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Mar 15 • 23 tweets • 5 min read
Pornografie und Jugendschutz! 🔞

Ein Thread. (1/22) #zdfmagazin
Es ist in Deutschland verboten, Pornografie an Orten zu verbreiten, die theoretisch von Minderjährigen besucht werden können. Hier ein aktuelles Beispiel aus der Polizei-Praxis: (2/22)

Das Verbreiten von Pornografie ist eine Straftat, die mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft wird. (3/22)
Straftaten, die mit einem oder mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden können, sind juristisch gesehen kein „Vergehen“ mehr. Sie sind ein „Verbrechen“.
Der Staat wendet gegen die Porno-Verbreitung also das „schärfste Schwert des Rechtsstaats“ an. (4/22)
Zum Vergleich: Wer Alkohol an Minderjährige verkauft, begeht keine Straftat, sondern nur eine „Ordnungswidrigkeit“, die je nach Fall mit einigen hundert Euro Bußgeld belegt wird (§ 9 JuSchG in Verbindung mit § 28 JuSchG). (5/22)
Die Verbreitung von Pornografie in TV, Radio und Internet wird noch einmal extra in einem Staatsvertrag geregelt. (6/22) gesetze-bayern.de/Content/Docume…
Dort wird formell zwischen „Kinderpornografie”, „sexuellen Handlungen von Menschen mit Tieren” und Inhalten, die „in sonstiger Weise pornografisch sind” unterschieden. (7/22)
In der rechtlichen Folge behandelt der Gesetzgeber aber Aufnahmen von sexuellem Missbrauch gleich wie Aufnahmen von einvernehmlichem Sex unter Erwachsenen:
Beides darf unter keinen Umständen im deutschen TV oder Radio ausgestrahlt werden. (8/22)
Selbst Folter oder Erschießungen dürfen unter Umständen im TV gezeigt werden. Dort schreibt der Gesetzgeber nur vor, wie Gewalt nicht dargestellt werden darf (verharmlosend und ohne berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit). (9/22)
Im Internet dürfen Pornos laut Staatsvertrag gezeigt werden, „wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden”. (10/22)
Eine Alterskontrolle im Internet ist umstritten. Es gibt Vorbehalte, persönliche Daten bei teilweise unseriösen Pornoanbieter:innen hochzuladen. Derzeit ist das aber eine sehr theoretische Frage: Die meisten Seiten machen keine tatsächliche Alterskontrolle. (11/22)
Die rechtliche Handhabe gegen die Pornoseiten, die meist im Ausland sitzen, ist sehr kompliziert und dauert mehrere Jahre. Die Anbieter:innen können viel einfach aussitzen. (12/22) lto.de/recht/hintergr…
Nun hat die Landesmedienanstalt NRW eine deutschlandweite Sperre von xHamster veranlasst. Diese Sperre ist technisch einfach zu umgehen. Und richtet sich nur gegen die Domain. Einige Pornoseiten haben sich schon Alternativ-Domains zugelegt („Pornodomain2.com”). (13/22)
Im TV-Bereich gibt es neben dem absoluten Pornoverbot hingegen noch zusätzliche Schutzmechanismen.
Die Jugendschutzbeauftragten von ARD und ZDF haben zuletzt 2019 Kriterien erstellt, die Redaktionen beim Jugendschutz unterstĂĽtzen sollen:
zdf.de/assets/kriteri… (14/22)
Pornografie wird in diesen Kriterien als etwas definiert, das „den Menschen zum bloßen, auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde degradiert“. (15/22)
Die Ansicht, wonach Menschen in Pornos zum Objekt degradiert werden, stammt ursprĂĽnglich wohl aus einem Urteil des Oberlandesgericht DĂĽsseldorf aus dem Jahr 1974.
Diese Definition hat sich in der Rechtsprechung nicht durchgesetzt. (16/22)
Es kann sein, dass Menschen in Pornos degradiert oder objektiviert werden. Die Objektivierung von Menschen ist aber nicht das kennzeichnende Merkmal eines inhaltlich sehr weiten Genres. (17/22)
ARD und ZDF zählen auch „Problembeispiele aus der Praxis“ auf: Neben „Vergewaltigung“ betreffe das auch „Promiskuität“.

Die Redaktionen sollen überprüfen, ob die Geschichte einer Frau, die viele Sexpartner:innen hat, zur „Nachahmung“ verleite. (18/22)
ARD & ZDF problematisieren in ihren Kriterien die Promiskuität einer Frau. Promiskuität ist legal. Über sexuelle Vorlieben kann jede:r in Deutschland frei entscheiden.

ARD & ZDF sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich fĂĽr die serielle Monogamie einzusetzen. (19/22)
Die Redaktionen sollten sich laut ARD & ZDF auch fragen, „wie ausführlich und direkt“ „eher unübliche“ Sexpraktiken im TV besprochen werden müssen.

Auch hier gilt: ARD & ZDF sind gesetzlich nicht verpflichtet, Sexpraktiken abseits der Missionarsstellung zu tabuisieren. (20/21)
Fassen wir zusammen: Der Jugendschutz beim Thema Pornografie in TV und Radio ist sehr streng. Im Internet ist die Gesetzgebung nur theoretisch vorhanden, praktisch wird sie nicht durchgesetzt. (21/22)
Der Jugendschutz soll Heranwachsenden negative Erfahrungen ersparen, die ihre Entwicklung zu freien, mündigen Bürger:innen beeinträchtigen könnten.
Derzeit besteht der Schutz vor allem aus dem Versuch, sie bis zu ihrem 18. Lebensjahr von jeder Pornografie fernzuhalten. (22/22)
Korrektur des Tweets (4/22): Als „Verbrechen“ werden Straftaten bezeichnet, die MINDESTENS mit einem Jahr Haftstrafe bestraft werden können. § 184 StGB wird MAXIMAL mit einem Jahr Haft bestraft und ist daher „nur“ ein Vergehen. Pardon für den Fehler. gesetze-im-internet.de/stgb/__12.html

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