Thread by @ulrichspeck

Deutschland ist bereit, Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Es wird auch bereit sein, den Wiederaufbau der Ukraine mitzufinanzieren.

Die Kosten jedoch für das Instrument, das Putins Kriegskalkül beeinflussen könnte -- Energieembargo -- sind der Regierung zu hoch.

Die Kosten für ein Energieembargo werden von der Regierung und von regierungsnahen Ökonomen maximal hoch angesetzt, viele unabhängige Ökonomen dagegen halten sie für tragbar.

Die Kosten für ein Verzicht auf ein Energieembargo werden von der Regierung niedriger angesetzt als die Kosten für ein Energieembargo.

Eine Milchmädchenrechnung: die Ukraine wird zumindest teilweise in Ruinen gelegt, die europäische Friedensordnung mit ihr, all das kostet Deutschland sehr, sehr viel in den nächsten Jahren. Würde man das einberechnen, wären die Kosten für ein Embargo vergleichsweise niedrig.

Doch auch die Ampel kalkuliert kurzfristig, bis zu den nächsten Landtagswahlen. Obwohl eine große Bereitschaft in Deutschland besteht, auch Energiesanktionen mitzutragen, ist sie nicht bereit, die höheren kurzfristigen Kosten in Kauf zu nehmen für niedrigere langfristige Kosten.

Andere versteckte Kosten für die fortgesetzte Blockade Berlins, den Einsatz von Energiesanktionen auch nur graduelle und partiell zu erwägen, werden auch zu zahlen sein -- Deutschland wird in Ostmitteleuropa und den USA als unzuverlässig eingestuft, unfähig zur Führungsrolle.

Für die Ostmitteleuropäer ist es nur eine Frage der Zeit, wann ein neo-imperiales Russland, das die Ukraine unterwirft (wie auch schon Belarus), weitere Grenzen in Frage stellt.

Zu sehen, wie Deutschland in dieser Situation nicht bereit ist, Kosten für Energiesanktionen in Kauf zu nehmen, ist für die Ostmitteleuropäer eine sicherheitspolitische Bankrotterklärung Deutschlands, was Folgen für deren geopolitische Strategie haben wird.

Der Angriffs- und Eroberungskriegs Putins gegen die Ukraine markiert eine Zeitenwende, in der Deutschland als Zentralmacht Weichen für die sicherheitspolitische Zukunft Europas stellen muss.

Dass sich die Ampelregierung entschieden hat, erheblich in die Bundeswehr zu investieren, ist ein wichtiges Signal. Hinzu muss aber eine außen- und sicherheitspolitische Strategie in dieser die Zukunft der Sicherheit Europas definierenden Kriegs- und Krisensituation kommen.

Es sind die Ukrainer, die derzeit die Hauptlast tragen beim gemeinsamen europäischen Interesse, den Eroberungskrieg Putins zu einem Misserfolg zu machen. Das Ziel deutscher Strategie muss sein, die Ukraine dabei maximal zu unterstützen. Das findet aber derzeit noch nicht statt.

Je klarer es Russland wird, dass ein solcher Angriffs- und Eroberungskrieg eine Sackgasse ist, bei der es sich selbst beschädigt, und kein Weg zu künftiger Größe und Glorie, um so wahrscheinlicher ist, dass Russland in Zukunft solche Kriege in Europa unterlassen wird.

Mit seiner privilegierten Energiepartnerschaft mit Russland hat Deutschland in den vergangenen Jahren akzeptiert, die Finanzierung des Putin-Regimes mitzutragen. Damit verfügt es aber auch umgekehrt über ein Instrument, die Finanzierung des Putin-Regimes zu unterbrechen.

Dieses einzigartige Instrument jetzt einzusetzen als Waffe ist überfällig. Die kurzfristigen Kosten dafür müssten dabei in Kauf genommen werden, angesichts der weitaus höheren kurz-, mittel- und langfristigen Kosten für den Nichteinsatz.

Für den Erfolg eines Einsatzes kann niemand garantieren, aber es ist herrschende Expertenmeinung, dass wirtschaftliche Probleme Putins Kalkül beeinflussen. Die derzeitigen Sanktionen sind begrenzt wirkungsvoll, ein Energieembargo wäre erheblich stärker in der Wirkung.

Das Energieembargo sollte eskalierend eingesetzt werden, mit Schritten, die mit Forderungen an Russland verbunden sind, sein Verhalten zu ändern -- angefangen mit dem sofortigen Einstellen des Bombardements von Städten. All das müsste Putin sehr klar kommuniziert werden.