Von #Gorbatschow zu #Putin: Der Kontrast könnte nicht größer sein - vom demokratischen Aufbruch zum (neo)stalinistischen Totalitarismus. "Perestroika" und "Glasnost" erscheinen heute wie ein ferner Traum. Oder sollten wir mittlerweile auch 1989 neu bewerten? Ein Thread 🧵/1
#Gorbatschow kam aus der Provinz (Stawropol, Nordkaukasus) und verdankte seinen Aufstieg KGB-Chef J. Antropow, der 1982 Generalsekretär wurde. Dieser war Asket, Technokrat u. Autokrat. Klug genug um zu erkennen, dass die #Sowjetunion reformiert werden musste, um zu überleben. /2
Dem todkranken Antropow erschien Gorbatschow als perfekter Nachfolger: Idealistisch, Intelligent und nicht korrupt. Die erste Welle der Perestroika (1985) war "technokratisch" - der Kampf gegen den Alkohol. Wie so viele gut gedachte Reformideen endete die Kampagne katastrophal/3
Der Sowjetunion fielen wichtige Steuereinnahmen aus dem Alkoholverkauf weg. Während die Menschen zum Schwarzbrennen übergingen, zerstörte der Staat lukrative Weinplantagen auf der Krim, nur um den "Plan zu erfüllen". Gorbatschow erkannte, dass das System selbst das Problem war/4
Gorbatschow suchte die Lösung in einer (idealisierten und verzerrten) Vergangenheit. Eine "Rückkehr" zu Lenin sollte das System retten. Er vertiefte sich über Wochen in dessen Schriften - als erster Parteichef seit Stalin (der die Parteiintelligenz hat ermorden lassen) /5
1989 erlaubte er erste freie Wahlen zum Kongress der Volksdeputierten. Er erwartete, dass sich die Bürger freiwillig für einen reformierten Sozialismus entscheiden würden - ein Trugschluss. Viele Abgeordnete stellten die Macht der KP in Frage, erwarteten umfassende Neuerungen/6
Gorbatschow ließ sich 1990 zum Präsidenten der Sowjetunion wählen, ein Amt das er selbst geschaffen hat. Er baute eine neue exekutive Amtsgewalt auf, die keiner seiner Vorgänger hatte. Er lehnte die Forderung der neuen demokr. Abgeordneten ab, als Parteichef zurückzutreten /7
Gorbatschow unterschätzte außerdem die in Folge freier Wahlen gestärkten Nationalbewegungen. In Aserbaidschan brachen 1990 Unruhen aus, welche das sowj. Militär mit Gewalt niederschlug. Ein Jahr darauf ermordeten Spezialeinheiten des KGB friedliche Demonstranten in #Litauen /8
Vor einer "chinesischen Lösung" gegen Demonstranten in Moskau und Leningrad schreckte er allerdings zurück. Die ökonomische Abhängigkeit der maroden sowjetischen Wirtschaft vom Westen war mittlerweile zu groß. "Gorbi" wollte sein positives Image nicht gefährden /9
Seine Berater kritisierten, dass Gorbatschow zunehmend den Bezug zur Realität verlor. Er schwärmte von seinen eigenen Ideen und Schriften, blockte Kritik ab. Sein enormes Arbeitspensum kompensierte er mit Luxus, der seinem asketischen "Ziehvater" Antropow fremd gewesen war /10
Für Gorbatschow stand die Hegemonie russ. Kultur in der Sowjetunion außer Frage. Für die eigenständigen Kulturen und Sprachen d. #Ukraine/ #Belarus und Zentralasiens zeigte er wenig Verständnis. Seine Generation kannte diese nur noch im Kontext regionaler "Folklore" /11
Eine Zukunft dieser Republiken außerhalb der Sowjetunion schien ihm unvorstellbar. Vieles im Denken #Putin/s war bereits unter Gorbatschow angelegt. Ist der Mythos "Gorbi" also falsch? Ja und nein. Gorbatschows Verdienst war, daß er vor großen Repressionen zurückschreckte /12
Am Ende verzichtete er auf seine persönliche Macht, anstatt diese mit Gewalt zu erzwingen. Das Gegenteil #Putins. Gorbatschow war jedoch auch kein Demokrat. Teilung seiner Macht und echte Mitbestimmung lehnte er ab. 1989 und die Zeit danach blieben somit eine vertane Chance/ Ende
*Andropow! 😬🙈
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Zum 300 Geburtstag #Kant/s findet in #Kaliningrad (dem historischen Königsberg) - der Heimat des Philosophen - ein bizarrer Kongress statt, der die Philosophie des großen Aufklärers in ihr Gegenteil verkehrt. #Putin/s "Waldai-Club" hat dort einen Gastauftritt in dem Teilnehmer/
aus #Russland und #China Kant zum Apologeten der "multipolaren Welt" umdeuten. Das Weltbürgertum Kants wird anti-westlich umgekehrt. Statt des "sapere aude", dem Mut sich des eigenen Verstandes zu bedienen, wird die Unterwerfung unter die allmächtige Staatsgewalt propagiert/
Mit dem Missbrauch Kants soll eine "intellektuelle Basis zum Übergang der alten Welt zur Neuen" geschaffen werden - die Werte der universellen Aufklärung und Humanität, für die Kant stand, werden darin mit Füßen getreten werden. Quelle: kp.ru/daily/27595/49…
Im April 1940 überfällt das "Dritte Reich" Skandinavien: Dänemark und Norwegen werden Opfer von Hitlers Invasion. Rückendeckung gibt es von Stalins Sowjetunion, die von einer "politischen Aktion zur Aufrechterhaltung des Friedens" durch Deutschland spricht. "Kriegsbrandstifter"/
seien einzig die "Westmächte" Frankreich und Großbritannien. Den Sowjets nach sei Hitler lediglich d. "Kriegsausweitungsplänen" des Westens zuvorgekommen. Kritik gegen den offensichtlichen Bruch d. Völkerrechts durch Deutschland sei "lächerlich", Hitler habe seine "Interessen"/
geschützt. In der Ausgabe der "Pravda" vom 9. April 1940 ist von "Agenten" der "Kriegsbrandstifter" in Skandinavien zu lesen, denen Deutschland Einhalt geboten hätte. Der Blick in die Quellen zeigt, dass der Pakt Stalins mit Hitler keineswegs nur "defensiv" gewesen ist./
In Folge des "Hitler-Stalin Pakts" ermordete Stalins Geheimpolizei im Frühjahr 1940 mehr als 22.000 polnische Offiziere, Intellektuelle u. Priester - #Katyn. Heute vor 34 Jahren übergab die Sowjetunion erstmals Archivdokumente an Polen, die den Massenmord belegten. Thread/1
Zum Symbol der systematischen Vernichtung polnischer Eliten durch die Sowjetunion wurde der Wald von #Katyn. Unter der Herrschaft der kommunistischen Parteidiktatur war das Thema Tabu - die Sowjetunion machte die Deutschen für die Massaker verantwortlich. 1987 traf im Rahmen/2
von "Glasnost" erstmals eine polnisch-sowjetische Historikerkommission zusammen. Doch d. Sowjets mauerten: "Es darf keine Änderung d. existierenden Interpretation des Katyn Massakers geben" - so O.A. Ržeševskij, Leiter d. sowj. Instituts f. Geschichte gegenüber den Polen/3
Ein farbloser, uncharismatischer Bürokrat, dogmatisch und abhängig von Moskau. Das war bisher mein Bild von #WalterUlbricht. Wie hat sich dieses Bild nach der Lektüre des ersten Bands der von @IlkoKowalczuk verfassten Biographie des "deutschen Kommunisten" gewandelt?/1
Ulbrichts Herkunft entspricht tatsächlich dem Ideal kommunistischer Ideologie: Proletarisches Milieu, früher Kontakt zur Sozialdemokratie. Doch der Blick auf Familie/Umfeld zeigt, dass der Weg in die spätere KPD keineswegs vorgezeichnet war. Prägend war die Revolution 1918/
die Ulbricht als gescheitert und unvollständig begriff. Der Bruch der Sozialdemokratie war fundamental - die Mehrheit wollte Reformen im parlamentarischen System, eine Minderheit den Umsturz des "Systems" nach Vorbild Moskaus. Es ist faszinierend wie früh in seiner Biographie/
Für "DAMALS. Magazin für Geschichte" habe ich einen Artikel über Biographie u. Wirkung Stepan #Bandera/s verfasst. (). Hier die Kernthesen: Bandera und die 1929 gegründete OUN lassen sich nur im Kontext der gescheiterten Nationalstaatsgründung d. #Ukraine/ wissenschaft.de/magazin/weiter…
verstehen. Die Generation Banderas erlebte wie ihre Heimat zwischen Polen/Sowjetunion geteilt wurde. Im Gegensatz zur - in der UNDO organisierten - Mehrheit der ukr. Parteien, verstand sich die OUN als Untergrundorganisation, die Terror legitimierte und anwendete. Ihre Ideologie/
war eng an den #Faschismus in Italien und ähnlichen Systemen in Spanien, Kroatien, Ungarn und natürlich dem "Dritten Reich" angelehnt. Sie verachtete parlamentarische Demokratie, Liberalismus und verlangte "ethnische Homogenität". #Antisemitismus gehörte ebenfalls dazu. Dies/
Heute vor 75 Jahren: Der Hamburger Journalist Hans-Joachim Kausch (@welt ) stellt in einer Artikelserie der Öffentlichkeit die Protokolle des deutschen Botschafters in der Sowjetunion, Graf von der Schulenburg, vor - ein Schlüsseldokument zum Verständnis des #HitlerStalinPakts/1
Die Protokolle zeigen den Verhandlungsprozess zwischen dem "Dritten Reich" und der Sowjetunion über die Aufteilung Ostmitteleuropas in "Interessensphären". Trotz der fundamentalen ideolog. Gegensätze, verband beide totalitären Mächte die Verachtung d. europ. Staatenordnung/2
Vor allem die "endgültige Regelung der polnischen Frage" wurde zwischen Berlin und Moskau besprochen. Stalin erschien die "Belassung eines selbständigen Restpolen abwegig". Beide Seiten lobten ihre enge wirtschaftliche Kooperation und die "reibungslose Zusammenarbeit"/3