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Aug 19 17 tweets 7 min read
Damit hätte es sich um eine Beihilfe gehandelt. Diese wiederum hätte – ebenso wie die Mehrwertsteuerausnahme auf die Umlage – von der Kommission genehmigt werden müssen. Deswegen wurde diese Option nicht gewählt. 26/n
Die Preisanreize zum Gassparen werden durch die Senkung der Mehrwertsteuer nun gemindert. Die Erhöhung durch die Umlage wird abgeschwächt, und ab einem bestimmten Preis sogar in ihr Gegenteil verkehrt. 27/n
Das liegt daran, dass die Umlage eine absolute Höhe hat die Mehrwertsteuersenkung sich aber am Preis orientiert. Wer heute noch einen billigen Preis von 7 Cent/kwh zahlt wird durch den gemeinsamen Effekt der Reform künftig 8,88 Cent zahlen. 28/n
Wer heute bei einem Neuvertrag 28 Cent zahlt wird durch den kombinierten Effekt von Umlage und MWSt-Senkung sogar um 0,24 Cent entlastet. Die Grafiken zeigen die Entlastung absolut und relativ zum Bruttopreis vorher. 29/n ImageImage
Der relative Effekt ist wichtig, weil Nachfrageelastizitäten in der Regel mit realtiv gleicher Elastizität geschätzt werden. Eine Erhöhung um 1 Cent wirkt also bei unterschiedlichen Ausgangspreisen unterschiedlich. 30/n
Beispiel: eine Erhöhung von 8 auf 9 Cent ist eine Erhöhung um 12,5%. Eine Erhöhung von 16 auf 17 Cent hingegen ist nur eine Erhöhung von 6,25% und hat daher auch nur halb so viel relative Nachfragesenkung zur Folge. 31/n
Bei einer Nachfrageelastizität von absolut 0,2 würde vereinfachend die Nachfrage im ersten Fall um ca. 2,5% sinken und im zweiten nur um 1,25%. Daher sehe ich den Effekt der Mehrwertsteuer-Senkung im Moment noch nicht ganz so negativ wie Andere. 32/n
Im Moment haben noch viele Kunden niedrige vertraglich gebundene Preise. Für sie bleibt noch eine relevante Preiserhöhung übrig, die auch zu einer Nachfragereduktion führen sollte. Das ändert sich aber über die Zeit, weil mehr und mehr Preise ohnehin steigen. 33/n
Die Maßnahme soll lt. Scholz befristet sein bis März 2024. Das ist viel zu lange, weil in diesem Zeitraum die Gaspreise ohnehin steigen werden und damit die Mehrwertsteuereffekt den Effekt der Umlage auf die Nachfrage irgendwann konterkarieren wird. 34/n
Scholz rühmt sich sogar damit, wenn er sagt, dass die Verbraucher damit mehr entlastet würden als sie durch die Umlage belastet werden. Genau das kann ja nicht das Ziel sein, und es bestätigt mich darin, dass hier die Schuld nicht nur bei der FDP zu suchen ist. 35/n
@SDullien rechnet mit einem Aufkommenseffekt der Senkung von 14 Mrd. Euro. Das sind Steuereinnahmen die für zielgerichtete Entlastungen fehlen werden. Übrigens entfällt davon etwa die Hälfte auf Länder und Kommunen. 36/n
Die Länder müssen der Maßnahme deswegen auch im Bundesrat mehrheitlich zustimmen. Ich halte die Wahrscheinlichkeit, dass die Ampelparteien in den Ländern ihren Bundesparteien die Gefolgschaft verweigern aber für gering. 37/n
Ebenfalls gering ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ausgerechnet CDU, CSU und Linke einer populistischen Maßnahme verweigern. Daher gilt es wohl eher nach Vorne zu schauen. 38/n
Es ist wichtig, dass man bei künftigen Maßnahmen nicht wieder die Fehler aus Tankrabatt und Mehrwertsteuer-Senkung wiederholt. Künftige Entlastungen sollten am Einkommen und nicht am Preis ansetzen und sie sollten mit dem Einkommen abschmelzen. 39/n
Vorschläge der Koalition, wie die angekündigte Wohngeldreform, gehen in diese Richtung. Auch die Energiepreispauschale entlastet unten absolut stärker, weil sie versteuert wird. Es gibt also auch etwas Grund zur Hoffnung, selbst für Ökonomen 😉 40/n
@DerDanyal 😉

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Aug 19
Die Ampel hat entschieden die Mehrwertsteuer auf Gas zu senken. Aus meiner Sicht eine sehr zweifelhafte Entscheidung. Auf die Umlage verzichten wäre noch schlechter gewesen, aber es hätte auch viele bessere Lösungen gegeben. 🧵 1/n
Die Umlage wurde aus zwei Gründen eingeführt: 1. Soll sie die Gasversorger retten und 2. Soll sie Gas verteuern, um den Verbrauch von Gas zu senken und ist so ein Instrument um uns vor einer Gasmangellage zu schützen. 2/n
Viel Kritik an der Umlage, die ich die letzten Tage gelesen habe bezog sich ausschließlich auf den ersten Grund. Dort ist die Frage tatsächlich berechtigt warum für eine Unternehmensrettung nur die Gaskunden bezahlen sollen und warum nicht alle Steuerzahler? 3/n
Read 25 tweets
Aug 12
Forsetzung:Manche glauben die Korrektur der kalten Progression würde den Kaufkraftverlust ihres Einkommens ausgleichen. Das ist nicht der Fall. Nur wenn das Realeinkommen vor Steuern konstant bleibt, bleibt es das, durch die Korrektur, auch nach Steuern 25/n
Wer also bei 6% Inflation nur 4 % Lohnwachstum hat verliert auch mit Korrektur der kalten Progression ordentlich an Kaufkraft. Die Steuersenkung mildert das nur ein wenig. Die öffentlichen Haushalte soll das etwa 9 Mrd. kosten. 26/n
Nun könnte man sagen, dass man das schon machen könnte, wenn man es um weitere spürbare Maßnahmen für Menschen mit geringem Einkommen ergänzt. Lindner aber will 2023 unbedingt zur Schuldenbremse zurück. 27/n
Read 21 tweets
Aug 12
Finanzminister Lindner hat vorgeschlagen, die kalte Progression der Einkommensteuer zu korrigieren. Wenig überraschend unterstützen ihn Medien wie FAZ, Welt, Handelsblatt, Focus, Wirtschaftswoche etc. Hier meine konträre Meinung: 🧵1/n
Die Kalte Progression beschreibt den Effekt, dass der Einkommensteuertarif nominal formuliert ist. Der Durchschnittsteuersatz steigt also auch wenn das Einkommen nur nominal steigt. Das wird von Vielen als ungerecht empfunden. Bis dahin verständlich. 2/n
Nun haben wir solche Effekte auch bei anderen Steuern und Sozialleistungen. Oft fallen sie dort sogar stärker aus. Die Energiesteuer etwa ist eine Mengensteuer. Sie beträgt seit 2003 65,45 Cent pro Liter Benzin. Inflation seitdem kumuliert 30%. 3/n
Read 25 tweets
Jun 15
Übergewinnsteuer Teil 3, Ausgestaltung und rechtliche Aspekte: Ich bin Ökonom, kein Jurist, habe aber vor längerer Zeit eine Ausbildung im Steuerrecht gemacht und bis 2018 für 8 Jahre als Referent für Steuerpolitik im Bundestag gearbeitet. 1/x
Meine Erfahrung dort: Es macht wenig Sinn mit Menschen, die prinzipiell (z.B. weil sie Interessen vertreten) gegen eine Steuer sind über deren Ausgestaltung zu diskutieren. Zumindest solange nicht, wie Diese glauben, die Steuer noch komplett abwenden zu können. 2/x
Daher werde ich mit dem Folgenden Niemanden überzeugen, der bisher nicht davon überzeugt werden konnte, dass eine Übergewinnsteuer prinzipiell sinnvoll ist. 3/x
Read 25 tweets
Jun 14
Fortsetzung Übergewinnsteuer: Sieht man es makroökonomisch kommen weitere Argumente für die Steuer hinzu. Unter Anderem möchte der Bundesfinanzminister schon im kommenden Jahr wieder die Schuldenbremse einhalten. 1/x
Ich finde das falsch, aber er gewinnt auch keine Glaubwürdigkeit, indem er in diesem Jahr immer mehr Kredite aufnimmt, und gleichzeitig behauptet nächstes Jahr würde die Schuldenbremse auf jeden Fall gelten. 2/x
Vielmehr würde es Sinn ergeben schon jetzt einen kleinen Teil der Ausgaben für Unterstützungsmaßnahmen der Haushalte (die womöglich auch noch einmal ausgeweitet werden müssen) auch über Steuern und nicht vollständig über Kredite zu finanzieren. 3/x
Read 17 tweets
Jun 13
Ich muss mich mal zur Übergewinnsteuer äußern. Selbstverständlich kann man dazu unterschiedlicher Meinung sein, aber die Debatte ist aus meiner Sicht (die eines Ökonom und Befürworters) schon durch viele zweifelhafte oder sogar falsche Argumente geprägt. 1/x
Viele machen den Denkfehler, Gewinne als etwas in der Marktwirtschaft Wünschenswertes bezeichnen. Das ist aber nur das Gewinnstreben, nicht sein Erfolg. Im Idealfall sollte der Wettbewerb dafür sorgen, dass langfristig nur geringe Gewinne entstehen. 2/x
Ein Wohlfahrtsmaximum wird bekanntlich erreicht, wenn ein vollkommener Wettbewerb dafür sorgt, dass der Preis den Grenzkosten entspricht. Das bedeutet nicht, dass überhaupt keine Gewinne entstehen. Alle Unternehmen die günstiger produzieren machen dann immer noch Gewinne. 3/x
Read 23 tweets

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