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Oct 13 17 tweets 6 min read
Heute berichtet @schieritz über die Entlastungswirkungen der von der #Gaskommission vorgeschlagenen #Gaspreisbremse für Haushalte.
Ein paar Ergänzungen– auch zu der Debatte, die hier auf #Econtwitter über die Gerechtigkeit der #Gaspreisbremse tobt. 🧵 1/
Zunächst: Die Gaspreisbremse für Haushalte wird einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung von Konjunktur und Gesellschaft leisten. Die Kaufkraft wird um 35 Mrd. € gestützt, was 1 % BIP-Wachstum ausmachen könnte, die Inflationsrate dürfte zwei Prozentp. niedriger ausfallen. 2/
Nach unseren Berechnungen übernimmt der Staat durch die Gaspreisbremse im Schnitt etwas mehr als 40 Prozent der Heizrechnung aller Haushalte, die mit Gas heizen (unter der Annahme, dass sie ihren Vorjahresverbrauch nicht reduzieren). 3/
Diese prozentuale Entlastung ist unabhängig vom Gasverbrauch und den Einkommen, und gilt damit für Menschen in einer 60-Quadratmeter-Wohnung genauso wie für jene mit einem alten, schlecht isolierten Haus auf dem Land oder mit einer großen Villa mit deutlich höherem Verbrauch. 4/
Dies ist ein großer Beitrag, um über den Winter Zahlungsausfälle und finanzielle Not bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein zu verhindern. 5/
Hier wurde etwa von @fuestclemens angezweifelt, ob es fair und zielgerecht sei, mit der #Gaspreisbremse nur die Haushalte mit Gasheizung so zu entlasten, nicht aber jene mit Heizöl oder Wärmepumpen. Die Antwort ist: JA. 5/
Der Grund ist, dass die Heizkosten bei Gas ohne Bremse absehbar sich vervierfacht hätten, beim Heizöl aber nur etwas mehr als verdoppelt hätten. Die Gaspreisbremse stellt so Gerechtigkeit her zwischen Gashaushalten und Ölheizungshaushalten. 6/
Klar, die Gaspreisbremse ist nicht perfekt. Die prozentuale Übernahme der Heizkosten basierend auf dem Schätzverbrauch bedeutet aber auch, dass Haushalte mit hohem Verbrauch in Euro gerechnet stärker entlastet werden als Haushalte mit niedrigem Verbrauch. 7/
Und während es auch bei Geringverdienern Haushalte mit hohem Gasverbrauch gibt, kommen solche Haushalte in oberen Einkommensdezilen häufiger vor. Deshalb werden im Durschschnitt die Haushalte mit hohen Einkommen in Euro gerechnet stärker entlastet als die GeringverdienerInnen. 8/
Deshalb kommt im Durchschnitt etwa bei 1-Personen-Haushalten im obersten Einkommensdezil eine Entlastung von 1376 € an, im untersten Dezil 893 €. Der Unterschied zwischen Entlastung in der Mitte und oben wird geringer: In der Mitte liegt die Entlastung bei ca. 1150 €. 9/
Dieses Problem zu lösen ist nicht einfach, weil es keine Informationen über Haushaltsgrößen gibt, die man schnell nutzen könnte. Auch wissen Versorger nicht, ob hinter einem Anschluss eine Villa mit Privatschwimmbad oder ein Mehrfamilienhaus mit 10 Mietsparteien steckt. 10/
Die #Gaskommission hat diese Problematik erkannt und deshalb einen deutlichen Prüfauftrag an die Bundesregierung gegeben, wie man die Entlastung zumindest bei Haushalten mit extremem Energieverbrauch begrenzen kann. 11/
Eine im Kommissionsbericht genannte Möglichkeit wäre eine Höchstzahl an Kilowattstunden, die als Grundkontingent gutgeschrieben werden.
Dass die Kommission dafür aber noch keine technische Lösung gefunden hat, ist wenig verwunderlich. 12/
Selten hat eine Regierung eine Expertenkommission derart unter Zeitdruck gesetzt. Am Ende gab es neben virtuellen Treffen ein einziges (!) Präsenztreffen, das von Samstag Morgen bis in den frühen Montagmorgen ging, bevor die Vorschläge vorliegen sollten. 13/
Hätte die Regierung sich früher durchgerungen, auf die absehbare Kostenkrise beim Gas zu reagieren (@IsabellaMWeber und ich warnen seit dem Frühjahr), wäre mehr Zeit gewesen und die Kommission hätte auch noch diese Frage beantwortet. 14/
Die Regierung darf den Prüfauftrag der Fördergrenzen für wohlhabende Energieverschwender jetzt nicht ignorieren, sonst droht am Ende eine soziale Schieflage der Entlastungen und Skandalisierungspotenzial durch Populisten. 15/
Hier ist jetzt die Regierung mit ihren Ministerialapparaten gefragt, schnell eine praktikable Lösung zu erarbeiten.
Wenn das nicht gelingt, ist das Verantwortung der Regierung, nicht der Kommission. /END
@Mfratzscher @GrimmVeronika @alexbercht @j_e_thie @achimtruger @gustavahorn

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More from @SDullien

Oct 11
When Germany announced to spend up to €200bn on gas price caps, there was an outcry in some #EU partner states.
Yesterday, a government-appointed commission made proposals how to implement them. A few explanations for the English speaking community. 1/
The commission has proposed a gas cost capping system both for the household and the business/industry sector. I will focus on the household sector here, with more to come on the business sector in the coming days. 2/
Background of all this is that retail natural gas prices for private households have roughly doubled since 2021 (and against long-term average) and are set to double once more (making it a total >300 % increase) would the government not intervene. 3/ Image
Read 20 tweets
Oct 10
Die Kommission zum #Gaspreisdeckel hat heute einen ersten Vorschlag vorgelegt, wie Haushalte und Unternehmen angesichts des hohen Gaspreises entlastet werden könnten. Ein 🧵 zu den Vorschlägen für Privathaushalte (weil ich dazu am meisten gearbeitet habe). 1/
Vorweg: Der Vorschlag ist eine gute pragmatische Lösung, wie man schnell die Haushalte entlasten kann.
Im Dezember soll eine Abschlagszahlung vom Bund übernommen werden, ab dem Frühjahr über einen Rabatt der Preis für einen Grundverbrauch 2/
von 80% des geschätzten Verbrauchs (über die Abschlagschätzung) zu einem Preis von 12 Ct garantiert werden.
Der Vorschlag erfüllt die wichtigsten Kriterien, für die @IsabellaMWeber und ich im Frühjahr eine erste Version des Gaspreisdeckels vorschlugen. 3/
wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/20…
Read 19 tweets
Oct 8
Heute Schreiben von unserem Energieversorger (Fernwärme) bekommen. Im Neukundentarif würden wir nun mehr als sechsmal so viel bezahlen als bisher, fast 7000 € mehr.

Wie man uns mitteilt würde das Absenken der Heiztemperatur um ein Grad davon 29 € (!) sparen. 1/ Image
Zwei Punkte: 1) Was man mit diesem (nun gesetzlich vorgeschriebenen) Schreiben anfangen soll, ist mit unklar (und den meisten EmpfängerInnen wahrscheinlich noch viel mehr).

2) Bei dem Tarif ist der Anreiz zum Energiesparen natürlich ein Witz. Wer wird für 58 € bei einer 2/
Gesamtrechnung von >8000 € seine Heizung für den Winter zum zwei Grad runterdrehen? /END
Read 4 tweets
Oct 6
Noch eine kleine Ergänzung zu meinem Thread unten:
Warum Auszahlung basierend auf dem Verbrauch des Vorjahres (ebenfalls Vorschläge, die diskutiert werden) oder große Einmalzahlungen an Gashaushalte derzeit nicht ideal sind: 1/
Der Gaspreis ist derzeit sehr volatil. Wir wissen nicht, ob dieser in 4 Monaten bei 100 oder bei 300 € pro MWh liegt. 2/
Ein Gaspreisdeckel für den Grundverbrauch „atmet“ mit dem Gaspreis: Wenn der allgemeine Gaspreis fällt, schrumpfen die Subventionen. Wenn der Gaspreis steigt, wird mehr subventioniert. Die Haushalte gewinnen dadurch Planungssicherheit, 3/
Read 6 tweets
Oct 6
Hier auf #Econtwitter ist zuletzt heftig diskutiert worden, wie ein #Gaspreisdeckel / #Gaspreisbremse auszugestalten sei, insbesondere, ob ein Grundkontingent in kWh (pro Haushalt oder pro Person) oder Kontingent orientiert am Vorjahresverbrauch (etwa 80 %) besser sei. Ein 🧵/1
Vorweg: Beide Lösungen wären derzeit super. Es kommt jetzt darauf an, die Haushalte schnell und wirksam zu entlasten. Beide Ansätze leisten das, und darum wäre es klasse, wenn am Ende der #Gaspreiskommission eine Lösung steht, die diesen nahe kommt. 2/
(Für alle neu in der Debatte zur Erläuterung: Die Idee beim #Gaspreisdeckel ist, dass eine bestimmte Menge subventioniert abgegeben wird, darüber aber ein höherer Preis greift, um die Anreize zum Energiesparen über höhere Grenzpreise hoch zu halten.) 3/
Read 24 tweets
Sep 26
In der Diskussion um den #Gaspreisdeckel für den Grundverbrauch (wie von @IsabellaMWeber und mir vorgeschlagen) wurde hier kürzlich gefragt, was die Logik sei, nur Haushalte mit Gasheizung zu entlasten und nicht die breite Bevölkerung, etwa über Einmalzahlungen. 1/
Die Antwort ist: Weil Haushalte mit Gasheizung ganz massiv stärker durch den Energiepreisanstieg belastet sind. Um das zu illustrieren, habe ich eine kleine Beispielrechnung zu den reinen Brennstoffkosten angefertigt. 2/
Verglichen werden zwei Wohnungen mit 120 qm Wohnfläche, eine mit Gas-, die andere mit Ölheizung. Für den Verbrauch werden gängige Durchschnittswerte von 15 Liter Heizöl pro qm und Jahr und 160 KWh Gas pro qm und Jahr angenommen. 3/
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