Virophagen
Auch das gibt es: Viren, die andere Viren befallen. Analog zu den Bakteriophagen nennt man diese "unmöglichen" Kreaturen Virophagen. "Unmöglich" deshalb, weil Viren nur Erbgut mit etwas Verpackung sind - es gibt da schlicht nix zu infizieren. 1/9 #Virenadventskalender
Virophagen befallen deswegen auch nicht die Viruspartikel anderer Viren. Sie attackieren vielmehr das so genannte Viroplasma, eine spezielle Struktur, die ein Virus in der befallenen Zelle erzeugt, um neue Virusparrtikel zu erzeugen.
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Sie übernehmen also die Virenfabriken anderer Viren. Alle bisher bekannten Virophagen befallen Riesenviren aus der Gruppe der nucleocytoplasmic large DNA viruses (NCLDV) (Siehe Türchen 5 und 14). Diese Viren bringen einen Teil der zur Vermehrung nötigen Proteine selbst mit.
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Möglicherweise ermöglicht diese Besonderheit den seltsamen Lebensstil der Virophagen. Sie können evtl die Riesenviren deswegen infizieren, weil diese im Hinblick auf ihr großes Genom fast schon sowas wie Bakterien sind, besonders wenn sie ihr Viroplasma gebildet haben.
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Auf jeden Fall sind Virophagen, anders als zum Beispiel Satelliten-RNA (siehe Türchen 11), echte Parasiten. Wenn sie ein Riesenvirus befallen, hat dieses ein Problem. Sein Viroplasma wird, ganz wie eine mit einem Virus infizierte Zelle, vom Virophagen gekapert.
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Das Ergebnis: Die Vermehrungsstruktur des Riesenvirus produziert fast nur noch Virophagen, die noch entstehenden Partikel des Riesenvirus sind oft beschädigt und unbrauchbar. Das kann so weit gehen, dass der Virophage die befallene Amöbe von der Riesenvirus-Infektion "heilt".
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Es gibt eine interessante Parallele zu Bakteriophagen: Auch Virophagen können sowohl als "freie" Viren als auch eingebaut ins Erbgut vorkommen. Einige reisen auf der Hülle der Riesenviren mit, vermutlich weil sie daran binden. Der erste Virophage wurde so entdeckt.
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Andere Virophagen dagegen entdeckte man bei der Analyse von Genomen der Riesenviren. Möglicherweise schlummern sie dort, bis sie aus unbekannten Gründen erwachen. Virophagen können sogar zusammen mit dem Genom ihres Wirtsvirus ins Erbgut von Amöben eingebaut werden.
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Alle bisherigen Türchen in meinem #Adventskalender rund um Viren und ihre Besonderheiten findet ihr hier auf Twitter unter dem Hashtag #Virenadventskalender.
Rice Gall Dwarf Virus (RGDV)
Diese Pflanzenseuche verursacht alle paar Jahre Epidemien in Reisfeldern Südostasien. Verbreitet wird sie von Grashüpfern, deren Fressverhalten das Virus mit zwei Tricks zu seinen Gunsten manipuliert. #Virenadventskalender 1/9
Der Grashüpfer Recilia dorsalis saugt Pflanzensaft aus dem Phloem. Die Pflanze wehrt sich, indem sie Kalzium abgibt. Das stimuliert die Bildung des Moleküls Callose, das die Siebplatten zwischen einzelnen Abschnitten der Leitung verstopft. Dadurch versiegt der Saftfluss.
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Der Grashüpfer wiederum versucht das zu verhindern. Das tut er, indem er mit seinem Speichel Kalzium-bindende Proteine abgibt, die das entscheidende Signal für die Callose-Bildung unterdrucken.
An diesem Punkt greift das Virus ein.
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Baculoviren als Biopestizide
Man kann Viren natürlich auch benutzen, um unerwünschte Organismen zu dezimieren. Zum Beispiel benutzt man Baculoviren, die ausschließlich wirbellose Tiere befallen, um Schadinsekten zu bekämpfen.
1/10 #Virenadventskalender
Im Grunde sind Viren die perfekten Pflanzenschutzmittel. Sie sind umweltfreundlicher als chemische Pestizide, reichen sich nicht in der Umwelt an und außerdem töten sie genau die gewünschte Insektenart und keine andere. Man setzt sie vor allem gegen Raupen von Faltern ein.
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Raupen infizieren sich, indem sie mit den Viren kontaminierte Blätter fressen. Deswegen müssen Baculoviren sehr lange auf Oberflächen überleben, und das erreichen sie mit einer besonderen Struktur, die man als Okklusionskörper bezeichnet.
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Extremophile Virren
Selbst in sehr heißen und sauren Umgebungen gibt es Leben - meist Mikroben, die zu den Archaeen gehören, dem dritten Ast im Stammbaum des Lebens. Auch sie werden von Viren befallen, die an die harschen Bedingungen angepasst sind. 1/6 #Virenadventskalender
Die bekannten Viren der Archaeen sind ganz anders als jene von Bakterien, Pflanzen und Tieren. Sie sind geformt wie Flaschen, Tropfen oder Zitronen, und sie müssen extrem stabil sein, damit sie Hitze und Säure überstehen.
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Deswegen besteht ihr Erbgut immer aus doppelsträngiger DNA. DNA ist stabiler als RNA, besonders unter sauren Bedingungen. Zusätzlich sind sie extrem tolerant gegenüber Mutationen. Das Virus zum Beispiel SSV1 verträgt Schäden an der Hälfte seines Genoms.
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Tomatenbronzefleckenvirus (TSWV)
Dieses Pflanzenvirus, auf englisch tomato spotted wilt virus (TSWV) ist extrem vielseitig. Es kann neben Tomaten mehr als 1000 verschiedene Pflanzenarten befallen, zusätzlich zu den Insekten, die sie übertragen. 1/8 #Virenadventskalender
Bemerkenswert ist, dass TSWV zu einer recht prominenten Virenordnung gehört, nämlich den Bunyaviren. Diese Gruppe kennen wir von so unerfreulichen Vertretern wie dem Hantavirus, Lassafieber, Krim-Kongo-Fieber und mehreren Enzephalitiserregern.
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Aber wirklich spannend an diesem Virus ist natürlich die unfassbar große Bandbreite an Wirtspflanzen. Und TSWV treibt die Vielseitigkeit sogar noch ein ganzes Stückchen weiter. Es vermehrt sich nicht nur in Pflanzen, sondern auch in den Thripsen, die das Virus übertragen.
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Ich hab jetzt ne Weile mit mir gerungen, ob ich das in den Raum stellen soll.
Dass #Omikron evtl aus Tieren stammen könnte, schließt theoretisch auch Passage in Labortieren ein.
Nun gibt es zwei Gründe, warum man das mit Sars-CoV-2 tun würde. 1/6 spektrum.de/news/corona-va…
Variante 1 wäre nach dem Modell der umstrittenen Gain-of-Function-Versuche von Fouchier et al.
Bei dieser als serial passage bezeichneten Technik kann man aus einem wenig ansteckenden Virus eine infektiösere Variante züchten, wie das seinerzeit mit H5N1 gemacht wurde.
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Es gibt aber eine weitere Anwendung für serial passage in Tieren bei potenziell gefährlichen Viren. Wir wissen, dass solche attenuierten Impfviren gegen Coronaviren oft aussichtsreicher als andere Vakzine sind. Und die züchtet man in Tieren. 3/6 spektrum.de/news/corona-im…
Riesenviren
Die meisten Viren sind sehr klein und besitzen nu wenige Gene und Proteine. Riesenviren sind die Ausnahme. Sie haben einige hundert Nanometer Durchmesser und sind damit oft größer als Bakterien, und ihr Genom enthält mehrere hundert Gene. #Virenadventskalender 1/7
Viele Vertreter sind anders aufgebaut als normale Viren. Neben der für unbehüllte Bakterien typischen Proteinkapsel, dem Kapsid, sind z.B. Mimiviren mit einer Schale aus Proteinfasern umgeben.
(Bild: Ghigo E, et al. PLoS Pathog. 2008, 10.1371/journal.ppat.1000087, CC BY 2.5) 2/7
Die Riesenviren sind aber keine eigene Gruppe, sondern nur über ihre Größe. Deswegen gehören zum Beispiel auch mit über 300 Nanometern Durchmesser das Pockenvirus und seine Verwandten dazu. Diese Viren durchlaufen verschiedene Stadien mit unterschiedlichen Erscheinungsformen.
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