Kritik an der von @MarcoBuschmann vorgeschlagenen Halbierung der #Ersatzfreiheitsstrafe kommt jetzt aus unerwarteter Richtung. Voilà: die Gefängnisdirektoren. Selbst sie erläutern, warum diese Reform nicht weit genug gehe. 🧵
Die Vereinigung der Gefängnisdirektoren heißt "Bundesvereinigung der Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleiter", sie hat jetzt eine Stellungnahme zum Referentenentwurf des @bmj_bund an das Ministerium übersandt.
Kurz gesagt, man muss dafür sorgen, dass künftig *weniger* Menschen wegen einer nicht gezahlten Geldstrafe in Haft kommen. Nicht bloß dafür, dass diese Menschen künftig schneller durchgeschleust werden.
In der Stellungnahme heißt es u.a.: „Nach Auffassung der Bundesvereinigung wird die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafen- Vollstreckung ... nicht zu signifikanten Einsparungen in den Staatshaushalten führen. Mit der Halbierung können – entgegen oftmaliger Darstellung …“
„…in der Politik – nicht die Äquivalente der Gesamtkosten eines Hafttages eingespart werden, da der Rückgang der Inhaftiertenrate nicht dazu führen wird, dass Gefängnisse geschlossen oder Personal freigesetzt werden können.“
„Die Gefängnisinfrastruktur muss daher weiter aufrechterhalten werden, sodass Einsparungen allenfalls im wesentlich geringeren Bereich von Verpflegungs- oder Sachkosten entstehen.“
Schlimmer noch: Die Gefängnisleiter befürchten, dass manche Gerichte künftig von vornherein doppelt so hohe Geldstrafen (also doppelt so viele Tagessätze) verhängen könnten - weil sie die spätere Halbierung bei der Übersetzung in Haft antizipieren.
„In einigen Bundesländern wurden zur Verringerung von Inhaftiertenraten bei der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen Vollstreckungsunterbrechungen nach der Hälfte der Zeit vorgenommen und wieder verworfen. ...“
„In einigen Fällen war die Folge, dass die staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Praxis zu einer Erhöhung der Anzahl der Tagessätze übergegangen ist, da die Auffassung vertreten wurde, das jeweilige Delikt rechtfertige im Vollstreckungsfall ...“
„… die auch bisher dafür schon in Ansatz gebrachte Anzahl von Tagen. Eine solche Entwicklung ist bei einer dauerhaften gesetzlich normierten Halbierung der Zahl der Vollstreckungstage ebenfalls zu erwarten.“
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Hunderte rechtextremer Fake Accounts führt der #Verfassungsschutz inzwischen.
„Das ist die Zukunft der Informationsbeschaffung“, sagt ein Leiter eines Landesamts für Verfassungsschutz.
Kleiner Recherche-🧵
Viele Rechtsradikale ahnen wahrscheinlich gar nicht, hinter wie vielen Accounts in ihren Chatgruppen bereits Agenten stecken, die unter einer „Legende“ posten. In solche „virtuellen Agenten“ hat der Geheimdienst seit 2019 massiv investiert.
Anlass war damals der Mord an Walter Lübcke. „Wir sollen mitschwimmen“, hat mir eine Agentin erzählt, die jetzt seit einem Jahr Fake Accounts führt, „gucken, was die anderen machen.“ Und, das ist das Besondere: auch selbst ein bisschen rechtsradikal spielen.
Das ist Benno S., inhaftiert in Berlin, weil er seine Geldstrafe nicht bezahlen kann.
Warum macht er dann nicht einfach Sozialstunden? Es MUSS doch keiner wegen ein paar Euro Strafe, die er als Hartz-IV-Empfänger nicht leisten kann, in den Knast!?
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Antwort: Das darf er nicht. Er ist 63 Jahre alt, davon hat er 17 Jahre in Psychiatrien verbracht. Laut Gutachten des Jobcenters ist er zu null Prozent arbeitsfähig.
Menschen wie er, die wegen Zahlungsunfähigkeit inhaftiert werden, kommen heute zu 40 Prozent aus der Obdachlosigkeit. Zwei Drittel von ihnen sind abhängig von Alkohol oder Drogen.
Ich mag Avitall Gerstetter. Sie ist die Kantorin der @NeueSynagogeBLN in der Oranienburger Str., erste Frau in diesem Amt in Deutschland, eine sehr individuelle Sängerin. Aber was sie da in der @Welt schreibt an Verächtlichkeiten über Konvertiten zum Judentum, geht gar nicht. 1/
Aufhänger ist Avitalls Entsetzen über den Fall Walter Homolka, über den jüngst zuerst die @welt berichtete. Zum Hintergrund: Homolka ist der Rabbiner, gegen den derzeit Ermittlungen laufen, weil er Rabbinatsstudenten sexuell bedrängt haben soll. 2/
Avitall weist nun darauf hin: Homolka ist, was eigtl. wenig zur Sache tut, Konvertit. Das ist nicht selten im deutschen Judentum. Der langjährige Generalsekretär des @ZentralratJuden, @Stjkramer, ist auch Konvertit. Die Rabbinerin Gesa Ederberg von der @NeueSynagogeBLN auch. 3/
Sehr bedenklich, was diese hervorragende @derspiegel-Recherche nebenbei über Amtsgerichte erzählt:
- Der notorische Reichsbürger Klaus Maurer, Autor des Szene-Bestsellers „Die BRD-Gmbh“ (2012), hat bis 2022 bundesweit als psychiatrischer Gerichtsgutachter arbeiten können. 1/
Offenbar erst 2020 ist ein Gericht in #Offenbach misstrauisch geworden - aber statt ihn aus dem Verkehr zu ziehen (bei der Kammer anzeigen, Rundschreiben an alle Gerichte), damit Bürger*innen sich nicht länger von einem Verschwörungs-Hetzer beurteilen lassen müssen… 2/
… hat man ihn dort wohl bloß nicht mehr beauftragt, achselzuckend. Schon im benachbarten #Frankfurt am Main hat er munter weiter Aufträge vom Gericht bekommen, und in anderen Städten auch. 3/
Ein 42 Jahre alter Gefangener in der JVA Halle hat sich das Leben genommen. Er saß nur wegen einer sog. #Ersatzfreiheitsstrafe ein, also weil er zahlungsunfähig war.
Das Erlebnis, in ein Gefängnis eingewiesen zu werden, seine persönlichen Gegenstände und die Kontrolle über sein Leben abgeben zu müssen - dieses Erlebnis machen heute mehr Menschen wegen einer bloßen nicht bezahlten Geldstrafe als wegen einer Freiheitsstrafe.
Die sog. #Ersatzfreiheitsstrafe für Arme ist der häufigste Grund für Gefängnis in Deutschland geworden. An diesem Skandal wird die🚦nichts ändern, solange sie nur die Dauer der jeweiligen Haft halbiert, wie es bisher von @MarcoBuschmann geplant ist.
Hola @bild, ich nehme an, euch war nicht bewusst, was es mit dem Wort „Mauscheln“ auf sich hat, das ihr für den Bericht über @c_lindner verwendet. Drum erklär ich's kurz. #antisemitismus
Oft wird das Wort ohne böse Absicht verwendet - für schummlerisches Geschäftemachen. Aber es ist entstanden im 17. Jahrhundert, es ist abgeleitet von “Mauschel“, einer jiddischen Form des Vornamens Moses (auf Hebräisch „Moshe“).
Dieser Name wurde damals im deutschsprachigen Raum als Spottname für jüdische Händler oder auch allgemein für arme Juden hergenommen. Als „Übername“, wie Sprachwissenschaftler*innen sagen. So wie später - und ähnlich abfällig - auch „Ali“ für Türken.