Gelbfieber
Mit einer Sterblichkeit zwischen ca. 5 und 10 Prozent ist Gelbfieber weniger tödlich als zum Beispiel Pocken oder Ebola. Aber historisch ist es eine der bedeutendsten Seuchen überhaupt, und mögliche Quelle verheerender zukünftiger Epidemien.
1/14 #Virenadventskalender
Das Gelbfiebervirus wird von Stechmücken übertragen, stammt vermutlich aus Zentralafrika und erlangte seine Bedeutung durch den Kolonialismus. Gelbfieber war neben Malaria der Grund, weshalb es vor Ende des 19. Jahrhunderts keine größere europäische Präsenz in Afrika gab.
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Erst ab etwa den 1870er Jahren waren Medizin und Seuchenkontrolle weit genug fortgeschritten, um den "Wettlauf um Afrika" zu ermöglichen. Um 1820 starben monatlich etwa 5% der europäischen Truppen durch Fieber, am Ende des Jahrhunderts nur noch etwa ein Zehntel davon.
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Mit dem transatlantischen Sklavenhandel gelangte Gelbfieber nach Süd- und Zentralamerika, wo es ausgezeichnete Bedingungen vorfand. Und auch dort war Gelbfieber ein massives Problem für den europäischen Kolonialismus.
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Vermutlich kostete Gelbfieber Schottland die Unabhängigkeit. In den 1690er Jahren versuchten schottische Investoren in Panama eine Kolonie zu etablieren. Allerdings starben hunderte Kolonisten an Fieber, die Spanier erledigten den Rest.
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Am Ende des Debakels war Schottland sowohl als Staat als auch als Gesellschaft nahezu bankrott. 1707 akzeptierte Schottland den Unionsvertrag mit England, wohl auch, weil die Staatsschulden übernommen und Entschädigungen für das Panama-Desaster gezahlt wurden.
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Gelbfieber war auch einer der entscheidenden Faktoren bei der erfolgreichen Sklavenrevolte auf Haiti und der Gründung der Republik. Sowohl Engländer (1795) als auch Franzosen (1801) versuchten, die Insel wieder zu besetzen, scheiterten aber an der enormen Sterblichkeit.
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Die Verluste der französischen Invasionstruppen unter LeClerc waren besonders dramatisch. Von insgesamt rund 40.000 Truppen samt Unterstützung kehrten nur 3000 nach Frankreich zurück. Vermutlich bewegte das Desaster Napoleon zum Verkauf des Louisiana-Territoriums an die USA.
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Auch der erste Versuch, einen Kanal in Panama zu bauen, scheiterte in den 1880er Jahren an Seuchen. 22000 Arbeiter starben an Malaria und Gelbfieber. Erst als die Gelbfiebermücke ab 1905 in der Kanalzone effektiv bekämpft wurde, konnte der Kanal tatsächlich gebaut werden.
9/14
Heute ist Gelbfieber in den Tropen Afrikas und Südamerikas endemisch, es gibt keine Behandlung, aber eine Impfung. Außerdem kann man die Krankheit zurückdrängen, indem man den Hauptüberträger bekämpft, die Gelbfiebermücke Aedes aegypti.
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Bis 1980 ging Gelbfieber deswegen weltweit zurück, allerdings nehmen die Fälle seit den 1980er Jahren wieder zu. Die Gründe sind nur zum Teil klar, weil die Faktoren rund um Gelbfieber-Ausbrüche ungewöhnlich kompliziert sind.
11/14
Die Rückkehr dieser Seuche macht Fachleuten auch wegen eines ebenso rätselhaften wie bedrohlichen Umstands Sorgen: in Asien kommt Gelbfieber bisher nicht vor. Gleichzeitig existieren dort alle nötigen Bedingungen für die Ausbreitung der Seuche.
12/14
Das heißt, theoretisch kann jederzeit eine der gefährlichsten Krankheiten der Geschichte in der am dichtesten besiedelten Region der Erde unter der immunologisch naiven Bevölkerung ausbrechen.
Weshalb das bisher nicht passiert ist, weiß niemand. Vielleicht passiert es noch.
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Alle bisherigen Türchen in meinem #Adventskalender rund um Viren und ihre Besonderheiten findet ihr hier auf Twitter unter dem Hashtag #Virenadventskalender.
Phagentherapie
Viren gegen antibiotikaresistente Bakterien einzusetzen, ist ja inzwischen ein weithin bekannter und erforschter Ansatz. Es gibt allerdings mehrere Gründe, weshalb man Bakteriophagen immer noch nicht routinemäßig in der Medizin einsetzt.
1/13 #Virenadventskalender
Das zentrale Problem ist, dass Phagen etwas grundlegend anderes sind als die klassischen Antibiotika, und deswegen auch komplizierter in der Anwendung. Antibiotika sind breit wirksame chemische Waffen, die kippt man drauf und es ist Ruhe. Das geht bei Phagen nicht.
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Phagen sind spezifisch für ein bestimmtes Bakterium. Das ist einerseits gut, weil man so die nützlichen Bakterien in Ruhe lässt. Andererseits muss man genau rausfinden, welches Bakterium am Werk ist, und das macht zusätzlichen Aufwand und kostet Zeit.
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Wuhan Spiny Eel Influenza Virus (WSEIV)
Ihr kennt die Vogelgrippe. Ihr kennt die Schweinegrippe. Hier kommt die Fischgrippe.
Ein Problem der Virenforschung ist, dass man zwar viel über Viren bei Säugetieren weiß, aber wenig über den Rest der Tierwelt. 1/9 #Virenadventskalender
Ein Grund dafür ist ist, dass Tiere, die uns ähnlich sind, auch ähnlichere Viren haben. Und die sind für uns schlicht relevanter.
Allerdings ist der Umkehrschluss, dass Viren von evolutionär entfernten Gruppen nichts mit uns zu tun hat, nicht immer korrekt. Siehe WSEIV.
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Dieses Virus tauchte 2018 bei einer groß angelegten Fahndung nach RNA-Viren in Fischen, Amphibien und Reptilien auf. Dabei kamen diverse auch von Menschen bekannte Viren zum Vorschein, zum Beispiel Filoviren, bekannt von Ebola, und Coronaviren. 3/9 nature.com/articles/s4158…
Virophagen
Auch das gibt es: Viren, die andere Viren befallen. Analog zu den Bakteriophagen nennt man diese "unmöglichen" Kreaturen Virophagen. "Unmöglich" deshalb, weil Viren nur Erbgut mit etwas Verpackung sind - es gibt da schlicht nix zu infizieren. 1/9 #Virenadventskalender
Virophagen befallen deswegen auch nicht die Viruspartikel anderer Viren. Sie attackieren vielmehr das so genannte Viroplasma, eine spezielle Struktur, die ein Virus in der befallenen Zelle erzeugt, um neue Virusparrtikel zu erzeugen.
2/9
Sie übernehmen also die Virenfabriken anderer Viren. Alle bisher bekannten Virophagen befallen Riesenviren aus der Gruppe der nucleocytoplasmic large DNA viruses (NCLDV) (Siehe Türchen 5 und 14). Diese Viren bringen einen Teil der zur Vermehrung nötigen Proteine selbst mit.
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Rice Gall Dwarf Virus (RGDV)
Diese Pflanzenseuche verursacht alle paar Jahre Epidemien in Reisfeldern Südostasien. Verbreitet wird sie von Grashüpfern, deren Fressverhalten das Virus mit zwei Tricks zu seinen Gunsten manipuliert. #Virenadventskalender 1/9
Der Grashüpfer Recilia dorsalis saugt Pflanzensaft aus dem Phloem. Die Pflanze wehrt sich, indem sie Kalzium abgibt. Das stimuliert die Bildung des Moleküls Callose, das die Siebplatten zwischen einzelnen Abschnitten der Leitung verstopft. Dadurch versiegt der Saftfluss.
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Der Grashüpfer wiederum versucht das zu verhindern. Das tut er, indem er mit seinem Speichel Kalzium-bindende Proteine abgibt, die das entscheidende Signal für die Callose-Bildung unterdrucken.
An diesem Punkt greift das Virus ein.
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Baculoviren als Biopestizide
Man kann Viren natürlich auch benutzen, um unerwünschte Organismen zu dezimieren. Zum Beispiel benutzt man Baculoviren, die ausschließlich wirbellose Tiere befallen, um Schadinsekten zu bekämpfen.
1/10 #Virenadventskalender
Im Grunde sind Viren die perfekten Pflanzenschutzmittel. Sie sind umweltfreundlicher als chemische Pestizide, reichen sich nicht in der Umwelt an und außerdem töten sie genau die gewünschte Insektenart und keine andere. Man setzt sie vor allem gegen Raupen von Faltern ein.
2/10
Raupen infizieren sich, indem sie mit den Viren kontaminierte Blätter fressen. Deswegen müssen Baculoviren sehr lange auf Oberflächen überleben, und das erreichen sie mit einer besonderen Struktur, die man als Okklusionskörper bezeichnet.
3/10
Extremophile Virren
Selbst in sehr heißen und sauren Umgebungen gibt es Leben - meist Mikroben, die zu den Archaeen gehören, dem dritten Ast im Stammbaum des Lebens. Auch sie werden von Viren befallen, die an die harschen Bedingungen angepasst sind. 1/6 #Virenadventskalender
Die bekannten Viren der Archaeen sind ganz anders als jene von Bakterien, Pflanzen und Tieren. Sie sind geformt wie Flaschen, Tropfen oder Zitronen, und sie müssen extrem stabil sein, damit sie Hitze und Säure überstehen.
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Deswegen besteht ihr Erbgut immer aus doppelsträngiger DNA. DNA ist stabiler als RNA, besonders unter sauren Bedingungen. Zusätzlich sind sie extrem tolerant gegenüber Mutationen. Das Virus zum Beispiel SSV1 verträgt Schäden an der Hälfte seines Genoms.
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