Ein paar Gedanken zum Fall #Antisemitismus & #Documenta15. Denn in einigen Diskussionen auf Twitter scheint man sehr überrascht zu sein, aber eigentlich läuft alles wie immer. 🪡
Hintergrund:
Im Vorfeld der #Documenta15 wurde öffentlich viel über die Teilnahme BDS-naher Künstler*innen diskutiert. Heute entflammte erneut eine Diskussion um vor allem ein Werk, das gezeigt wird. Denn es beinhaltet eindeutig antisemitische Motive.
Ich wollte diese Diskussion einfach nur ausblenden, weil sie ohnehin überfrachtet war. Aber die Art
und Weise, wie nun reagiert wird, lässt viele jüdische Menschen, die bereit sind, viele Dinge auch über ihre eigene Schmerzgrenze hinweg zu verhandeln, einfach nur wütend zurück.
Ich werde mich weder zu den Künstler*innen äußern und auch nichts mehr zu den aktuell diskutierten Werken sagen.
Allerdings würde ich hier gerne nochmal auf die Grundproblematik hinweisen, die diesen Fall begleitet.
Nicht alle BDS-Anhänger*innen sind per se antisemitisch. Aber!
Die Gründungs-Ideologie und Agenda von BDS ist antisemitisch. Und deshalb ist dort wo BDS vertreten ist, der Raum für Juden*Jüdinnen nicht mehr sicher, weil Antisemitismus wenn überhaupt nur selektiv wahr- und vor allem nicht ernst genommen wird.
Daran ändert auch wirklich nicht, dass es auch Juden*Jüdinnen bei BDS gibt. Dort wo BDS auftritt und Raum bekommt, tritt auch Antisemitismus auf. Das ist eine mittlerweile durch zahlreiche Erfahrungsberichte jüdischer Aktivist*innen belegte Tatsache.
Als Gegenargument wird immer wieder von der scheinbaren Bagatellisierung von Antisemitismus gesprochen, und zwar immer dann, wenn es um Antisemitismus in progressiven Kontexten geht.
Die IHRA-Arbeitsdefinition, die für die antisemitismuskritische Bildung und Arbeit mit Betroffenen in den vergangenen Jahren extrem wichtig geworden ist, und den Erfahrungen, die Juden*Jüdinnen machen, auch entspricht, wird als Unsinn oder gar „gefährlich“ abgetan.
Der „echte Antisemitismus“ finde sich vor allem dort, wo Konservative & Liberale auf dem rechten Auge blind seien. Dort wo auch Rassismus stattfindet. Sonst nirgendwo. Wenn‘s nur so einfach wäre.
Damit wird einer Deutungslogik gefolgt, die überall da zu finden ist, wo der eigene Antisemitismus nicht gesehen werden will, und zwar völlig unabhängig der eigenen politischen Haltung und des sozialen und ideologischen Milieus, in dem sich die Personen aufhalten.
Personen stellen sich bis ins absurde unwissend, auch wenn es offensichtlich ist oder behaupten, es ginge in bestimmten Darstellungen um nichts anderes als radikale, progressive & legitime Gesellschaftskritik, die Machtstrukturen hinterfragt & eine gerechtere Welt fordert.
Jüdische Personen, die sagen: „Das ist antisemitisch!“ werden pathologisiert (z.B. als paranoid, empfindlich, kognitiv eingeschränkt dargestellt), als subjektiv, konservativ, rassistisch, antideutsch, kapitalismusverliebt (because of course), ungebildet, privilegiert abgetan.
Mit jüdischen Lebensrealitäten hat das nur begrenzt zu tun, aber es scheint nichts zu machen. Denn irgendjemand wird sich schon finden, der das alles bestätigt.
Nichtjüdische Menschen haben schon immer Gründe gefunden, um jüdischen Menschen zu sagen: „Nene, du hast Antisemitismus nur nicht richtig verstanden.“ Und ich bin wirklich immer wieder verblüfft darüber, mit welchen Argumenten das völlig reinen Gewissens getan wird.
Währenddessen ziehen sich jüdische Personen aus progressiven Räumen zurück, weil sie nicht mehr können und weil sie auch nicht mehr gewollt werden, sofern sie bestimmte Dinge nicht einfach „für die Sache“ hinnehmen.
Und wem das nicht zu denken gibt, sollte zumindest zugeben, dass ihnen Juden*Jüdinnen egal sind.
Das wäre ehrlich.
Aber mal schauen wie es weitergeht im Endlos-Wimmelbild „Ist das wirklich Antisemitismus?“
Naja, der @RubenGerczi hat das Statement gelesen und zusammengefasst. Und, ich meine.. das hätte niemand ahnen können 🤷🏻♀️
Ich mache das nie, aber jetzt fühlt es sich angemessen an.
Triggerwarnung in diesem Thread für meine jüdischen Follower: #Antisemitismus /Gewalt/Mord
Ich sage es jetzt, damit ihr nicht sagen könnt, ihr hättet es nicht gehört:
Wenn die erste jüdische Person in Deutschland/Europa im Zuge dieser Eskalation umgebracht wird, will ich eure Betroffenheit nicht hören. Ich will eure Lähmung nicht sehen.
„Das war ein Angriff auf uns alle!“ Werdet ihr sagen. Ach ja? Dreht ihr euch um, wenn ihr auf der Straße lauft? Habt ihr Instagram gelöscht, weil eure Freunde Sachen teilen, von denen ihr wisst, dass sie euch gefährden werden? Ist euch JUDE aufs Klingelschild geschmiert worden?
How the escalation in the Middle East is affecting #Jews in Germany & Europe - A long thread:
Discomfort is spreading in my Jewish friends circle. Because every time there is an escalating development in the Middle East, they know they will be busy. 1/17
The ones who are not Israeli citizens, but just recently posted a throwback of their visit to the beach of Tel Aviv. Those who don't have a degree in political science, but are shaking their heads at the fourth election in two years. 2/17
The ones who think that Netanyahu is great, those who think he sucks. Those who believe in Zionism, not out of a desire to oppress another people, but because no one in their family has been born in the same country for the past four generations. 3/17
Wie sich der Nahost-Konflikt auf die jüdische Gemeinschaft in Deutschland auswirkt - Ein langer Thread:
In meinem jüdischen Bekanntenkreis breitet sich Unbehagen aus. Denn jedes Mal, wenn die Lage im Nahen Osten abzeichnet, wissen sie, sie werden beschäftigt sein. 1/15
Die, die keine Israelis sind, aber zuletzt einen Throwback zum Strand in Tel Aviv gepostet haben. Die, die keinen Abschluss in Politikwissenschaften haben, aber den Kopf schütteln, wenn zum 4. Mal in 2 Jahren gewählt wird. Die, die gar keinen Bock auf das Thema haben. 2/15
Die, die sich als Zionist:innen bezeichnen, nicht aus der Sehnsucht heraus, eine andere Gruppe zu unterdrücken, sondern weil niemand in ihrer Familie in den letzten 4 Generationen im gleichen Land geboren wurde. 3/15