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Sep 18 10 tweets 3 min read
Hunderte rechtextremer Fake Accounts führt der #Verfassungsschutz inzwischen.
 
„Das ist die Zukunft der Informationsbeschaffung“, sagt ein Leiter eines Landesamts für Verfassungsschutz.
 
Kleiner Recherche-🧵
Viele Rechtsradikale ahnen wahrscheinlich gar nicht, hinter wie vielen Accounts in ihren Chatgruppen bereits Agenten stecken, die unter einer „Legende“ posten. In solche „virtuellen Agenten“ hat der Geheimdienst seit 2019 massiv investiert.
Anlass war damals der Mord an Walter Lübcke. „Wir sollen mitschwimmen“, hat mir eine Agentin erzählt, die jetzt seit einem Jahr Fake Accounts führt, „gucken, was die anderen machen.“ Und, das ist das Besondere: auch selbst ein bisschen rechtsradikal spielen.
Denn das Ziel für den Verfassungsschutz ist, in die inneren Zirkel von gewaltbereiten Gruppen wie „Vereinte Patrioten“ hineinzukommen, dazu muss man sich Vertrauen erschleichen, „Freunde“ gewinnen, Beziehungen aufbauen.
Und: „Um wirklich glaubwürdig zu sein, reicht es nicht, Aussagen anderer zu teilen oder zu liken, man muss auch selber Aussagen tätigen.“ Das heißt, die Agenten pöbeln und hetzen auch mit. Bis zu einem gewissen Grad sind ihnen auch Straftaten erlaubt.
Allein beim Bundesamt für Verfassungsschutz gibt es inzwischen jeweils Dutzende virtuelle Agenten für die einzelnen „Phänomenbereiche“, das heißt für die rechte, die linke, die islamistische und neuerdings auch die verschwörungsideologische Szene.
Hinzu kommen alle Landesämter, von Bayern bis Schleswig-Holstein, die gemeinsam auf virtuelle Agenten setzen, v.a. um in rechte Zirkel hineinzukommen. Es sind so viele, dass sie sich bereits bundesweit absprechen, damit sie sich nicht gegenseitig ausforschen.
Aber auch die vielen Menschen, die Opfer von rechter Online-Hetze sind, würden wahrscheinlich Augen machen, wenn sie wüssten, was da im staatlichen Auftrag inzwischen so alles gepostet und geliket wird.

Es ist nicht wenig.
„Natürlich, ich bestärke Menschen in ihrem Weltbild“, hat mir die Agentin gesagt, die online eine Rechtsradikale spielt. Ihre Arbeit sei nun mal darauf ausgerichtet, das Interesse und die Sympathie von Rechten zu gewinnen, das heißt, „dass man diese Bubble füttert“.
So ist die Lage in diesem Herbst 2022, in dem der Online-Hass schon wieder hochbrodelt.
 
Meine Recherche auf #SeiteDrei der @SZ oder digital hier – illustriert by the marvellous Mr. @illutrov sueddeutsche.de/projekte/artik…

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Aug 21
Das ist Benno S., inhaftiert in Berlin, weil er seine Geldstrafe nicht bezahlen kann.

Warum macht er dann nicht einfach Sozialstunden? Es MUSS doch keiner wegen ein paar Euro Strafe, die er als Hartz-IV-Empfänger nicht leisten kann, in den Knast!?

Thread 🪡
Antwort: Das darf er nicht. Er ist 63 Jahre alt, davon hat er 17 Jahre in Psychiatrien verbracht. Laut Gutachten des Jobcenters ist er zu null Prozent arbeitsfähig.
Menschen wie er, die wegen Zahlungsunfähigkeit inhaftiert werden, kommen heute zu 40 Prozent aus der Obdachlosigkeit. Zwei Drittel von ihnen sind abhängig von Alkohol oder Drogen.
Read 8 tweets
Aug 14
Ich mag Avitall Gerstetter. Sie ist die Kantorin der @NeueSynagogeBLN in der Oranienburger Str., erste Frau in diesem Amt in Deutschland, eine sehr individuelle Sängerin. Aber was sie da in der @Welt schreibt an Verächtlichkeiten über Konvertiten zum Judentum, geht gar nicht. 1/
Aufhänger ist Avitalls Entsetzen über den Fall Walter Homolka, über den jüngst zuerst die @welt berichtete. Zum Hintergrund: Homolka ist der Rabbiner, gegen den derzeit Ermittlungen laufen, weil er Rabbinatsstudenten sexuell bedrängt haben soll. 2/
Avitall weist nun darauf hin: Homolka ist, was eigtl. wenig zur Sache tut, Konvertit. Das ist nicht selten im deutschen Judentum. Der langjährige Generalsekretär des @ZentralratJuden, @Stjkramer, ist auch Konvertit. Die Rabbinerin Gesa Ederberg von der @NeueSynagogeBLN auch. 3/
Read 19 tweets
Aug 13
Sehr bedenklich, was diese hervorragende @derspiegel-Recherche nebenbei über Amtsgerichte erzählt:

- Der notorische Reichsbürger Klaus Maurer, Autor des Szene-Bestsellers „Die BRD-Gmbh“ (2012), hat bis 2022 bundesweit als psychiatrischer Gerichtsgutachter arbeiten können. 1/
Offenbar erst 2020 ist ein Gericht in #Offenbach misstrauisch geworden - aber statt ihn aus dem Verkehr zu ziehen (bei der Kammer anzeigen, Rundschreiben an alle Gerichte), damit Bürger*innen sich nicht länger von einem Verschwörungs-Hetzer beurteilen lassen müssen… 2/
… hat man ihn dort wohl bloß nicht mehr beauftragt, achselzuckend. Schon im benachbarten #Frankfurt am Main hat er munter weiter Aufträge vom Gericht bekommen, und in anderen Städten auch. 3/
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Jul 28
Ein 42 Jahre alter Gefangener in der JVA Halle hat sich das Leben genommen. Er saß nur wegen einer sog. #Ersatzfreiheitsstrafe ein, also weil er zahlungsunfähig war.

@MarcoBuschmann, wir müssen reden.

dubisthalle.de/musste-ersatzf…
Das Erlebnis, in ein Gefängnis eingewiesen zu werden, seine persönlichen Gegenstände und die Kontrolle über sein Leben abgeben zu müssen - dieses Erlebnis machen heute mehr Menschen wegen einer bloßen nicht bezahlten Geldstrafe als wegen einer Freiheitsstrafe.
Die sog. #Ersatzfreiheitsstrafe für Arme ist der häufigste Grund für Gefängnis in Deutschland geworden. An diesem Skandal wird die🚦nichts ändern, solange sie nur die Dauer der jeweiligen Haft halbiert, wie es bisher von @MarcoBuschmann geplant ist.
Read 7 tweets
Jul 23
Hola @bild, ich nehme an, euch war nicht bewusst, was es mit dem Wort „Mauscheln“ auf sich hat, das ihr für den Bericht über @c_lindner verwendet. Drum erklär ich's kurz. #antisemitismus
Oft wird das Wort ohne böse Absicht verwendet - für schummlerisches Geschäftemachen. Aber es ist entstanden im 17. Jahrhundert, es ist abgeleitet von “Mauschel“, einer jiddischen Form des Vornamens Moses (auf Hebräisch „Moshe“).
Dieser Name wurde damals im deutschsprachigen Raum als Spottname für jüdische Händler oder auch allgemein für arme Juden hergenommen. Als „Übername“, wie Sprachwissenschaftler*innen sagen. So wie später - und ähnlich abfällig - auch „Ali“ für Türken.
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Jul 17
Die Herabstufung von „Schwarzfahren" zur Ordnungswidrigkeit bringt nichts. Damit würde das soziale Problem eher noch verschärft. Aus zwei Gründen.🧵
Erstens: Ein Ordnungswidrigkeit-Bußgeld von zum Beispiel 100 Euro wird von dem einem als viel empfunden, von dem anderen als wenig. Bei Ordnungswidrigkeiten wird auf das individuelle Einkommen aber keine Rücksicht genommen.
Zweitens: Wer sein Bußgeld nicht bezahlen kann (weil zu arm), landet dann doch wieder im Gefängnis. So wie auch jetzt schon. Das nennt sich Zivilhaft. Es hat sogar den zusätzlichen Nachteil, dass die Schulden danach nicht „abgesessen“ sind. Sie sind weiterhin da.
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