Tiergartenstraße 4, Gedenkort T4. Die Lebenswege einer Täterin und eines Täters: Friederike #Pusch (* 1905, † 1980) und Friedrich #Tillmann (* 1903, † 1964) waren unter dem NS-Regime jeweils in leitender Position an den so genannten "Euthanasie"-Verbrechen beteiligt.

#Berlin ImageImageImage
Friederike #Pusch, ausgebildete medizinisch-technische Assistentin, trat im Jahr 1933 der NSDAP bei, nachdem sie ihr Medizinstudium begonnen hatte. Sie arbeitete seit den 30 Jahren mit Hans #Heinze (* 1895, † 1983) zusammen, einem frühen der Aktivisten der NS-"Euthanasie".
Sie leitete ab dem Jahr 1942 die "Kinderfachabteilung" in Brandenburg-Görden - und damit die älteste Abteilung, in der unter dem Naziterror gezielt Kinder ab dem Säuglingsalter ermordet wurden. Frau Pusch stieg im NS-Staat (gezielt protegiert) bis zur Obermedizinalrätin auf.
Friederike #Pusch wirkte nach dem Ende des NS-Regimes als Psychiaterin in der DDR u. a. an der Universitätsnervenklinik Halle und an der Poliklinik Blankenburg. Sie verstarb im Jahr 1980, ohne für ihre Verbrechen unter dem Naziterror strafrechtlich belangt worden zu sein.
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR hatte seine Untersuchungen gegen Friederike #Pusch trotz wiederholter und eindeutig belastender Aussagen von Zeuginnen und Zeugen zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt eingestellt.

Vita incl. Foto: t4-denkmal.de/Friederike-Pus… Image
Friedrich #Tillmann gehörte in den 20er Jahren zeitweise der NSDAP an und pflegte eine enge Bekanntschaft zu Viktor Hermann #Brack (* 1904, † 1948), der in späterer Zeit in der "Kanzlei des Führers" die so genannten "Euthanasie"-Morde an Patientinnen und Patienten organisierte.
Friedrich #Tillmann trat im Jahr 1933 erneut in die NSDAP ein und stieg im Laufe der Zeit bei der Stadt Köln zum Leiter der gesamten Waisenhauspflege auf. Die Anwerbung durch Viktor Hermann #Brack für eine reibungslose Durchführung der "Euthanasie"-Morde erfolgte im Jahr 1940.
Die Leitung der Büroabteilung in der Tiergartenstraße 4 oblag ihm ebenso wie die systematische Falschbeurkundung im Zuge der "Euthanasie"-Verbrechen durch eingerichtete Sonderstandesämter - wobei Friedrich #Tillmann auch weiterhin die Waisenhauspflege der Stadt Köln leitete.
Friedrich #Tillmann wirkte bis zum August 1941 in der Tiergartenstraße 4 und wurde nach dem Ende des NS-Regimes als Direktor der Waisenhauspflege der Stadt Köln entlassen - und ein Strafverfahren gegen ihn wegen Beihilfe zum Mord wurde erst im Jahr 1960 eingeleitet.
Das Verfahren wurde eingestellt, nachdem Friedrich #Tillmann im Jahr 1964 beim Sturz aus einem Fenster umgekommen war - wobei nie ermittelt werden konnte, ob er sich das Leben genommen hatte oder einem Unfall erlag.

Vita incl. Foto: t4-denkmal.de/Friedrich-Till… Image
Ausblicke am heutigen "Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen 'Euthanasie'-Morde" in der Tiergartenstraße 4, also am einstigen zentralen Tatort für die Planung der genannten Verbrechen.

Website: gedenkort-t4.eu/de ImageImage
(Thread abgesetzt zur zeitgeschichtlichen Information - und weil das Team von @aufpolieren in diesem Monat gezielt über Täterinnen und Täter der NS-Zeit und ihr Leben nach 1945 twittert.) Image

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Nov 30
Gedenk- und Bildungsstätte "Haus der Wannseekonferenz". Erinnerung an Andrée #Geulen (* 1921, † 2022), belgische Lehrerin, unter dem NS-Regime im Widerstand mit lebensrettender Hilfe für sehr viele jüdische Kinder, verstorben vor exakt einem halben Jahr am 31. Mai 2022. #Berlin ImageImageImage
Andrée #Geulen widersetzt sich dem Naziterror bereits als junge Frau in ihrem Alltag als Lehrerin in Bruxelles und arbeitet dann Hand in Hand mit belgischen Widerstandsgruppen - als 'Claude Fournier', also unter einem Tarnnamen. Die Hilfe, die sie leistet, gilt vor allem Kindern.
Ida #Sterno (geb. 1902, gest. 1964), eine jüdische Widerstandskämpferin aus dem "Comité de Défence des Juifs", wird ihr wichtigster Kontakt. Die Frauen organisieren die versteckte Unterbringung von jüdischen Kindern und Jugendlichen in vielen christlichen Familien und Klöstern.
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Nov 20
"Dann bleibste hier."

Schönhauser Allee 90, 20. November 1942: Abend in #Berlin - und es klingelt bei Frieda #Adam, die hier lebt. Erna #Putermann steht vor dem Haus, eine jüdische Freundin, verzweifelt und auf der Flucht vor dem Naziterror - und Frieda Adam öffnet die Tür. #otd
Erna #Putermann ist nahezu am Ende und weint, da ihre Mutter am vorherigen Tag von der Gestapo verhaftet worden ist. Sie weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sie einander nie wiedersehen werden: Die Mutter von Erna #Putermann wird unter dem NS-Regime deportiert und ermordet.
Sie berichtet nun ihrer Freundin atemlos, dass ihre Mutter "mitgenommen" wurde - und Frieda #Adam entgegnet sogleich: "Dann bleibste hier." Sie hat drei kleine Kinder und in ihrer kleinen Wohnung kaum noch Platz, aber sie nimmt Erna Putermann bei sich auf - sofort und dauerhaft.
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Nov 19
Helmstedter Straße 24. Erinnerung an Anna #Seghers (geb. 1900 (#otd) als Annette ("Netty") #Reiling, gest. 1983), Schriftstellerin, unter dem NS-Regime im Jahr 1933 von der Gestapo verhaftet und kurz darauf nach Paris geflohen, nachdem ihre Bücher verbrannt worden waren.

#Berlin
Zielstrebigkeit schon in jungen Jahren: Anna #Seghers legt im Jahr 1920 das Abitur ab, studiert danach Geschichtswissenschaften und Kunstgeschichte, Sinologie und Philologie und wird im Jahr 1924 promoviert - mit einer Dissertation über "Jude und Judentum im Werk Rembrandts".
Sie heiratet László #Radványi, einen kommunistischen Soziologen aus Ungarn - und die junge Kunsthistorikerin beginnt, literarisch zu schreiben. "Grubetsch", eine frühe Erzählung, wird 1926 publiziert und erscheint im folgenden Jahr erneut, diesmal in der "Frankfurter Zeitung".
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Sep 24
"Black", so lautete ihr Tarnname.

Kurfürstendamm 177 in Charlottenburg. Ich will euch von Else #Blochwitz (* 1899, † 1992) berichten, die hier unter dem Naziterror sehr vielen Jüdinnen und Juden sowie weiteren Verfolgten half - und die heute weithin unbekannt ist.

#Berlin
Else #Blochwitz, geboren und aufgewachsen in Dresden, zieht in den 20er Jahren nach Berlin und ist schon als junge Frau eine strikte Gegnerin des immer weiter erstarkenden Nationalsozialismus. Sie besucht viele Veranstaltungen der NSDAP, auf denen sie sich immer zu Wort meldet.
Sie spricht sich dabei in aller Ruhe (und wieder und wieder) gegen das nationalsozialistische Weltbild aus und argumentiert vor dem versammelten Publikum der Partei gegen die dort propagierte Hetze an. Die Nazis reagieren mit blankem Hass - und sind zugleich tief beeindruckt.
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Sep 23
Hünensteig 6, Steglitz. Erinnerung an Ruth Andreas-Friedrich (* 1901 (#otd), † 1977) und Leo Borchard (* 1899, † 1945), Journalistin und Dirigent, in den 30er Jahren miteinander liiert, unter dem NS-Regime mit der von ihnen gegründeten Gruppe "Onkel Emil" im Widerstand. #Berlin
Ruth Andreas-Friedrich, von 1924 bis 1930 in erster Ehe verheiratet, ist als Redakteurin einer Frauenzeitschrift des @Ullstein-Verlages beruflich erfolgreich. Sie geht wegen der zunehmenden Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung in den Widerstand gegen den Naziterror.
Die Gruppe bildet sich nach den radikalen, antisemitischen Pogromen im November 1938 und leistet dann Widerstand auf vielfache Weise, etwa durch Fluchthilfe für untergetauchte Jüdinnen und Juden oder indem sie Verstecke, Lebensmittel und gefälschte Personaldokumente organisiert.
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Sep 22
Platz der Luftbrücke. Blick auf eines der bekanntesten Fotos (oben links) von Henry #Ries (geb. 1917 (#otd), gest. 2004): Landeanflug eines so genannten "Rosinenbombers" auf den Flughafen Tempelhof während der Luftbrücke gegen die sowjetische Berlin-Blockade (1948 / 49).

#Berlin Image
Das Bild aus dem Jahr 1948 hatte für West-Berlin nahezu ikonische Kraft.

Die Schautafel, auf der es zu sehen ist, befindet sich in Sichtweite des Denkmals zu Ehren der Soldaten der U. S. Air Force 🇺🇸 und der Royal Air Force 🇬🇧, die im Einsatz für die Luftbrücke ihr Leben ließen. ImageImageImage
Das Leben von Henry #Ries, war mehr als bewegt: Flucht in die USA als Jude in jungen Jahren vor dem Naziterror, Luftwaffensoldat, Fotograf der @nytimes...

Blick auf die Gedenktafel an seinem einstigen Wohnhaus in Berlin: Meinekestraße 12, Stadtteil Charlottenburg. Image
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