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Nov 22, 2022 19 tweets 9 min read Read on X
Manche, wie hier der bayerische Ministerpräsident, verbreiten ein Bild von #Erbschaften und der #Erbschaftsteuer, das Ängste schürt und falsche Behauptungen beinhaltet.
Erbschaften bleiben ein riesiges Privileg, vor allem für einige wenige.

Ein🧵mit Fakten zu Erbschaften in 🇩🇪:
Fakten zu Erbschaften/Schenkungen #1: 

Über die Hälfte aller private Vermögen in Deutschland wurde nicht durch die eigenen Hände Arbeit geschaffen, sondern geerbt oder geschenkt bekommen — Tendenz steigend. papers.ssrn.com/sol3/papers.cf…
Fakten zu Erbschaften/Schenkungen #2: 

Erbschaften und Schenkungen in Deutschland nehmen zu: Sie sind seit 2002 um 20 % gestiegen, da die Nachkriegsgeneration nun ihr Vermögen (meist an ihre Kinder) weitergibt. 

Unser @DIW_Berlin Wochenbericht: diw.de/de/diw_01.c.80…
Fakten zu Erbschaften/Schenkungen #3: 

Erbschaften und Schenkungen sind ungleich verteilt: 10% haben in 2002-17 einen solchen Transfer bekommen, davon wiederum die obersten 10% die Hälfte aller Transfers erhalten.
Fakten zu Erbschaften #4: 

Deutschlands Erben gehören auch so schon zu den Privilegierten, es sind meist: 

⁃Männer 
⁃Im mittleren/höheren Alter (55-74) 
⁃Aus Westdeutschland
⁃Mit hohem Vermögen 
⁃Mit hohem Einkommen 
⁃Mit guter Bildung.
Fakten zu Erbschaften #5: 

Interessanter Unterschied bei #Erbschaften zwischen Westdeutschland und Ostdeutschland: Nicht nur haben Menschen im Westen eine höhere Wahrscheinlichkeit etwas zu erben, sondern wenn sie dies tun, dann ist die Summe fast doppelt so hoch, wie im Osten.
Fakten zu Erbschaften #6: 

Erbschaften und Schenkungen erhöhen die absolute Ungleichheit von Vermögen und Einkommen. Zwei Drittel aller Erbschaften gehen an die 20% der Menschen mit den höchsten Vermögen.
Fakt #7: 

Bis zu 400 Mrd. Euro werden in Deutschland jedes Jahr vererbt oder verschenkt. Der deutsche Staat nahm 2019 7 Milliarden € an Erbschaftsteuern ein, ca. 2% der vererbten Summe. 

Viele der Fakten hier kommen von S Bach, M. Grabka u.a. DIW.
diw.de/documents/publ…
Fakten zu Erbschaften #8: 

Bei Erbschaften von Unternehmen geht es häufig nicht um die Sicherung deren Existenz. 
Denn: 
Von €144 Milliarden steuerfreien Unternehmensübertragungen (2011-14) gingen €37 Milliarden an Minderjährige. €29,4 Mrd. erhielten 90 Kinder unter 14 Jahre.
Fakten zu Erbschaften #9: 

Zwei Drittel der Erbschaften von Unternehmen gehen an männliche Erben. Auch bei hohen Erbschaften waren Frauen benachteiligt. Dies signalisiert: bei Erbschaften geht es häufig um Ansprüche, Traditionen und Besitzstandswahrung.

diw.de/documents/publ…
Fakten zu Erbschaften #10: 

43 % der Vermögen von Millionären sind Betriebsvermögen, 40 % Immobilien. Erbschaften von Betriebsvermögen werden kaum steuerlich belastet um die Substanz der Unternehmen nicht zu gefährden.
Fakten zu Erbschaften #11: 

Erb*innen von bis zu 500.000 € zahlen durchschnittlich mehr als 10 % Erbschaftsteuer. Erb*innen von mehr als 20 Millionen € zahlen durchschnittlich 1,8 %. (2011-14) 

diw.de/documents/publ…
Dass große Erbschaften häufig steuerlich wenig belastet werden stößt bei einigen auf Widerstand und Ablehnung.
Fazit:

Wir brauchen eine sachliche Debatte, wie wir mit der steigenden #Ungleichheit von Vermögen und Chancen durch #Erbschaften umgehen und möglichst viele Menschen eine #Teilhabe ermöglichen. #Chancengleichheit 

(NB Wegen Verfügbarkeit sind einige der Statistiken hier älter.)
Meine Einordnung zu Erbschaften findet sich in meiner Kolumne @zeitonline:
zeit.de/wirtschaft/202…
Wie soll die Politik mit Erbschaften & Schenkungen umgehen? Welche Optionen es gibt: 

1.Alles so lassen, wie es ist. — Das Bundesverfassungsgericht könnte aber die neue Erbschaftsteuerregelung kippen und somit eine neue Lösung erforderlich machen.
2. Ausnahmen reduzieren und auch große Erbschaften & Schenkungen zum gegenwärtigen Steuersatz belasten. — Die Gefahr kann eine Substanzbesteuerung und Schaden für die Unternehmen.
3. Eine „flat-tax“ #Erbschaftsteuer von zB 10 %, plus Freibeträge für kleine Erbschaften und großzügige Stundungsmöglichkeiten um eine Substanzbesteuerung zu vermeiden. — Dies würde eine grundlegende Erbschaftsteuerreform erfordern.
4. Allen jungen Menschen das Glück einer Erbschaft ermöglichen durch ein #Lebenschancenerbe, bei dem jeder junge Mensch nach Ende der Ausbildung 30.000 € für ihre/seine berufliche und private Zukunft erhält. Der Vorschlag hier:

zeit.de/wirtschaft/201… 
ENDE.

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Apr 8
Der #Crash an den Aktienmärkten ist kein Grund zur Panik: er ist klein im Vergleich zum #Boom der vergangenen Jahre. Selbst die Korrektur jetzt bedeutet, dass die meisten noch dicke Gewinne über die letzten Jahre gemacht haben. (Siehe Grafiken)

🧵 1/n Image
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Der Crash an den Börsen ist in erster Linie ein Misstrauensvotum über die wirtschaftliche Zukunft. Er hat unmittelbar (!) wenig Einfluss auf die Realwirtschaft, solange er die Finanzstabilität nicht gefährdet und die Finanzierungsbedingungen nicht verschlechtert.
Der Crash an den Aktienmärkten kann sich negativ auf den privaten Konsum auswirken, weil Aktien Vermögenswerte darstellen, die zum Teil für den privaten Konsum genutzt werden.
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Apr 5
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Meine Kolumne mit J. Dräger:

zeit.de/wirtschaft/202…
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1/n
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