Was #Krebsforschung eigentlich so macht und warum es so schnell (und wahrscheinlich nie) kein Medikament gegen „den Krebs™️“ geben wird.
Ein 🧵.
Corona hat sehr viel Aufmerksamkeit auf die medizinische Forschung gelegt. Viel mehr Menschen als früher können etwas mit Worten
wie Peer Review, Evidenz oder Kontrollgruppe anfangen und doch sieht man an der häufigen Frage danach, warum es denn noch kein Allheilmittel gegen Krebs gibt (wo doch gegen Covid innerhalb kürzester Zeit Impfstoffe entwickelt wurden), dass der Alltag der Forschenden
in unserem Bereich noch recht unbekannt ist.
👉 Zunächst einmal fächert sich medizinische Forschung in verschiedene Stufen auf:
Es gibt Grundlagenforschung. Diese befasst sich mit den molekularen Ursachen für Erkrankungen, zB. welche Gene in welcher Krebsart mutiert sind und
(noch eine Ebene davor) welche Rolle diese Gene überhaupt in einer gesunden Zelle spielen. Ohne die Grundmechanismen der Zellbiologie zu verstehen, können wir auch nicht erkennen, was uns krank macht.
Außerdem gibt es die Epidemiologie, die sich mit generellen Trends in der
Bevölkerung befasst und zB. Risikofaktoren identifiziert, ohne deren Kenntnis wir bestimmte molekulare Zusammenhänge gar nicht erkennen könnten, weil wir nicht wüssten nach welchen Einflussfaktoren man suchen/korrigieren müsste.
Und schließlich gibt es die präklinische,
translationale und klinische Forschung.
Die klinische Forschung befasst sich in mehreren Stufen mit der Erprobung von Medikamenten am Menschen,
während die präklinisch-translationale Forschung die Zwischenstufe zwischen Grundlagen- und klinischer Forschung darstellt und
sich mit der Entwicklung und Testung von Medikamenten im Labor (also an Zell- oder Tiermodellen befasst).
Die Grenzen sind hier durchaus fließend. Während zB. Teile meiner aktuellen Arbeit sich damit beschäftigen, welche Mutationen in einem bestimmten Blutkrebs gehäuft
auftreten und welche davon dazu beitragen, dass Chemotherapie bei manchen PuP nicht gut wirkt (Informationen, die nach klinischer Prüfung zB. dazu beitragen könnten, bestimmte PuP bereits von Beginn an anders zu behandeln oder einen weiteren Wirkstoff in Kombination zu nutzen),
befassen sich ärztliche KollegInnen häufig weiter hinten in der Forschungskette mit translationalen Fragestellungen (wie kann man bestimmte Therapien auf Grundlage aktueller Grundlagenforschungsdaten ableiten oder optimieren) und sind Teil früher klinischer Studien.
👉 Ein typischer Ablauf könnte folgender sein: eine Grundlagenforschungsgruppe sammelt gemeinsam mit ÄuÄ in der Klinik Tumorbiopsien einer bestimmten Krebsart. In der Regel kann man davon ausgehend, dass die gleiche Krebsart (und davon die gleiche Subgruppe) sich biologisch
ähnlich verhalten. Man weiß das aber nicht unbedingt vorher, zB. ob und wie viele Subgruppen es gibt, daher sind große Kohorten statistisch immer von Vorteil. Manchmal suchen Forschende auch verschiedene Krebsarten, die aber ein bestimmtes gemeinsames Merkmal haben, zB eine eine
ganz bestimmte Mutation oder auch Resistenz gegen eine bestimmte Therapie.
Diese Tumorproben werden dann im Labor aufgearbeitet und zB. sequenziert. Damit kann man dann, je nach Sequenziermethode die DNA Sequenz des gesamten Genoms (teuer, aufwendig in der Analyse, aber viele
Informationen über Bereiche, von denen wir noch nicht so viel wissen), des Exoms (das sind die Bereiche, wo Gene für Eiweiße oder ncRNA liegen) oder auch ganz gezielt nur ausgewählter Regionen bestimmen und Informationen darüber bekommen, welche Mutationen oder auch chromosomale
Veränderungen (zB kann ein Stück DNA ganz fehlen oder vervielfältigt sein) in einer Gruppe PuP besonders häufig vorkommen.
Manche mutierte Eiweiße, oder die biologische Veränderung die sie in der Zelle auslösen, können nämlich mit Medikamenten angegriffen werden. Durch weitere
Analysen werden dann die Kosequenzen auf die Zellen analysiert & was sich in der mutierten Zelle alles verändert. Komplex wird es, weil nahezu immer viele Mutationen, aber immer in neuen Kombinationen in den einzelnen Tumorzellen vorliegen und ein Tumor somit sehr heterogen ist.
Nicht jede Zelle ist also gleich angreifbar.
👉 Gegen das vielversprechendste Ziel werden dann
Substanzen entwickelt, die zB. an veränderte entstandene Eiweiße binden und diese inaktivieren, oder aber zusätzlich an zellschädigende Substanden gekoppelt sind (radioaktive Moleküle,
Chemotherapeutika) und
durch spezifische Bindung an das Ziel gezielt die Tumorzellen töten kann.
Nun kodiert nicht jedes defekte Gen ein Oberflächeneiweiss, sondern es kann auch Eiweiße zB. im Zellkern (die zT sehr schlecht zu „targeten“ sind), oder gar keine Eiweiße, sondern zB.
regulatorische RNA bilden. Der Mensch hat etwa 30.000 Gene und etwa 30 Mio Basenpaare in den kodierenden Bereichen. Dazu kommen Veränderungen in Bereichen, die diese Gene regulieren, so dass es quasi unendlich viele Möglichkeiten für Mutationen gibt.
Andererseits sind es doch
häufig ähnliche Gene und Mechanismen (zB. assoziiert mit Zellteilung, Zelltod oder DNA Reparatur) und in diesen Genen bestimmte wichtige Bereiche, die wir in Tumoren finden.
Die Forschenden finden also Muster, quasi „Achilles Fersen“ die besonders häufig in Krebsform x auftritt
und suchen Substanzen mit denen man diese angreifen kann.
Krebsmedikamente können aber nicht nur veränderte Proteine angreifen, sondern auch generell die Zellteilung von schnell teilenden Zellen hemmen (das macht zB. die klassische Chemotherapie) oder
auch mit dem Immunsystem interagieren, zB. indem Immunzellen dazu befähigt werden bestimmte Tumoroberflächenmoleküle zu erkennen oder indem man die Fähigkeit von Tumorzellen, sich für das Immunsystem unsichtbar zu machen oder Immunzellen zu hemmen, aufhebt.
Häufig werden auch
Therapien kombiniert, zB. Chemo- und Immuntherapie.
👉 Zunächst werden dann passende Substanzen im Labor getestet. In der Regel an immortalisierten Zellen, die vor Jahren aus einem Krebs-Patienten gewonnen wurden und dann so verändert wurden, dass sie immer weiter in der Kultur-
Flasche vermehrt werden können (in vitro). Danach wird eine Substanz dann häufig in Tiermodellen (meist Mäuse) getestet (in vivo), bevor es dann in frühe klinische Studien geht, bei denen zunächst getestet wird, wie toxisch die Substanzen sind und welche Dosis man einsetzen muss,
bevor spätere klinische Studien dann verblindet, mit Kontrollgruppen multizentrisch an vielen PuP prüfen, ob die Substanz oder eine Kombination wirksamer ist als die bereits existierende Standardtherapie (zB. Chemo).
👉 Auf diesem langen Weg kann ganz viel schief gehen. Meistens
bestätigt sich einfach eine Hyothese auf irgendeiner Ebene nicht, weil der Organismus einfach unfassbar komplex ist & wir immer nur einen kleinen Ausschnitt betrachten.
Aber es gibt es immer viele Erfolgsgeschichten, wie die von Immuntherapien, die auch kein Allerheilmittel
sind, aber in einigen Krebsarten zu großen Verbesserungen geführt haben.
👉 Wie komplex die Krebsentstehung aus molekularer Sicht ist, habe ich vor einiger Zeit mal als damalige Kuratorin vom deutschen @realsci_DE aufgeschrieben,
für alle diejenigen, die jetzt noch Puste
Ich bin übrigens selbst in diesem ganz frühen Forschungsbereich tätig. Ich habe daher vor allem Einblick in das, was einen Tumor zum Tumor macht und weniger, wie jetzt genau welcher Tumorpatienz therapiert wird, wenn es nur
gerade im Stadium x in der Klinik steht.
Aber natürlich verfolge ich auch aktuelle Entwicklungen in anderen Tumorerkrankungen als Blutkrebs, auch wenn häufig nur die wichtigsten Neuerungen durchdringen.
Aber, „den Krebs“ gibt es nicht. Es handelt sich vielmehr um viele
(>40) verschiedene Erkrankungen, mit ähnlichen, aber auch verschiedenen Mechanismen, Ursachen und Symptomen.
Und weil so viele verschiedene Ursachen in den verschiedensten Geweben zu Krebs führen kann, braucht es eben auch viele verschiedene Therapien.
Manche haben wir schon
gefunden. Für manche brauchen wir noch etwas Zeit, Unterstützung und Geduld.
Nachtrag
Oben muss es „Aber es gibt es immer WIEDER Erfolgsgeschichten, wie die von Immuntherapien“ heißen.
Was gäbe ich für ein redaktionelles Änderungstool 🙄.
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Die Behauptung, hier wolle Big Pharma die hohen Gewinne schützen und Pharmalobby und Ärzteschaft verweigerten daher ein wirksames Allheilmittel, geistert nun schon eine ganze Weile durch die Medien
Was ist dran an der Story?
In 2018 berichteten Medien von „durchschlagenden Ergebnissen im Kampf gegen Krebs. Methadon, ein starkes Schmerzmittel und Opioid, das in der Schmerztherapie, auch bei Krebserkrankungen eingesetzt wird sollte das billige und verfügbare Wundermittel sein.
In Mausversuchen und in kultivierten Zellen im Labor konnten tatsächlich auch Zelltod-induzierende und Therapieverstärkende Effekte von D,L-Methadon gezeigt werden (dustri.com/nc/article-res…; oncotarget.com/article/952/te…). Die Arbeiten dazu stammten aus den frühen 2010er Jahren und
#Forschungsalltag: Heute steht qPCR als Test für ein neues Experiment in einem neuen Projekt an:
Ich möchte dazu magnetische Kügelchen testen, die mit einer kurzen einsträngigen Sequenz beschichtet ist, mit der ich aus der mRNA meiner Krebszellen eine ganze bestimmte isolieren
kann.
Ich habe dazu RNA aus Zellen isoliert und mit immer leicht veränderten Protokollen durch Bindung an diese Kügelchen, Entnahme, Reinigung und dann wieder davon Lösen angereichert. Dann wurde die RNA in cDNA umgeschrieben und heute schaue ich mir an, wie gut die
Ausbeute ist (wie viel dieser RNA ist vorhanden) und die rein diese geworden ist. Ich möchte diese nämlich auf einem recht neuen System sequenzieren, das ganze RNA Stränge sequenzieren und sogar Modifikationen (also kleine angeheftete Moleküle, die die Funktion verändern)
Harte Worte von der @berlinerzeitung, aber #FollowtheScience bedeutet auch, Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit im relevanten Kontext zu evaluieren. Relevant heißt, im vorliegenden Massanahmenmix und hier, nicht irgendwo in UK mit anderer Altersstruktur,
anderer Impfstoffverteilung, oder in den USA, mit einem völlig anderen Gesundheitssystem!
Und wenn wir schon bei Follow the Science sind, dann auch mit minimalem Bias, das heißt, dass diejenigen, die zu den Maßnahmen beraten haben, niemals unparteiisch das reale Eintreten
ihrer eigenen Hypothesen und ihre Ratschläge prüfen sollen!
Daher ist es konsequent und richtig, dass sich C. Drosten an diesem Prozess nicht beteiligt - kein/e Wissenschaftler/in mit Interesse an Objektivität statt Bestätigung würde das tun. Dafür gibt es in der Wissenschaft
Wie funktioniert das eigentlich mit den wissenschaftlichen Veröffentlichungen so grob? Durch welche Hände gegen Forschungsergebnisse, wenn sie „zusammengeschrieben“ wurden?
Auch das habe ich im Januar schon mal für @realsci_DE zusammengefasst.
In der Folge hatte sich eine Diskussion um die Formulierung „wissenschaftlicher Output“ entsponnen.
„Wissenschaftliche Leistung“ wird sehr metrisch dokumentiert und es gibt dafür verschiedene Möglichkeiten.
Der sogenannte Impact Factor des Journals, in dem man publiziert, ist
ein veraltetes, jedoch meistens noch abgefragtes Messinstrument, das sich an einer Kennziffer (Impact Factor) orientiert, den eine Fachzeitschrift aufgrund aller darin publizierten Artikel eines Jahres und der Häufigkeit der gesamten Zitierungen bemisst, aber mit einem privaten
Inhaltliche Feinheiten täuschen nicht darüber hinweg, dass der weniger antikapitalistisch angehauchte Ableger von ZeroCovid, NoCovid, sich inhaltlich und personell kaum von der Ursprungs-Ideologie abhebt.
Ein langer Thread 🧵zum Netzwerk.
Ich möchte gar nicht so sehr inhaltlich auf die Konzepte eingehen, da kann sich jeder selbst eine Meinung bilden und es ist auch genug darüber geschrieben worden. Aus wissenschaftlicher Sicht halte ich sie für utopisch bzw. dystopisch (anhängig davon wie compliant die Menschen
sind und wie viel Druck eingesetzt werden müsste). Der Hauptunterschied zwischen beiden Konzepten besteht wohl darin, dass ZeroCovid ein links-orientiertes Konzept propagiert, dass durch sehr harte Massnahmen, wie umfassende Lockdowns, ohne Rücksicht auf die Volkswirtschaft, und
Vor etwa 1,5 Jahren habe ich mich @Rapidtests angeschlossen, weil die Pandemie in einer Phase war, in der Selbstschutz stark eingeschränkt war, weil FFP2 schlecht erhältlich und Impfungen noch nicht zugelassen waren. Die Tests hätten in dieser Phase der Pandemie viele
Infektionsketten erkennen und Leid verhindern können.
Aber die Deutschen folgen in ihrer politischen Logik leider dem Tagesrhythmus eines Teenagers, der bis Nachmittag nicht in die Gänge kommt und abends kein Auge zukriegt und machen erstmal zu lange nichts, bevor sie dann mit
„viel hilft viel“ versuchen gegenzusteuern, ohne zu merken dass die Voraussetzungen mittlerweile ganz andere sind.
Daher meine, auf die momentane Lage angepasste, Einschätzung:
👉Wir brauchen keine Massentests mehr!👈
Wir brauchen ein gutes (Varianten-)Monitoring zB. über