ein Schutzmechanismus, mit dem man immer wieder Begründungen findet, warum es einen selbst dann eben doch nicht betrifft. Dadurch verhindert man aber auch eine notwendige Mobilisierung. 10/12
Liebe Politiker:innen: Bitte behandelt uns doch einfach wie Erwachsene und mutet uns zu, die Spannung auszuhalten die durch das Nichtwissen entsteht. Wichtig ist, dass wir gemeinsam ein Ziel definieren und dass jede/r weiss wie er/sie dazu beitragen kann. 11/12