Thread by @holnburger

Ein Thread über die derzeitig diskutierten Maßnahmen gegen Telegram und warum vieles davon Quatsch ist.
Ausgangspunkt: Telegram kooperiert nicht mit Behörden. Meldet sich nicht mal zurück.

Warum diskutiert man da überhaupt Klarnamenpflicht und Co? 1/17

Klarnamenpflicht: Die Pflicht müsste durch Telegram umgesetzt werden – sie müssten es in ihren Terms of Service aufnehmen und umsetzen. Beispielsweise durch Überprüfung von Ausweisdokumenten.

Aber: Telegram kooperiert nicht mit Behörden. Wird das also nicht umsetzen.

Klarnamenpflicht II: Ich möchte auch gar nicht Telegram meine privaten Daten in Form von Ausweisdokumenten übermitteln. Das macht Telegram gefährlich für mich und andere, die recherchieren.

Klarnamen schränken auch Personen ein, die z. B. Angriffen von Rechts ausgesetzt sind.

Klarnamenpflicht III: Es posten bereits einige Leute unter Klarnamen, insbesondere Führungspersönlichkeiten treten so auf. Viele posten unter Klarnamen weil sie bisher auch keine Konsequenzen erlebt haben.

Wir wissen: Klarnamen ändern hier nichts.

Log-In-Falle: Das ist ein Konzept der Datensparsamkeit. Plattformen sollen nicht konstant das Nutzerverhalten loggen - nur im Ernstfall sollen Behörden bei Plattformen eine Log-In-Falle aktiv schalten können und bekommen die IP übermittelt.

Geht also nur in Koop mit Plattform.

Log-In-Falle II: Das Konzept klappt also gar nicht - weil Telegram da nicht mitmachen wird. Das Konzept der Log-In-Falle wurde für "kooperative" Plattformen erdacht.

Wer das für Telegram fordert, hat das Konzept gar nicht verstanden.

Geoblocking: Hier bin ich gestern fast verzweifelt. Geoblocking funktioniert andersrum: Plattformen schränken in bestimmte IPs ihre Services ein. Beispiel: Netflix oder ZDF.

Telegram wird nicht ihren Service in DE einschränken. Warum auch?

Geoblocking II: Wenn man Telegram AUS DEUTSCHLAND HERAUS blockieren will, geht das mit unserer Infrastruktur nicht. Und sollte es auch nicht.

Denkbar wären hier nur: DNS-Sperren bei den Internetanbietern. Aber einen anderen DNS einrichten ist eine Sache von Minuten.

Geoblocking III: Die Anbieter könnten (als Überlegung) noch gezwungen werden ihr Routing zu verändern, quasi Adressen zu blockieren.

Das hat Russland versucht. Und ist gescheitert.
Wir sollten das gar nicht versuchen - weil das den Aufbau einer möglichen Zensurplattform bedeutet

In den letzten zwei Tagen wurden viele solcher Buzzwords genutzt - oft ohne dass sich mit den technischen Fragen auseinandergesetzt wurde.
Viel schlimmer aber noch: Ohne dass sich mit den politischen Fragen auseinandergesetzt wurde.

Es ist auch ein Problem, das sich nicht einfach technisch oder rechtlich lösen lässt: Wir haben Menschen, die sich auf einer Plattform in ihren Vorschwörungsideologien bestätigen wollen. Menschen die mit Fackeln vor Häuer ziehen.

Und das war auch leider nicht überraschend.

Seit Jahren warnen Expert:innen davor. Verschwörungsideologien sind eine Gefahr!

Damit wir uns aus vielen Perspektiven dem Thema widmen, haben wir sogar eine eigene Organisation @cemas_io gegründet - mit Unterstützung von @alfredlandecker

https://twitter.com/pia_lamberty/status/1470885858417033224

Wenn man jetzt "technische" Lösungen für das Problem sucht oder eine rechtliche Lösung jetzt diskutieren wird, verliert man Zeit. Zeit die jetzt wichtig ist. Es braucht Konsequenzen für Fackelzüge. Jetzt.

Telegram wird nicht kooperieren. Haben sie nicht, werden sie nicht. Es ist der Gründungsmythos Telegrams: Pavel Durov ist wegen staatlicher Einmischung aus Russland geflohen und hat Telegram quasi aus dieser Idee geboren.

Macht uns das Handlungsunfähig? Nein.
An vielen Punkten fehlt uns die Kooperation von Plattformen. Uns fehlt oft auch die Kooperation bei "offline"-Taten. Dann braucht es Ermittlungen. Wenn für Online-Ermittlungen immer noch Kompetenzen fehlen, dann ist das ein Armutszeugnis.

Die Konsequenzlosigkeit der vergangenen Monate hat uns viel gekostet. Jetzt einen rechtlichen oder technischen "Kitt" zu "finden" suggeriert hier nur handeln - und ist im schlimmsten Falle sogar gefährlich.

Ich vermisse bei den angesprochenen Buzzwords auch das kritische Nachhaken von Journalist:innen wenn "Politiker mit Geoblocking" drohen.
Es gibt Expertinnen, die sich damit auskennen: @netzpolitik_org und @chaosupdates