#GrünerVerrat? Was tun angesichts der Aufgabe der Sektorenziele, der Nichtbesetzung des Verkehrsressorts, der fehlenden Erhöhung des CO₂-Preises? Wie oft, wenn Bewegungen auf Parteien setzen, entsteht eine Verratsdebatte, siehe z.B. die Artikel @bertpsch und @carla_reemtsma.
Ich glaube, dass die Enttäuschung berechtigt ist, wir aber dennoch nicht von Verrat sprechen sollten. Das Wort Verrat macht aus schlechtem Handeln böswilliges Handeln, erzeugt Parteien- UND Bewegungsverdrossenheit, das Gefühl, das Engagement (vor der Wahl) sei umsonst gewesen.
Das wäre falsch, ja fatal. Ich höre sowieso schon aus Klimagruppen, dass Menschen bezweifeln, ob es jetzt noch sinnvoll sei, die Proteste aufrechtzuerhalten. Anstelle die Hoffnung auf eine Partei zu setzen und dann deren Verrat zu beklagen, schlage ich ...
zeit.de/2021/51/anton-…
... eine Äquidistanz zu allen Parteien vor. Wir können sowieso nicht damit rechnen, dass irgendwann nur noch grüne oder linke Parteien in Demokratien Wahlen gewinnen. Also müssen wir dazu beitragen, alle Parteien zu verändern, alle Parteien ständig ...

taz.de/Carla-Reemtsma…
anzutreiben. Wann immer die Ergebnisse ungenügend sind (egal, was die internen Gründe sind) muss die Schlussfolgerung die gleiche sein: Wir brauchen mehr Protest, eine Ausweitung der Protestbasis, auch über die üblichen ideologischen Grenzen hinaus. Falsch am Verratdiskurs ist...
im übrigen auch die Konzentration auf diejenige Partei, der die Bewegung sich am nächsten fühlt. Dabei tragen SPD und FDP an den Beschlüssen bekanntlich noch größere Schuld, sind noch weiter von realistischer Klimapolitik entfernt, sollen ebenfalls "Schaden vom Volke abwenden".
Es ist ein strategischer Balanceakt: Wir müssen ständig das skandalös unzureichende Handeln aller Parteien und Regierungen skandalisieren, doch ohne die Mängel zu stark psychologisch zu vermenschlichen ("Verrat") und damit eine Bitterkeit zu nähren, die oft zu Resignation führt.
Es ist ein Unterschied der Deutung und - vor allem - der praktischen Konsequenz. Im einen Fall das Gefühl, wieder mal betrogen worden zu sein, umsonst protestiert zu haben, im anderen Fall das Gefühl, jetzt sei Protest wichtiger denn je, um Grüne, SPD, FDP (und CDU!) anzutreiben.

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20 Dec
Alle Debatten unserer Zeit – ob es um Corona und Impfen geht, um die Klimakrise und die Biodiversitätskrise, um Einwanderung, um politische Korrektheit, um Trans und Terfs – sind davon geprägt (ja kommen erst dadurch zustande), dass wir das für uns schwierige Wissen ignorieren.
Für jeden Menschen gibt es Wissen, das man “das schwierige Wissen” nennen kann. Es ist Wissen, das man nicht zur Kenntnis nehmen will, das nicht anziehend, sondern abstoßend ist, nicht bestätigend, sondern verunsichernd. Es bedroht meine Integration in bestehende Gemeinschaften.
Für jedes Individuum, jede Gruppe und jedes Milieu, für jede Bewegung, jede Organisation und jede Partei, für jede Institution, jedes Unternehmen, jede Branche und jede Nation gibt es das schwierige Wissen. Ein Wissen, das Angst auslöst, das existenzbedrohend zu sein scheint.
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20 May
Wir stehen "an der Seite" Israels.

Wir stehen "an der Seite" der Palästinenser.

Wir "unterstützen bedingungslos" ...

Oder die Kurzform: "für Israel", "für Palästina".

Woher der Bekenntnishunger?

Woher der Wunsch nach Partei-Ergreifen?
Solange die Mehrheit der Palästinenser Parteien wählt, die eine erklärte Vernichtungsabsicht haben, kann man nicht "an der Seite" der Palästinenser stehen.
Solange die Mehrheit der Israelis Parteien wählt, deren Idee es ist, dass man mit jahrtausendealten, mythischen Texten in der Hand in ein Land einwandern, das Land für sich beanspruchen und dort einen religiösen Staat errichten kann, kann man nicht "an der Seite" Israels stehen.
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18 May
Schule in Schweden

1.
In Schweden dürfen jugendliche Schüler in den Pausen ihre Handys behalten. Schüler mit Tendenz zu sozialem Rückzug oder sonstwie großem 'Bildschirm-Bedürfnis' sitzen folglich allein. Kein Umgang, keine Bewegung.
2.
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3.

Kein Pornofilter auf den Schul-Tablets (die die Schüler nachhausenehmen müssen). Frage: "Könnt Ihr nicht Filter installieren, damit Kinder nicht auf Schul-Geräten sehen, was wir geblockt haben?" Antwort: "Das Schul-Wifi hat einen Filter. Was zuhause passiert, ist Eure Sache."
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