»70% aller CO2-Emissionen stammen von nur 100 Konzernen - sie sind verantwortlich für die Klimakrise.«

Dieser Slogan kommt hier täglich. Potentially unpopular opinion: Als Klimagerechtigkeitsbewegung sollten wir uns daran nicht so sehr aufhängen.

Strategie-🧵1/18 (sorry 🙃) Auszug aus der Liste der 100 "Carbon Majors" (Konz
Vorweg - die Liste der 100 privaten und staatlichen Konzerne (s.u.) bildet ungefähr das ab, was als "fossiles Kapital" im engeren Sinne bezeichnet wird: Öl-, Kohle- und Gaskonzerne.
theguardian.com/sustainable-bu… 2/18
Dieses fossile Kapital ist ohne Wenn und Aber zentraler Gegenspieler der #Klimabewegung: Es lebt von der CO2-Produktion, macht seinen politischen Einfluss dafür geltend, verbreitet Desinformation, versucht Nachfrage sicherzustellen, lässt den Planeten bereitwillig abfackeln. 3/18
Und klar, darauf zielt der Slogan zurecht ab, kommen wir politisch nicht weiter, wenn Klima nur als individualisierte Konsumfrage diskutiert wird. Ob Person X gerne mal Fahrrad fährt, ist erst mal unerheblich für die Entscheidung zur Erschließung neuer Öl- und Gasfelder. 4/18
Nur erstens: Als Systemkritik, die es oft sein soll, greift das sehr kurz. Energielieferanten verursachen nicht den Energiebedarf. Energieintensive Produkte & Services liefern Auto-, Flug-, chemische Industrien etc.: fossiles Kapital im weiteren Sinne (mehr Gegenspieler). 5/18
(Das differenziert auch der zitierte Report: Direkte Emissionen (Scope 1) machen nur einen kl. Teil der Bilanz aus, Rest steckt in verkauften Energieträgern (Scope 3). Selbst die direkten Emissionen sind natürlich kein Selbstzweck, sondern Teil der Produktion zum Verkauf.) 6/18
Die ganze kapit. Ökonomie braucht billige Energie & effizienten Gütertransport, umso mehr dank des allgemeinen Verwertungs-, ergo Wachstumszwangs. Den hat das fossile Kapital nicht erfunden, er wird auch nicht mit ihm verschwinden - es bedient ihn bloß am zuverlässigsten. 7/18
Also das System überwinden!?
Way to go. Nur zweitens: Fossile werden natürlich auch nachgefragt, weil sie die hyperindividualisierte Lebensweise von Hunderten Millionen Menschen befeuern. Das fossile Kapital ist kein gesellsch. Fremdkörper, sondern tief im Alltag verankert. 8/18
Es lässt die Mehrheit in Europa teilhaben durch Annehmlichkeiten, für die andere zahlen müssen. Die meisten verteidigen diesen Deal bis zum Letzten, SOWOHL wg. der Sachzwänge des kapit. Alltags ALS AUCH wg. seines Komforts: Auto macht Zumutung des tägl. Arbeitswegs bequemer. 9/18
Diese Hegemonie ist nach wie vor extrem stark. Die mindestens passive, teils aktive Machtbasis der fossilen Konzerne bilden nicht nur Parteien & Wirtschaftsverbände, sondern eben auch genau die Massen, die wir mit solchen Slogans eher vergeblich abzuholen versuchen. 10/18
Sie lässt sich nicht mal eben ausradieren, indem 100 Energiekonzerne reguliert oder enteignet werden (was dennoch ansteht, aber umso schwerer wird). Die Lebensweise wäre nicht mal global verallgemeinerbar, wenn weite Teile des heutigen Energieverbrauchs erneuerbar würden. 11/18
(Der Ukraine-Krieg zeigt, was passiert, wenn man mal einen Lieferanten (so halb) eliminiert: Es wird auf Biegen und Brechen versucht, Ersatz zu beschaffen (#LNG). Die Industrie schreit danach und auch die privaten Verbraucher*innen stehen mit wenigen Ausnahmen dahinter.) 12/18
Gerade für materialistische Antworten braucht es ein klares Verständnis dieser Realität & der Grundlage der fossilen Hegemonie. Die meisten Konsument*innen haben das & wissen auch um ihre (globalen) Privilegien. Darum sind sie nicht bei uns. 13/18
Glaubhafte Alternativen müssten gleichzeitig Befreiung von den Zumutungen des Kapitalismus versprechen UND seine Bequemlichkeiten in Frage stellen. Millionen Personen X, die einen gesellschaftl. Alltag schaffen, in dem sie ohne Auto auskommen UND dann auch davon loslassen. 14/18
Wir haben also a) ein Transformationsproblem + b) ein Deprivilegierungsproblem (nicht bloß ein Kommunikations- oder Mobilisierungsproblem). Die fast unmögliche Herausforderung liegt darin, beide in einem zu lösen. Nur so wäre reale Klimagerechtigkeit erreichbar. 15/18
Auch der Weg zum ganz großen #SystemChange - Verwertungszwang überwinden usw. - geht also über den Alltag, die gesellschaftliche Lebensweise & deren Konsumnormen. Das greift natürlich viel tiefer als die üblichen Konsumdebatten, aber macht auch die zu einem Ansatzpunkt. 16/18
Klimakonflikte politisieren und entindividualisieren? Absolut. Aber wir kommen nirgendwohin, wenn wir das Kind mit dem Bade ausschütten & uns selbst einreden, es seien "wir alle" gegen ein paar fiese Konzerne - denen aus Gründen mehr Menschen bereit sind zu folgen als uns. 17/18
Mit oberflächlichen Versuchen eines Klima-Linkspopulismus werden wir neoliberale Erzählungen kaum schlagen. Das Wir-gegen-sie geht so nicht in unserem Sinne auf. Ende.

Dieser Thread knüpft übrigens an mein allgemeineres Argument neulich hier an: nd-aktuell.de/artikel/116392… 18/18
And I should have tagged @pape_lapapp, who always enjoys some dissident-but-nonetheless-grumpy Marxist content. Sorry for the omission!
Wo ihr alle grad hier seid, schaut auch mal was @communiade dazu zu sagen haben:

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May 9
Update zum #LNG-Ausbau: Es deutet sich endlich eine Wendung in der öffentlichen Debatte zu diesem Klimadesaster an.
Was ist in den letzten 10 Tagen passiert? 🧵1/14 Protest gegen LNG, Brunsbüttel 2021 Photo credit: Luca Enge
Hintergrund: Die politischen Entwicklungen der Wochen zuvor hatte ich vor 10 Tagen zusammengefasst. In der Zwischenzeit hat sich endlich eine kontroverse Debatte entwickelt, die lange Zeit fehlte. 2/14
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