#IchbinArmutsbetroffen|e kennen das:
Das Amt fordert Geld aufgrund eines lang zurückliegenden Fehlers bis heute zürück.
Häufig ist es dann zumindest zum Teil eine "Korrektur" nach §45 SGB X.
Aber nicht immer ist das zulässig.
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§45 SGB X wird zur Rücknahme eines Bescheids verwendet wenn, 1. es sich um einen begünstigenden Bescheid handelt
und 2. der Bescheid schon bei seinem Zugang falsch war.
Aber es gibt Einschränkungen in Abs2-4 - diese werden aber häufig ignoriert.
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§45 Abs4 SGB X beschränkt die Zeit in der das Jobcenter einen Bescheid für die Vergangenheit zurücknehmen kann auf ein Jahr nach der Kenntnis über die Fakten, die eine Rücknahme rechtfertigen.
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Beispiel:
Paul ist Aufstocker mit 100€/Monat, hat eine Steuererstattung von 2500€ bekommen und am 13.5.21 den Steuerbescheid eingereicht. Er denkt, dass es sich um Vermögen handelt.
Das Jobcenter reagiert nicht. Im Juni beginnt ein neuer Bewilligungsabschnitt.
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Der Bescheid ab Juni ist von Anfang an rechtswidrig, da es sich um ein Einmaleinkommen handelt, dass auf 6 Monate (Juni-November) verteilt anzurechnen gewesen wäre.
Wenn das Jobcenter nicht bis 14.5.22 eine Änderung nach §45 SGB X vornimmt, kann es nicht mehr zurückfordern.
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§45 Abs 3 SGB X beschränkt die Zeit der Rücknahme bei Bescheiden mit Dauerwirkung (nicht nur ein einmaliges Ge- oder Verbot) auf 10 Jahre.
Theoretisch könnte das Jobcenter daher noch heute Bescheide aus 2013 zurücknehmen.
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Der Vertrauensschutz nach §45 Abs2 SGB X schränkt die Möglichkeit zur Rücknahme für die Vergangenheit aber massiv ein.
Ein Bescheid darf im Regelfall nicht zurück genommen werden, wenn der Betroffene auf seine Richtigkeit vertraut hat und das Geld bereits ausgegeben hat.
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Die Ausnahmen, in denen man sich nicht auf Vertrauensschutz sind: 1. Wenn man das Amt getäuscht, bedroht oder bestochen hat 2. Wenn man bewusst oder grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat 3. Wenn man den Fehler kannte oder hätte kennen müssen.
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Wenn Vertrauensschutz gilt (weil keine Ausnahme greift), dann darf das #Jobcenter oder #Sozialamt das Geld, das fälschlicherweise gewährt wurde, nicht nach §45 SGB X zurückfordern.
Es kann aber bei laufendem Bewilligungszeitraum den Bescheid für die Zukunft korrigieren.
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Beispiel:
Paul bekommt nur die angemessene Miete (425€), da seine Wohnung mit 495€ um 70€ zu teuer ist. Nach dem WBA erhält er einen neuen Bescheid in dem 475€ übernommen werden. Er nimmt an die Mietobergrenze wurde erhöht.
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Der Fehler fällt später beim Jobcenter auf und dieses will die zu hoch gezahlte Miete zurückfordern.
Dies ist aber rückwirkend nicht mehr möglich, sondern nur eine Anpassung für die Zukunft.
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Bei Bescheiden mit Dauerwirkung (zB. Leistungsbescheid des Jobcenters) gibt es auch die Möglichkeit, dass diese nicht für die Vergangenheit, aber für die Zukunft zurückgenommen werden.
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Da die diesbezüglichen Einschränkungen des §45 Abs 3 (zeitlich) und §45 Abs2 S1 SGB II (Vertrauensschutz und Interessenabwägung) im Regelfall leider nicht greifen, ist die Änderung mit Wirkung für die Zukunft der Normalfall.
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Rechtsgrundlagen:
§45 SGB X
Bay LSG vom 19.6.2007 - L11 AS 347/06:
Zugang ist entscheidend darüber, ob Bescheid von Anfang an rechtwidrig war
Gas/Heizkostennachzahlungen für "Doppelverdiener"
- Beispielrechnung 5
Herr und Frau Z sind verheiratet.
Er arbeitet beim Bauhof (3000€ Brutto). Sie arbeitet Teilzeit als Verkäuferin (1200€ Brutto).
Sie müssen 900€ nachzahlen - gibt es Unterstützung?
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Ihre Wohnung kostet 750€ Kaltmiete, 120€ Nebenkosten und 130€ Heizkostenabschlag.
Sie selbst sagen, sie haben zusammen ein gutes Einkommen. Sie kommen klar, es bleibt auch was überig... die 900€ wären für sie zahlbar.
Aber müssen sie die Nachzahlung alleine aufbringen?
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Berechnung Alg2 (ohne Nachzahlung)
404€ Regelsatz Hr Z
404€ Regelsatz Fr Z
------
808€
Wohnen:
750€ Kalt
120€ Nebenkosten
130€ Heizung
-----
1000€
Gas/Heizkostennachzahlungen für "Gering-Normalverdiener"
- Beispielrechnung 4
Herr A ist alleinstehend und arbeitet als Stuckateur (2500€ Brutto).
Seine Wohnung kostet 450€Kalt, 70€Nebenkosten und 80€ Gasabschlag.
Er muss 700€ Gas nachzahlen - gibt es Unterstützung?
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Er selbst sagt, dass er zufrieden mit seinem Einkommen ist. Er kann keine großen Sprünge machen, muss aber nicht rechnen und legt monatlich ein bisschen was beiseite ... er könnte die 700€ zahlen.
Aber muss er dies alleine tun?
Viele #IchBinArmutsbetroffen|e arbeiten und beziehen aufstockende Sozialleistungen. Auch sie bekommen im September 300€ Energiepreispauschale aus dem letzten Entlastungspaket.
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Sie erhalten, wie alle anderen Erwerbstätigen 300€ Energiepreispauschale, die mit dem Bruttolohn für September ausgezahlt wird. Sie wird versteuert, wird aber bei den Sozialversicherungsabgaben nicht mitgerechnet.
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Die Berechnung der Heizkosten bei selbst beschafften Brennstoffen birgt für #IchbinArmutsbetroffen|e einige Fragen, denn es gibt keine Abschläge sondern nur unregelmäßige Rechnungen.
Wie läuft das denn nun korrekt ab?
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Die Frage nach der Berechnung der Heizkosten bei selbst beschafften und eingelagerten Brennstoffen stellt sich zumeist bei Eigentümern oder Mietern von Einfamilienhäusern.
Dies ist eine größere Gruppe beim #Jobcenter - vor allem im ländlichen Raum.
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Rechnungen für Heizstoffe wie Öl, Gas oder Kohle werden im Monat ihrer Fälligkeit voll zum Bedarf. Es ist nicht zulässig, diese auf mehrere Monate zu verteilen und "Abschläge" zu simulieren. Das hat das BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 20/18 R klar entschieden.
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Gas/Heizkostennachzahlungen für "Normalverdiener"
- Beispielrechnung 3
Herr und Frau J sind verheiratet. Die Kinder sind schon ausgezogen.
Sie arbeitet als Arzthelferin(2900€ Brutto). Er ist arbeitlos(kein Einkommen).
Sie müssen 900€ nachzahlen - gibt es Unterstützung?
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Ihre Wohnung kostet 600€ Kaltmiete, 80€ Nebenkosten und sie haben 80€ Gasabschlag gezahlt.
Sie selbst sagen, sie haben ein normales Einkommen. Sie kommen klar, übrig bleibt wenig... die 900€ würden schon weh tun.
Aber müssen sie die Nachzahlung alleine aufbringen?
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Gas/Heizkostennachzahlungen für "Besserverdiener"
- Beispielrechnung 2
Herr B und Frau J haben unverheiratet 2 gemeinsame Kinder (7;13). Er arbeitet als Bankkaufmann (4000€ Brutto), sie hat einen 450€-Job.
Sie müssen 1200€ nachzahlen - gibt es Unterstützung?
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Ihre Wohnung kostet 850€ Kaltmiete, 140€ Nebenkosten und sie haben 150€ Gasabschlag gezahlt.
Sie selbst sagen, sie haben ein sehr ordentliches Einkommen. Es bleibt sogar monatlich was übrig... sie könnten die 1200€ zahlen.
Aber müssen sie dies alleine tun?