Unsere bundesweite Plakat-Aktion kritisierte Horst Seehofer für sein Wegschauen, wegen Rassismus innerhalb der Polizei. Aus der Ermittlungsakte wird nun klar, dass die Polizei Wiesbaden die Aktion kriminalisierte. netzpolitik.org/2022/satire-zu…
Erfolglos blieb zunächst die Auswertung öffentlicher Überwachungskameras. Eine spurenschonende Sicherung von 16 Plakaten und zwei Augenklappen, die an der Werbevitrine mit Saugnapf hingen, wurde veranlasst. Der Untersuchungszeitraum für die DNA erstreckte sich über fünf Tage...
allerdings konnte kein brauchbarer menschlicher Hautabrieb festgestellt werden. Dies berichtete die KTU dem hessischen Landeskriminalamt. Bereits einen Tag später legte sich die Polizei noch mal richtig ins Zeug und begann Fingerabdrücke von den Plakaten zu sichern.
Diese Spurensicherung dauerte noch mal sechs Werktage. Leider fanden die Cops 30 brauchbare Fingerabdrücke, von denen sie vier einer einer Person zuordneten.
Vier Staatsanwält*innen beschäftigt
Die Polizei kommunizierte im Juli 2021 der zuständigen Staatsanwältin in Wiesbaden, dass durch die Fingerabdrücke eine Person tatverdächtig ist. Hier hätte die StA prüfen können, ob denn überhaupt eine Strafbarkeit vorliegt.
Aber das würde ja Arbeit bedeuten. Also geschah lange nichts. Erst als @netzpolitik_org im Februar 2022 durch Presseanfragen mehr über die Seehofer-Plakate wissen wollte, kam Bewegung in die Sache: Die StA Wiesbaden drückte sich darum, dass offensichtlich peinliche Verfahren...
zu entscheiden und gab den Fall im März 2022 an die StA Frankfurt/Main ab. Ob aus Überforderung oder Unlust ist nicht überliefert. In FFM wiederum hielt die Staatsanwältin Rücksprache mit zwei Oberstaatsanwälten und kam im April 2022 zum Schluss, dass sich die Plakate nicht...
gegen den Bestand der BRD richten u nicht gegen Verfassungsgrundsätze verstoßen. Allerdings drehte die Akte noch mal ne Runde u wurde im Mai 2022 wieder nach Wiesbaden zurückgeschickt, da man sich in FFM auch nicht zuständig fühlte (Aktenzeichen FFM: 6430 Js 226095/22).
Im Juni 2022 wurde das Verfahren schließlich von der StA Wiesbaden nach § 170 Abs. 2 eingestellt. Hätte sich die Staatsanwältin mit dem Plakat u Seehofers aktivem Verhindern der Polizeistudie bereits im Juli 2021 beschäftigt, wäre dem Justizapparat viel Arbeit erspart geblieben.
Hier die rechte Wertung der StA Wiesbaden, weshalb das Verfahren einstellt wurde (Aktenzeichen 1123 Js 26035/22):
„Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter im März 2021 in der
Landeshauptstadt Wiesbaden Plakate angebracht zu haben, die sich kritisch zur hessischen Polizei und
dem damaligen Bundesinnenminister Seehofer äußern.
Auf einem Plakat ist Horst Seehofer mit schwarzer Augenklappe auf dem rechten Auge abgebildet. Die
Augenklappe trägt das Hessenwappen mit Polizeistern, wobei der Hessenlöwe einen PC bedient (...)
Auf einem weiteren Plakat ist die Sängerin Helene Fischer abgebildet mit der Überschrift "Alle 17 Minuten
ruft ein Polizist Daten von Helene Fischer ab." Darunter steht "Polizeiship" und dass die Daten der Sängerin in einer Nacht 83 mal von der hessischen Polizei abgerufen worden
seien. Ferner ist dort zu lesen, dass die
Daten der Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız von einem Frankfurter Dienstcomputer abgefragt worden seien,
bevor sie Schreiben des NSU 2.0 erhalten habe.
Ein drittes Plakat zeigt hessische Polizeibeamte mit schwatzen Balken über den Augen. Darüber steht
"Kolleg:in gesucht! 5.000 Euro Belohnung."
Darunter steht, dass die Belohnung für Hinweise auf die Polizeibeamten gezahlt würden, die im Zusammenhang mit den Drohschreiben an Seda Başay-Yıldız stünden. Auf allen Plakaten ist #POLIZEIPROBLEM zu lesen.“
Eine strafbare Beleidigung des damaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer und der Institution der hessischen Polizei liegt nicht vor. Die Plakate setzen sich alle kritisch mit der zum Tatzeitpunkt sehr aktuellen öffentlichen Diskussion zu Zusammenhängen von Drohscheiben des
NSU 2.0 mit der hessichen Polizei und dabei entdeckten Polizeichatgruppen mit rassistischen, teilweise rechtsextremen Inhalten auseinander.
Der damalige Bundesminister des Inneren und für Heimat hatte eine öffentlich geforderte Studie zum Thema Rechtsextremismus bei der Polizei als unnötig abgelehnt, was auf breite Kritik gestoßen war.
Äußerungen, die neben Tatsachen auch Meinungen enthalten, unterfallem dem Schutzbereich des Art. 5 I
GG. In der vorzunehmenden Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und persönlicher Ehre ist zu
berücksichtigen, dass das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen
Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist (vgl. Fischer, § 90a Rn.13 f.). Eine Strafbarkeit nach § 185 SIGB kommt nur in Betracht, wenn der Schutz der persönlichen Ehre die Meinungsfreiheit überwiegt. Dabei ist insbesondere im politischen Meinungskampf zu aktuellen, die
Öffentlichkeit bewegenden Fragen eine restriktive Auslegung des § 185 StGB geboten.
Die durchgeführte Prüfung hat ergeben, dass vorliegend die Meinungsfreiheit des Beschuldigten überwiegt. Die Äußerungen erfolgten zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage.
Der Bundesinnenminister und die Institution der hessischen Polizei wurden als solche in diesem brisanten Kontext angegangen. Handelt es sich bei der fraglichen Äußerung um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, spricht
die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BVerfG, Beschl.v. 22.06.1982-1 BvR 1376/79). Dies gilt insbesondere bei Kritik an der staatlichen Obrigkeit auch für scharfe, überzogenen u polemische Äußerungen. Eine Strafbarkeit nach § 185 StGB kommt somit nicht in Betracht.
Auch eine Strafbarkeit gemäß § 90a Abs.1 Nr.2 StGB wegen Darstellung des Hessenlöwens mit Computer
kommt nicht in Betracht. Verunglimpfen meint die erhebliche Ehrkränkung in den Formen der §§ 185 ff.
StGB.
Eine solche ist in der bloßen Einfügung eines Computer in das Wappen, gerade in Ansehung des
Kontexts der Darstellung, nicht zu sehen."
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Die AfD in #Ludwigshafen stellte sich neben das Plakat mit der Aufschrift: "Man kann diesem Plakat eine gewisse Nähe zum Rechtsextremismus nicht absprechen." Es spricht Bände, dass sich offenbar kein Wahlkämpfer daran störte und das Plakat im Wahlkampf nutzte. !B 1/3
Die AfD spricht im Interview mit der @rheinpfalz von einer "Bereicherung" und von einer guten "Werbeaktion". Man habe sogar sechs neue Mitglieder für die #noAfD gewinnen können. Wer's glaubt wird seelig. 2/3
Laut @rheinpfalz ermittelt die @PP_Rheinpfalz wegen #Sachbeschädigung, obwohl die AfD keine Anzeige erstattete. Frage an @SedaBasay o @RAinBraun: Offenbar gab es keinen Strafantrag. Folgt daraus das die Polizei ein offentliches Interesse an einer Strafverfolgung konstruiert? 3/3