Fortsetzung Übergewinnsteuer: Sieht man es makroökonomisch kommen weitere Argumente für die Steuer hinzu. Unter Anderem möchte der Bundesfinanzminister schon im kommenden Jahr wieder die Schuldenbremse einhalten. 1/x
Ich finde das falsch, aber er gewinnt auch keine Glaubwürdigkeit, indem er in diesem Jahr immer mehr Kredite aufnimmt, und gleichzeitig behauptet nächstes Jahr würde die Schuldenbremse auf jeden Fall gelten. 2/x
Vielmehr würde es Sinn ergeben schon jetzt einen kleinen Teil der Ausgaben für Unterstützungsmaßnahmen der Haushalte (die womöglich auch noch einmal ausgeweitet werden müssen) auch über Steuern und nicht vollständig über Kredite zu finanzieren. 3/x
Lindner selbst argumentiert, dass die Einhaltung der Schuldenbremse einen Beitrag zur Bekämpfung der Inflation leisten würde. Das ist zwar m.E. falsch, da die Inflation von Angebotsschocks (Energiepreise und Lieferkettenprobleme) getrieben wird. 4/x
Trotzdem sollte eine Regierung in ihren Aussagen wenigstens konsistent sein. Wenn Linder richtig liegen würde, wäre seine Ablehnung der Übergewinnsteuer falsch. Eine teilweise Steuerfinanzierung würde die Nachfrage leicht senken, und in der Argumentation auch die Inflation. 5/x
Dann wäre eine Übergewinnsteuer, die kaum eine Anreizwirkung hat eines der ökonomisch besten Instrumente dafür. Hier erkennt man gut das Dilemma der FDP. Man lehnt eine höhere Besteuerung ab, will aber für gestiegene Preise entlasten. 6/x
Gleichzeitig will man aber auch die Schuldenbremse wieder einhalten und die Inflation senken. Diese Ziele lassen sich nicht alle miteinander vereinbaren. Man könnte 1. Entlasten und das durch Steuererhöhungen finanzieren…. 7/x
… um Effekt auf Schulden und Inflation zu reduzieren, oder 2. Akzeptieren, dass es eine höhere Staatsverschuldung braucht oder 3. Auf Entlastungen verzichten, sparen und der Rezession ihren Lauf lassen, die zu niedrigerer Inflation beitragen würde. 8/x
Der Effekt von 3. auf Schuldenquote wäre wegen Einbruch des BIP aber mindestens ungewiss, weil der Nenner der Quote sinken würde. Die FDP versucht sich auf der Zeitachse aus dem Dilemma zu befreien. 9/x
Man will dieses Jahr nochmal die Kreditaufnahme spürbar erhöhen, und dann im nächsten Jahr mit Verbrauch von Rücklagen und in der Hoffnung auf wirtschaftliche Erholung und höhere Steuereinnahmen die Schuldenbremse wieder einhalten zu können. 10/x
Diese Hoffnung ist trügerisch und ich bezweifele, dass die Verantwortlichen selbst daran glauben. Wahrscheinlich versuchen sie nur sich Zeit zu erkaufen. Die Krise und der geldpolitische Kurswechsel entfalten eine konjunkturelle Bremswirkung. 11/x
Energiepreise werden über längere Zeit erhöht bleiben. Hilfen und Entlastungen bald komplett auslaufen zu lassen ist unrealistisch. Mit einem weiteren Nachtragshaushalt 2022 wird die FDP wohl kein Problem haben, aber umso mehr mit einer Verlängerung ins Jahr 2023 hinein. 12/x
Aus meiner Sicht wäre eine teilweise Steuerfinanzierung über eine Übergewinnsteuer aus anderen Gründen richtig, als aus der FDP-Sicht. Sie würde es erlauben weitere Maßnahmen zu finanzieren und hätte selbst kaum negative Nachfrageeffekte. 13/x
Zumindest wenn die Ausgabenneigung aus Übergewinnen gering ist. Da bei den entsprechenden Unternehmen keine zusätzlichen Investitionsmöglichleiten entstehen, sondern nur Gewinne mitgenommen werden, halte ich das für sehr wahrscheinlich. 14/x
Hinzu kommt, dass die Verteilungswirkung eines vollständigen Verbleibs der Übergewinne bei den Unternehmen schlecht ist. Betriebsvermögen ist sehr ungleich verteilt. Von Gewinnausschüttungen und Wertsteigerungen profitieren nicht nur aber überwiegend wohlhabende Menschen. 15/x
Diese Punkte sind deswegen so wichtig, weil FDP und rot-grün aus unterschiedlichen Gründen FÜR die Übergewinnsteuer sein könnten. Eine Einigung in der Koalition wäre also durchaus nicht unmöglich, wenn die FDP ein bisschen über ihren eigenen Schatten springen würde. 16/x
Übergewinnsteuer Teil 3, Ausgestaltung und rechtliche Aspekte: Ich bin Ökonom, kein Jurist, habe aber vor längerer Zeit eine Ausbildung im Steuerrecht gemacht und bis 2018 für 8 Jahre als Referent für Steuerpolitik im Bundestag gearbeitet. 1/x
Meine Erfahrung dort: Es macht wenig Sinn mit Menschen, die prinzipiell (z.B. weil sie Interessen vertreten) gegen eine Steuer sind über deren Ausgestaltung zu diskutieren. Zumindest solange nicht, wie Diese glauben, die Steuer noch komplett abwenden zu können. 2/x
Daher werde ich mit dem Folgenden Niemanden überzeugen, der bisher nicht davon überzeugt werden konnte, dass eine Übergewinnsteuer prinzipiell sinnvoll ist. 3/x
Ich muss mich mal zur Übergewinnsteuer äußern. Selbstverständlich kann man dazu unterschiedlicher Meinung sein, aber die Debatte ist aus meiner Sicht (die eines Ökonom und Befürworters) schon durch viele zweifelhafte oder sogar falsche Argumente geprägt. 1/x
Viele machen den Denkfehler, Gewinne als etwas in der Marktwirtschaft Wünschenswertes bezeichnen. Das ist aber nur das Gewinnstreben, nicht sein Erfolg. Im Idealfall sollte der Wettbewerb dafür sorgen, dass langfristig nur geringe Gewinne entstehen. 2/x
Ein Wohlfahrtsmaximum wird bekanntlich erreicht, wenn ein vollkommener Wettbewerb dafür sorgt, dass der Preis den Grenzkosten entspricht. Das bedeutet nicht, dass überhaupt keine Gewinne entstehen. Alle Unternehmen die günstiger produzieren machen dann immer noch Gewinne. 3/x
Heute sinken die Spritpreise. Vielleicht nicht so deutlich, weil die Mineralölwirtschaft ein Teil der geschätzt 3,4 Mrd. als Gewinn verbucht. Das sind zwar nur etwa 12% der Entlastungspakete, aber in meinen Augen so kontraproduktiv, dass man sich damit befassen muss. 1/x
Verteilungswirkung: Im Gegensatz zu anderen Energieträgern geben ärmere Haushalte nicht einen größeren Anteil ihres Einkommens für Benzin und Diesel aus als Reichere. Damit werden also alle etwa prozentual gleichmäßig entlastet, was ja auch das Ziel der FDP war. 2/x
Das DIW hat in seinem Wochenbericht 17/2022 festgestellt, dass auch nach den Entlastungen durch die Regierung ärmere Haushalte prozentual stärker getroffen werden: Bei den ärmsten 10% ein Rückgang des Nettoeinkommens um 3%, beim obersten Dezil 1,3%. 3/x
Anders als andere Ökonom_innen habe ich mich mit einer Meinung zu einem Gas- und Ölboykott schwergetan. Die Frage ist auch alles andere als einfach und mit vielen Unsicherheiten behaftet. Ich befürworte aber jetzt ein Boykott. Die Gründe
Wir wissen heute nicht wie groß die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland sind. Finde es aber auch weniger entscheidend, ob es zwei oder sechs Prozent sind. Wichtiger scheint mir, ob wir die wirtschaftspolitischen Instrumente haben um darauf zu reagieren. Das ist der Fall.
Vor allem Gas ist nicht vollständig substituierbar. Wir können es einsparen und wir können auch auf andere Lieferländer ausweichen (siehe Studie des DIW), aber es bleibt noch eine Lücke. Bestimmte Produktionsprozesse in einigen Branchen werden deutlich reduziert werden müssen.
Anders als andere Ökonom_innen habe ich mich mit einer Meinung zu einem Gas- und Ölboykott schwer getan. Die Frage ist auch alles andere als einfach und mit vielen Unsicherheiten behaftet. Ich befürworte aber jetzt ein Boykott. Die Gründe: 1/n
Wir wissen heute nicht wie groß die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland sind. Finde es aber auch weniger entscheidend, ob es zwei oder sechs Prozent sind. Wichtiger scheint mir, ob wir die wirtschaftspolitischen Instrumente haben um darauf zu reagieren. Das ist der Fall: 2/n
Vor allem Gas ist nicht vollständig substituierbar. Wir können es einsparen und wir können auch auf andere Lieferländer ausweichen (siehe Studie des DIW), aber es bleibt noch eine Lücke. Bestimmte Produktionsprozesse in einigen Branchen werden deutlich reduziert werden müssen 3/n