CN: Polizeigewalt!
Wir müssen über sogenannte "Schmerzgriffe" reden. Besonders in Hamburg und Berlin normalisiert sich diese Form von polizeilicher Gewalt insbesondere gegenüber Klimaaktivist*innen. Ohne eindeutige Rechtslage und mit unklaren Folgen für Betroffene. Ein Thread🧵:
Erst am vergangenen Wochenende kam es bezüglich der Aktionen von Ende Gelände in Hamburg zum Einsatz der umstrittenen Praxis durch die Polizei. Wie die Bilder von @Fotografie_JV (oben) und @mic_tra beweisen 👇
Nichts für schwache Nerven: @timluedde hat die Schmerzgriffe vom Wochenende gefilmt. Hier ist die Bandbreite der polizeilichen "Nervendrucktechniken" gut erkennbar.
Bundesweite Aufmerksamkeit erreichte diese Praxis bei einem Einsatz der Hamburger Polizei gegen Klimaaktivist*innen 2019. Viele der Betroffenen sollen damals sogar minderjährig gewesen sein.
Horst Niens, Hamburger Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei sagt damals: "Wer das, was man in diesem Video sieht, als Polizeigewalt bezeichnet, hat keine Ahnung" und "Es gibt nichts Humaneres"
Bei Amnesty International sieht man das anders. Solange sich jemand passiv verhalte und keinen Widerstand leiste, seien Schmerzgriffe unnötig und unverhältnismäßig. "Wenn eine Räumung geboten ist, können Personen auch einfach weggetragen werden." nzz.ch/international/…
Zwei konträre Meinungen. Aber was sagt eigentlich eine Wissenschaftlerin dazu? Dorothee Mooser hat 2021 ihre Dissertation zum Thema "Nervendrucktechniken im Polizeieinsatz" geschrieben. Auf 226 Seiten erörtert sie die umstrittene Praxis und kommt zu eindeutigen Ergebnissen.
Sie stellt fest: "Die Nervendrucktechniken stellen eine unzulässige Maßnahme der Polizei dar und können gegen Menschenrechte verstoßen.";
"Eine deutschlandweit einheitliche rechtliche und tatsächliche Einschätzung der Polizei zu den Nervendrucktechniken existiert derzeit nicht."
"Dies führt dazu, dass die Nervendrucktechniken (NTD) in einigen Bundesländern genutzt werden und in anderen nicht.";
"Die NTD sind nicht grundsätzlich dem unmittelbaren
Zwang zuzuordnen. Schon wegen einer fehlenden Rechtsgrundlage sind diese deshalb teilweise unzulässig."
"Schon allein unter der Betrachtung der Einwirkungen
auf die körperliche Unversehrtheit können diese Techniken nicht verhältnismäßig sein. Zudem kann die Unverhältnismäßigkeit gegebenenfalls aus einem Verstoß gegen das Folterverbot resultieren"
"Das Nutzen von Schmerzen erinnert an Polizeistaaten und Monarchien und hat in einer Demokratie – mit einem Werteverständnis, wie es Deutschland hat – keine Berechtigung. Der Schmerz als Maßnahme
kann dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entsprechen."
Ihr klares Urteil: "Solche
Maßnahmen dürfen in der BRD nicht weiter
praktiziert werden. Es muss klar Stellung bezogen werden, sowohl durch die Polizei als auch durch die Judikatur. Die NTD müssen als Maßnahme untersagt und die rechtswidrige Anwendung entsprechend verfolgt werden.
Doch wie sieht diese Unverhältnismäßigkeit in der Realität aus? Die Schmerzgriffe wurden in der Vergangenheit vor allem gegen gewaltfreie Blockaden von Klimaaktivist*innen eingesetzt.
Bei solchen Besetzungen sind in der Regel stets genug Polizeikräfte vor Ort. Die Räumung einer Straße kann wohl nur in Ausnahmefällen so dringlich sein, dass sie Schmerzanwendung bedarf. Die Betroffenen können selbstverständlich weggetragen werden.
Dass das Wegtragen von Blockierenden anstrengend aber das mildeste anwendbare Mittel ist, zeigt die Polizei Berlin hier bei der Blockade des Potsdamer Platzes durch Extinction Rebellion im Oktober 2019.
Seitdem hat sich die Häufigkeit der Blockaden durch Klimaaktivist*innen deutlich erhöht. Besonders "Die letzte Generation" erreichte bundesweit Aufmerksamkeit und zog den Hass von Autofahrer*innen auf sich. Sie wurden regelmäßig mit Schmerzgriffen geräumt.
Es scheint, als hätten die Polizeikräfte in Berlin und Hamburg schlichtweg keine Lust, die Aktivist*innen wegzutragen. Mögliches Kalkül der Polizei: Die zugefügten Schmerzen sollen sie von weiteren Aktionen abhalten.
Die Konzentration der Fälle auf Hamburg und Berlin mag zum einen daran liegen, dass die Städte die Hotspots für Blockaden durch Klimaaktivist*innen sind und zum anderen an unterschiedlichen Regelungen der Bundesländer.
In Niedersachsen erklärte das Oberverwaltungsgericht die Schmerzgriffe bei einem Einsatz in Göttingen für rechtswidrig. Seitdem muss die Polizei in Niedersachsen die Schmerzgriffe vor ihrer Anwendung androhen. taz.de/Gewalt-gegen-A…
Aber was sagt eigentlich die Polizei Hamburg zu der Kritik an ihren Schmerzgriffen beim Klimaprotest 2019? Sie postet ein Sharepic. Die Einsatzkräfte hätten "ruhig, besonnen und professionell" und unter "Anwendung bundeseinheitlicher Standards" gearbeitet.
Wie wir bereits gelernt haben, gibt es keine "bundeseinheitlichen Standards" zur Anwendung von Nervendrucktechniken. Ob ein derartiger Einsatz gegen mutm. Minderjährige "professionell" genannt werden sollte, lassen wir mal offen:
(Video: @fein_frisch)
Besonders interessant ist der Begriff "einfache körperliche Gewalt". Er hat nämlich keine offiz. Definition. Für die Polizei bedeutet er meist "ohne Waffenanwendung". Ein herrlicher Euphemismus, denn auch ohne Waffen können erhebliche Verletzungen oder Tod herbeigeführt werden.
Fassen wir zusammen: Die Polizei Hamburg setzt Einsatzpraktiken ein, die sich in einigen Fällen mögl. als Folter definieren lassen. Sie schreckt dabei nicht vor mutm. Minderjährigen zurück und reagiert auf die Vorwürfe mit einem nichtssagenden Share-Pic.
Was nun? Die Politik muss solche Praktiken umgehend verbieten! Denn, "Die Schmerzzufügung stellt in einem demokratischen Rechtsstaat wie Deutschland kein zulässiges Mittel zur Durchsetzung staatlichen Handels dar.", so die Wissenschaftlerin Dorothee Moser.
Es wäre wünschenswert, wenn Gerichte die Rechtmäßigkeit der Nervendrucktechniken öfter überprüfen würden. Leider ist der Rechtsweg für Betroffene sehr mühsam. Doch Prozesse wie in Lüneburg oder dieser aus Hamburg waren bereits erfolgreich: eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repres…
Respekt, wer es bis hierhin geschafft hat. Das Buch von Dorothee Mooser ist hier erhältlich: nomos-shop.de/nomos/titel/ne…
Außerdem kann man es in Büchereien auch als E-Book ausleihen.
Eine Linkssammlung mit Schmerzgriffen ist hier einsehbar: pad.systemli.org/p/r.59d18b749e…
Thread Ende.
PS: Falls ihr selber bereits schon Opfer von unverhältnismäßigen Schmerzgriffen geworden seid, dann schreibt gerne hier drunter 👇
Es lesen hoffentlich auch einige Journalist*innen mit. Betroffene brauchen mehr Sichtbarkeit.
Hubert Aiwanger behauptet, man müsse nur 25km² Wald pflanzen, um den jährlichen CO²-Ausstoß Deutschlands zu kompensieren. Klingt ja toll. Ist nur leider absoluter Schwachsinn und der bayr. Wirtschaftsminister hat sich lediglich um das 3.000-fache verrechnet. Ein Thread 🧵
1/ Ein Baum speichert im Jahr durchschnittlich 12,5kg CO². Auf einem Hektar Wald stehen bis zu 8000 Bäume. Pro km² also 800.000. Ein km² speichert so pro Jahr 10.000t CO². Der CO² -Ausstoß Dtld. betrug 2019 762.000.000t. Wir benötigen also insgesamt 76.200km² neuen Wald.
2/ Diese 76.200km² sind das 3.048-fache von Aiwangers 25km²!
Nur um die Absurdität von Aiwangers Behauptung einzuordnen:
Der Freistaat Bayern ist 70.550km² groß.
Morgen beginnt der #G7-Gipfel auf Schloss Elmau. Der Aufwand im Vorfeld und die Einschränkungen für Anwohner*innen während des dreitägigen Treffens der sieben Staatschefs ist wahrhaft absurd. Es folgt eine unvollständige Sammlung im Thread🧵:
Wie beim letzten Gipfel in Elmau vor sieben Jahren wurde um den Tagungsort ein Zaun durch Wälder und Wiesen errichtet. Damals war er noch sieben Kilometer lang, heute sind es 16 Kilometer. Kostenpunkt 2015: 2,2 Millionen Euro. Also 285€ pro Meter. focus.de/regional/muenc…
Für einen Hubschrauberlandeplatz wurde großflächig ein Wanderparkplatz inmitten eines Naturschutzgebiets asphaltiert. Innenminister Herrmann versicherte, Naturschutz habe Vorrang, daher wurden Bäume nicht gefällt sondern ausgegraben und umgepflanzt...
2,8 Millionen. So viele Menschen sind in 21 Tagen aus der #Ukraine in die EU geflohen. Das sind mehr Geflüchtete als in den zwei Jahren 2015 und 2016 zusammen. Trotzdem ist in Deutschland medial, politisch und gesellschaftlich (noch) nicht von einer "Flüchtlingskrise" die Rede.🧵
Wir erinnern uns zurück: 2015 herrscht bereits seit vier Jahren Krieg in Syrien. Eine große Fluchtbewegung Richtung Europa tritt ein. Während sich einige Staaten bereit erklären die Geflüchteten aufzunehmen, weigern sich andere strikt.
Die sogenannte "Flüchtlingskrise" wird damals erst maßgeblich zur Krise, weil sich die Visegrád-Staaten und Großbritannien vehement gegen eine Verteilung von Geflüchteten stemmten.
Mehr als 1,3 Millionen Geflüchtete aus der #Ukraine sind seit Kriegsbeginn in #Polen angekommen. Viele von ihnen in der Stadt #Przemyśl. Mittlerweile hat dieser Ort des Ankommens und Weiterreisens auch Sekten, Fleischbarone, Rechtspopulisten und einige mehr angezogen. Ein Thread:
Zentraler Ankunftsort ist der Bahnhof Przemyśl. Züge direkt aus der Ukraine kommen hier an und die Menschen reisen dort weiter. Flüchtende die mit Bussen kommen, müssen zu Fuß durch den Grenzübergang Medyka und werden von der Feuerwehr in die Stadt gebracht und weiterverteilt.
An den Orten, wo sich Menschen zur Weiterreise sammeln, wie den Grenzübergängen und dem Bahnhof, fallen sofort die großen Schilder der Zeugen Jehovas auf. Sie scheinen hier wirklich überall zu sein. Anwerbeversuche kann man allerdings nicht beobachten.
In #Fürstenfeldbruck sollen etwa 1000 Geflüchtete aus der #Ukraine im dortigen Ankerzentrum unterkommen. Die bisherigen Bewohner*innen aus Afghanistan und Jemen wurden kurzerhand ins über 100km entfernte Waldkraiburg verlegt und damit aus ihren bisherigen Strukturen gerissen.
Familie, Freunde, Kontakte, Schule, Sprachkurse etc.. All das müssen jetzt 135 Menschen hinter sich lassen und kurzerhand in einem anderen Ort wieder aufbauen. Helfer*innen und Stadt FFB kritisieren diese Praxis zurecht. sz.de/1.5543105
@SZ Kommentator Peter Bierl fasst die Praxis der bay. Regierung treffend zusammen: „es gibt Flüchtlinge erster und zweiter Klasse, fein sortiert nach der Herkunft. Die unterschiedliche Behandlung markiert den rassistischen Charakter europäischer und deutscher Flüchtlingspolitik.“
Weil hier grade dieses Bild viral geht, mal ein Thread, warum man mit dieser sofortigen Empörung etwas vorsichtig sein sollte und Wintersportveranstaltungen auch bei uns auch nicht immer in romantischer Zauberwaldatmosphäre stattfinden:
In München wurde einige Zeit lang ein Slalom-Weltcup auf dem Olympiaberg ausgetragen. In fünf Jahren konnte die Veranstaltung zwei mal stattfinden. Allerdings nur, nachdem 40 LKW-Ladungen Schnee aus Reit im Winkl nach München gekarrt wurden.
Seit 2002 findet in der Gelsenkirchner Veltins-Arena ein Biathlonwettbewerb statt. Die rund 3000 Kubikmeter Schnee dafür kommen jedes Jahr aus der Skihalle Neuss (2. Bild).