Die Corona-Maßnahmen und ab Anfang 2021 das #NoCovid-Konzept waren für mich Hauptanlass hier zu schreiben. Die jetzige Diskussion um No Covid stellt daher zumindest für mich einen gewissen Endpunkt dar.

Ich finde es gut, dass wir angesichts des Lockdowns in Shanghai und der Art
2/ und Weise, wie China diesen durchsetzt, diskutieren, die Art und Weise in der die Diskussion geführt wird gefällt mir aber ganz und gar nicht. Viele fühlen sich angegriffen, viele greifen ad hominem an. Von daher werde ich diesen Thread aus meiner Perspektive schreiben, so
3/ dass er möglichst nicht zu noch mehr verbissener Konfrontation führt.

Die erste grundsätzliche Frage die ich bei allen Corona-Maßnahmen sehe ist die, in wie fern ein Staat ermächtigt werden darf, in die Grundrechte seiner Bürger über Verordnungen einzugreifen und wie dieses
4/ begrenzt und kontrolliert wird, sowohl juristisch aber auch journalistisch.
Die zweite Frage, die mich bei diesem Thema umtreibt ist, in wie fern die Gesellschaft derartige Maßnahmen kritisch begleitet und hinterfragt.

Oft wird gesagt, China ist eine Diktatur und
5/ Deutschland nicht und alleine deswegen kann man die jeweiligen COVID-Strategien nicht vergleichen. Ja, China ist eine Diktatur und zwar in allen Lebensbereichen, aber einen übergriffigen Staat kann man auch in Demokratien sehen. Gerade in Hamburg waren verschiedene Beispiele
6/ „zu bewundern“, sei es die Jagd mit dem Polizeiauto durch den Park hinter ein paar Jugendlichen her , Ausgangsperren, Alkoholkonsumverbote, Alkoholverkaufsverbote, Sperrstunden, die weit über den Zeitraum, den andere Bundesländer für notwendig erachtet
7/ haben, beibehalten wurden. Bei vielen dieser Maßnahmen konnte und kann man bis heute den infektionsepidemiologischen Sinn und Zweck nicht erkennen bzw. muss diesen hinterfragen. Mein damals 15-jähriger Nachbar musste übrigens 150 EUR Strafe zahlen, da er mit einem Kumpel
8/ auf einem Spielplatz auf einem Wackeltier gesessen und sich unterhalten hatte.

Was mich immer wieder irritiert ist, dass die gesellschaftliche Ecke, die bislang staatlichen Maßnahmen immer extrem kritisch gegenüber gestanden ist, derartiges überhaupt nicht schlimm, sondern
9/ als richtig und als „nicht hart genug“ konnotiert hat. Wenn man sich die Beliebigkeit der staatlichen Eingriffe anschaut und das mit dem vergleicht, gegen das wir mal gemeinsam protestiert haben, seien es in Hamburg die Gefahrengebiete, G20 oder bundesweit das Thema Vorrats-
10/ datenspeicherung verstehe ich diesen Hurra-Maßnahmen-Patriotismus nicht. Denn die anderen Themen waren entweder für die Gesamtgesellschaft belanglos (Gefahrengebiete, auch Schanzenfest oder 1. Mai Demos und so ungefähr alles mit der Flora), global politisch ggfs.
11/ sogar sinnvoll (G20) oder dienten - ebenso wie die Coronamaßnahmen - einem höheren und durchaus auch „noblen“ Zweck, wie die Vorratsdatenspeicherung (u.a. wegen Terrorismus, Kinderpornographie). Gerade bei letztem Thema war es zudem nicht zu verhehlen, dass ein relevanter
12/ Kritikpunkt daran schlicht und einfach war, dass man nicht wollte, dass „der Staat“ sehen kann, auf welchen Internetseiten man sich wann rumgetrieben und vor welchem Internetporno man sich einen runter geholt hat.

No Covid ist und war für mich - wenn man das ins deutsche
13/ adaptierte Konzept mit grünen und roten Zonen betrachtet, etwas was mit noch mal mehr staatlichen Kontroll- und Repressionsmaßnahmen das durchaus nachvollziehbare Ziel einer Inzidenzreduktion verfolgt. Ich hatte das hier schon mal aufgeschrieben: brainpainblog.org/2022/01/08/zwi…
14/ Jetzt kann man sagen, na und? COVID ist auch durchaus einschneidender als Vorratsdatenspeicherung. Mein Argument dagegen kommt direkt aus dem Deutschunterricht der 10. (?) Klasse aus „Die Physiker“. Da heißt es „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden“
15/ Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Punkt. Die COVID-Pandemie verändert unsere Gesellschaft und hat Präzedenzfälle geschaffen, bei denen man zurecht annehmen kann und muss, dass die Hürde für die nächste Ausgangsperre, das Kontaktverbot usw. deutlich niedriger liegt
16/ als beim ersten Mal. Und das ist das, was mir an einem Konzept wie No Covid Sorgen macht. Das zweite, was mir Sorgen macht ist die Feindseligkeit und Verbissenheit mit der wir über derartige Dinge diskutieren und dass es ganz schnell zwischen Querdenkertum und Lockdown-
17/ Fanatismus kaum ein Mittelfeld gab (was sich erst wieder langsam bildet) und mit welcher Arroganz und Selbstüberschätzung jeweils Extrempositionen vorgetragen wurden (und werden). Aufgeheizte, polarisierte Gesellschaften mit einem entfesselten Staat sind keine gute
18/ Ausgangsbasis für alle weiteren gesellschaftlichen Herausforderungen, die noch auf uns zukommen. Sie sind auch keine gute Ausgangsbasis für externe Bedrohungen und Kriege in unmittelbarer Nachbarschaft.
19/ Zum Abschluss noch zwei Anmerkungen:

1. Man kann seinen Standpunkt im Verlauf der Zeit durchaus ändern und einige Positionen, die ich zu Beginn der Pandemie eingenommen habe, würde ich so nicht mehr vertreten wollen. Das gilt m.E. in jede Richtung, daher auch dieser Thread:
20/
2. Mit der Beschäftigung mit dem Thema SARS-CoV-2 und der ständigen Frage, ob eigentlich das Virus oder die NPI die größere Bedrohung sind, wurde ich ziemlich schnell von den medizinisch-naturwissenschaftlichen Aspekten von COVID-19 fasziniert, insbesondere von den Themen
21/ Long Covid und Triggerung von Neurodegeneration, von daher werde ich mich künftig hierauf - und auf das Dauerthema Wissenschaftskommunikation - beschränken.

Peace.
PS: Und auf anderen Medizin-Stuff 😏

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Mar 23
„Karl Lauterbach hat den Zustand des Gesundheitswesens nicht zu verantworten“. @dokhollidays, ich hoffe, es ist okay, wenn ich diese Antwort von dir als Ausgangspunkt für einen kleinen Rückblick in die Gesundheitspolitik der frühen 2000er Jahre in Deutschland nutze: ⬇️
1/ Von 2001 bis 2009 war Ulla Schmidt Gesundheitsministerin in Deutschland. de.wikipedia.org/wiki/Ulla_Schm… Ulla Schmidt hatte einen politischen Berater, dem ein besonders großer Einfluss auf ihre Arbeit nachgesagt wurde: Karl Lauterbach.
2/ DER SPIEGEL bezeichnete Karl Lauterbach 2004 in einem Artikel als „Einflüsterer“ der Ministerin. magazin.spiegel.de/EpubDelivery/s…

Exkurs: Generell ist der Artikel amüsant zu lesen, weil viele Dinge, die man Karl Lauterbach heute vorwirft schon damals auffielen, z.B. seine mangelnde
Read 17 tweets
Feb 25
Dieser Tweet von @ConnyR0mer und die Antwort von @AnjoGenow darauf vor ein paar Tagen haben noch mal vor ausgen geführt, dass es #WirWerdenLaut nicht wirklich um einen Infektionsschutz im Sinne von vermeiden von Krankheitsfolgen durch SC2 durch hohe Impfquoten geht, es geht …
@ConnyR0mer @AnjoGenow 2/ um das Recht „nicht durchseucht“ zu werden, also um keinen Viruskontakt und damit um Niedriginzidenzstrategien, also #NoCovid.

Okay, bin vielleicht in dieser Einsicht ein Spätzünder und habe einen Monat mitlesen gebraucht, um das zu verstehen. Jetzt heißt NoCovid aber nicht
@ConnyR0mer @AnjoGenow 3/ nur, dass man Menschen vor Folgen von COVID-Infektionen schützen will, sondern dass man die Ausbreitung durch strikte NPI eingrenzen will und zwar kleinräumig und dafür extrem stark die Mobilität von Menschen und die Zahl von Kontakten beschränken muss. Dies bedeutet massive
Read 14 tweets
Feb 23
Zum Thema Impfnebenwirkungen und BKK ProVita:

Alle, die schon einmal eine Meldung ans PEI gemacht haben können diese Aussage von @IljaKarl bestätigen, erst recht wenn man zusätzlich noch an die AKDAE meldet und noch mal, wenn dann anonymisierte Behandlungsunterlagen …
@IljaKarl 2/ angefordert werden.

Aber auch dieser Punkt von @nik_kolb ist wichtig: Die verwendeten ICD-Codes sind Codes für unspezifische Impfnebenwirkungen: Also Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen.

Schwere, ggfs. zur Hospitalisierung führende
@IljaKarl @nik_kolb 3/ Diagnosen wie die Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach AstraZeneca-Impfung oder Myokarditiden nach mRNA-Impfstoff-Applikation werden sicherlich nicht nur unter diesen ICD-Codes dokumentiert.

Und dass es vermehrte Allgemeinsymptome nach COVID-Impfungen gibt ist kein Geheimnis.
Read 5 tweets
Feb 20
An verschiedenen Stellen war in den letzten Tagen zu lesen, dass die Differenzierung zwischen „an“ und „mit“ COVID-verstorben „Querdenker-Sprech“ sei, z.B. hier taz.de/Problematische… bei #wirwerdenlaut und hier auf Twitter sowieso.

Es ist - mal wieder - eine extreme …
2/ Verkürzung und Polemisierung einer komplexen Fragestellung. Die Motivation scheint zum einen so ein Eine-Armlänge-Abstand-Ding zu sein, zum anderen das Bemühen eines Totschlagargumentes in einer erneuten Diskursverschiebung bzgl der Frage nach der Notwendigkeit weiterer NPI …
3/ ihrer Dauer und nach dem Ziel der NPI, weg von Verhinderung von Überlastung des Gesundheitswesens (v.a. der ITS), über Vermeidung von Langzeitfolgen (da stehen wir ja gerade beim Thema Schule und KuJ) hin Niedriginzidenzstrategie um immunsupprimierte Menschen zu schützen.
Read 21 tweets
Feb 19
Leider klappt die Antwortfunktion hier gerade nicht, daher auf diesem Wege @Kohlrabi82, @DrChristianWin1, @Tim_Roehn:

Es geht bei der COVID-Impfung ja nicht nur um die Verhinderung von Todesfällen (ja, das sind bei KuJ sehr wenige), sondern auch um die schwerer Verläufe. Dazu…
@Kohlrabi82 @DrChristianWin1 @Tim_Roehn 2/… zählt man bei KuJ neben den (ebenfalls verhältnismäßig wenigen) ITS-Aufnahmen und Hospitalisationen im Generellen auch PIMS, was ja mit einer Häufigkeit von 1/3.000-1/5.000 nach Infektionen auftritt. Häufig wird auch noch Long Covid hinzugenommen (schwieriges Thema, ich weiß
@Kohlrabi82 @DrChristianWin1 @Tim_Roehn 3/ aber auch in optimistischen Schätzungen bei so 1-2% aller Infektionen bei KuJ. Das ist in der Summe dann nicht mehr so wenig. Dagegen sind die Myokarditis-Fälle weniger, wenn auch weiterhin bedeutsam. Deswegen sind Strategien zur weiteren Reduktion sicherlich wichtig.
Read 4 tweets
Feb 12
Hier geht so viel durcheinander beim Thema @PrienKarin und Todesfällen von Kindern und Jugendlichen, dass ich glaube, man muss das ein bisschen ordnen. Mega Schlagengrube, ist mir klar und wer es falsch verstehen will, wird es tun.

Trotzdem: Versuchen wir’s … ⬇️
@PrienKarin 1/ Die Pandemie-Eindämmungs-Maßnahmen (nicht-pharmazeutische Interventionen, NPI) sind Mittel der öffentlichen Gesundheitspflege, also von Public Health. Sie sind keine individualmedizinischen Maßnahmen. Was bedeutet das?

Es geht - wenn man es im Sinne des Erfinders macht - bei
@PrienKarin 2/ Public Health um Gesundheitsmaßnahmen auf Bevölkerungsebene, um große Gruppen vor Krankheit zu schützen, um die Mortalität bestimmter Krankheiten generell zu senken und in bestimmten Phasen einer Pandemie auch die Ausbreitung der Erkrankung zu verlangsamen, ggfs. auch auf-
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