Gestern und heute fanden die 20. und 21. Sitzung des #Lübcke-Untersuchungsausschusses statt. Nach einem langen Sitzungstag gestern, wo zwei nordhessische Neonazis befragt wurden, war die heutige Sitzung nur kurz, da zwei Zeugen nicht erschienen. Details im Thread. 👇
Die erste Zeugin am Mittwoch, eine Mitarbeiterin des hessischen Geheimdienstes, wurde in geheimer Sitzung geladen. Die Abstimmung darum hatte für einen Eklat gesorgt, da die Regierungsparteien die Mehrheit für die Entscheidung mit den Stimmen der AfD herbeiführte. #hlt
Die 20. Sitzung hatte die etwaigen Beziehungen von Stephan Ernst und Markus H. zu verbotenen oder militanten Strukturen der extremen Rechten zum Thema. Mike Sawallich und Alexander S. wurden zu ihren Kontakten mit Stephan Ernst und Markus H. befragt.
Mike Sawallich gilt als eine der zentralen Figuren der nordhessischen Neonaziszene. Er ist seit den frühen 2000ern bis heute aktiv und gilt als Netzwerker verschiedener Szenespektren. Nach der Festnahme von Ernst solidarisierte er sich öffentlich mit ihm. #hlt
Sawallich wurde vom Ausschuss insgesamt 4 Stunden lang befragt. Er gab an, Ernst beim NPD-Stammtisch kennen gelernt zu haben. Er habe mit 17 oder 18 Jahren einen Aufkleber der Partei gesehen, per Brief Kontakt gesucht und dann den Stammtisch besucht.
Dort habe er neben Rentnern nur zwei junge ‚Kameraden‘ kennen gelernt, einer davon sei Ernst gewesen. Beide seien in den Folgejahren oft zusammen unterwegs gewesen, hätten Demonstrationen und Veranstaltungen zusammen besucht.
Dabei sei erst Ernst der mit den Kontakten gewesen, schnell aber habe Sawallich das Netzwerken übernommen. Man sei fast jedes Wochenende zusammen unterwegs gewesen, Sawallich habe dann den Posten des ‚Stützpunktleiters‘ der JN übernommen.
Man habe sich auch regelmäßig in der Stammkneipe ‚Stadt Stockholm‘ getroffen und Pläne für gemeinsame Besuche von Demonstrationen und Veranstaltungen gemacht. Vernetzung habe, so Sawallich, über die Stammkneipe funktioniert.
Die Solidarisierung mit Ernst würde er auch heute noch aufrecht erhalten. Viele würden „nur ihren Arsch retten wollen“ und sich vorschnell von Ernst distanzierten. Er gab an, dass das Bild, auf dem beide zu sehen sind, beim NPD Pressefest 2003 aufgenommen wurde.
Sawallich berichtete dem Ausschuss von einem Besuch Temmes. Den meisten Mitglieder des Ausschusses war die Erzählung neu und sie fragten interessiert nach, obwohl die Geschichte bereits 2019 im Nazimagazin Compact vom Kader der Identitären, Mario Müller veröffentlicht wurde.
Statt einer Einordnung der Quelle und kritischen Fragen zu dem Narrativ Naziszene, bezeichnete der FPD-Abgeordnete Müller diese Angaben als „neue, spannende Erkenntnisse zu Temme“. Sawallich bediente an dieser Stelle die Erzählung der vom Geheimdienst gesteuerten Naziszene.
Sawallich: Mit Ernst sei er gut bekannt gewesen. Er sei ca. 2010 nach Northeim gezogen, seither habe es wenig Kontakt gegeben. Ernst habe sich aus der Szene zurückgezogen. An den gemeinsamen Besuch der Sonnenwendfeier 2011, organisiert Thorsten Heise, hatte er keine Erinnerung.
Auch Ernst will er auf dem Foto, was durch einen V-Mann in die Akten des hessischen Geheimdienstes gelangt ist, nicht eindeutig identifizieren können. Zu Markus H. habe Sawallich kein gutes Verhältnis gehabt. Ihn habe er als „Redner“ eingeschätzt, der nie „was gemacht“ habe.
Markus H. soll Ernst sogar vor Sawallich gewarnt haben, als dieser von Northeim zurück nach Kassel zog. Insgesamt zeigte sich Sawallich sehr aussagefreudig gegenüber dem Ausschuss.
Während der Befragung der Linken griffen die Abgeordneten der anderen Parteien immer wieder ein, weil sie den Zusammenhang mit dem Beweisthema nicht sahen. So konnten relevante und bisher unaufgeklärte Fragen rund um die sog. Anti-Antifa-Arbeit nicht geklärt werden.
Alexander S. gab sich wesentlich wortkarger. Er wurde von seinem Anwalt begleitet, der mehrfach in die Befragung eingriff. S. gab an, sich von der Naziszene distanziert zu haben. Er besuchte mit Ernst und Markus H. 2017 und 2018 AfD-Kundgebungen bzw. traf beide dort.
S. gab an, mit H. eher über Persönliches gesprochen zu haben und Ernst nur über H. zu kennen. Die Threema-Chats habe er aus Angst nach den Festnahmen gelöscht. Der Informationsgehalt seiner Aussage vor dem UA ging nicht über die im Prozess hinaus.
Ungeklärt blieb die Frage, ob S. bereits vor der öffentlichen Bekanntgabe der Todesursache Lübckes mit H. in einem Chat den Begriff „Kopfschuss“ verwendet habe. Dies hatte die Linke vorgehalten. S. wurde nicht als Zeuge entlassen, man behielt sich vor, ihn erneut zu laden.
Die 21. Sitzung hatte die Bezüge zum #NSU und dem Mord an Halit Yozgat zum Thema und bestand nur aus einer Befragung, da sich der erste Zeuge krank gemeldet hatte und der zweite unentschuldigt fern blieb. Befragt wurde nur ein Polizeibeamter des BKA.
Der Zeuge wurde namentlich nicht benannt, er war Leiter der Ermittlungsgruppe Trio zum #NSU sowie Lupe, die ergänzend zur Soko Limecke zum Mord an Walter #Lübcke ermittelte. Lupe sollte Personenermittlungen zu möglichen Mittätern anstellen.
Diese Arbeit sei vor allem als Datenbankabgleich erfolgt, hier seien keine Bezüge zwischen dem #NSU-Kerntrio sowie der in München angeklagten Unterstützer zum Mord an Walter #Lübcke erkennbar gewesen. Der Beamte berichtete von den Ermittlungsmethoden.
Der Zeuge räumte aber immer wieder ein, keine gesonderten Kenntnisse über die Kassler Naziszene zu haben. Er sei überzeugt, dass es keine relevanten lokalen Unterstützer gegeben habe und die Ausspähnotizen vom #NSU-Kerntrio zusammen gestellt wurden.
Insgesamt bestätigte er also das Gerichtsurteil in München und die Thesen der Generalbundesanwaltschaft zum #NSU-Komplex und konnte keine Bezüge zum Mord an Walter #Lübcke herstellen.
Die Linke fragte, ob diskutiert worden sei, ob #Lübcke während seiner Bildungsarbeit im thüringischen Ordruff ins Visier von Neonazis gekommen sein könnte. Dieser Zusammenhang war dem Beamten nicht geläufig. Auch kannte er den Namen des nach ihm geladenen Zeugen nicht.
Der für den Nachmittag geladene Zeuge hatte 2006 2 Häuser neben dem Internetcafé von Halit Yozgat gelebt und war durch frühere Aktivitäten in der Naziszene u.a. mit Benjamin Gärtner bekannt. Dennoch wurde er nie polizeilich vernommen. Er blieb der Sitzung unentschuldigt fern.

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