Nicht erst seit der Zeitenwende & der für alle offenkundig gewordenen Veränderung der Sicherheitslage schwelen auch Diskussionen über eine Wiedereinführung der #Wehrpflicht. Gerade konservative Stimmen fordern diese immer wieder. Meine Meinung: Das ergibt keinen Sinn! Ein Thread.
Zuerst mal: Dass eine Wehr- oder gleich allgemeine Dienstpflicht „jungen Leuten gut tun würde“ (hört man auch) ist erstens eine Frechheit gegenüber den Jüngeren & zweitens niemals ein grundgesetzkonformes Argument für diesen massiven Freiheitseingriff – zu Recht!
Rechtfertigen würde die reaktivierte Wehrpflicht nur eine existenzielle Bedrohung unserer Gesellschaft von außen, für deren Abwendung diese geeignet und erforderlich ist. So wie es in Deutschland im Kalten Krieg war und heute zum Beispiel etwa in Israel und auf Taiwan ist.
Richtig ist: Unser Land hat die Bundeswehr jahrelang kaputt gespart, sich teils in einen Vulgärpazifismus hineingesteigert und die äußere Sicherheit zu sehr an andere abdelegiert, insbesondere an die USA im Rahmen der NATO. Die Zeitenwende muss das ändern.
Hier ist mit dem Sondervermögen das Ruder herumgerissen – aber noch Enormes zu tun. Italien etwa gibt weniger für Verteidigung aus, hat aber mehr moderne Flugzeuge & sogar Flugzeugträger. Das zeigt andere Schwerpunkte, klar – aber auch Reformbedarf unserer Beschaffungsstrukturen.
Ja, wir haben auch ein Problem mit der Nachwuchsgewinnung bei der Bundeswehr. Aber das ist auch eine Folge jahrelanger gesellschaftlicher Vernachlässigung. Kritik an Jugendoffizieren an Schulen, Soldatinnen & Soldaten in Uniform, die angefeindet werden usw. – DA müssen wir ran!
Die Frage ist, welche Bundeswehr wir brauchen. Unsere sicherheitspolitischen Herausforderungen sind komplex – und auch künftig nicht allein auf Europa beschränkt. Die stärksten Armeen der NATO – USA, Großbritannien, Frankreich – haben alle keine Wehrpflicht, aus Gründen.
Wir brauchen nach meiner Überzeugung für die heutigen Herausforderungen eine Bundeswehr als Profi-Armee. Hervorragend ausgebildete Soldatinnen und Soldaten mit modernstem Gerät. Und der Ausstattung und Wertschätzung, die sie verdienen!
Dazu kommt die Komplexität moderner Waffensysteme: 12 Monate Dienst wären das absolute Minimum, mehr vermutlich nötig. Wo bringt man die Wehrpflichtigen unter – und was kostet das? Und: Die Bundeswehr hat schon jetzt zu wenig Material – woran sollte man also überhaupt ausbilden?
Ich bin daher überzeugt. Die Wehrpflicht lässt sich mit Blick auf die Lage nicht rechtfertigen. Und sie stünde absehbar der Modernisierung unserer Streitkräfte & ihrer Verteidigungsfähigkeit sogar im Weg. Die Zeitenwende verlangt einen anderen Fokus!
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Heute jährt sich der Anschlag in #Hanau zum zweiten Mal. Der Anschlag war ein rechtsextremer Terrorakt. Neun unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden ermordet. Sie wurden ihrer Familie, ihren Freunden, Nachbarn, Bekannten und uns allen entrissen.
Dieses Land hat ein Problem mit rechtsextremem Terror. Eine Woche vor Hanau konnte die Polizei eine Terrorzelle verhaften, die einen Anschlag auf 10 Moscheen plante. Kurz vorher verhinderte in Halle nur die Dicke einer Holztür das schlimmste antisemitische Massaker seit 1945.
Der Täter suchte sich seine Opfer dann in Dönerbuden - in Hanau waren es Shisha-Bars. Ein halbes Jahr zuvor wurde der demokratische Politiker Walter Lübcke von Rechtsextremen erschossen.
Die Bilder vom Großen #Zapfenstreich wecken hier seit gestern zahlreiche Assoziationen und Emotionen – und ich glaube, darüber sollten wir offen diskutieren. Warum? Ein Thread! 👇🏻
Gestern wurde die Parlamentsarmee #Bundeswehr bewusst vor dem Bundestag – also dem Herzen unsere Demokratie – für einen jahrelangen Einsatz geehrt, in dem 160.000 unserer Soldatinnen & Soldaten, unserer Mitbürgerinnen & Mitbürger, ihr Leben riskiert und 59 es gelassen haben.
Wer, wie ich, die Gelegenheit hatte, mit den Soldatinnen & Soldaten zu sprechen, weiß, wie viel ihnen das bedeutet – gerade auch WEIL es eine militärische, zeremonielle Ehrung war. Deswegen war der Zapfenstreich nach meiner Überzeugung genau richtig – und sehr, sehr angemessen!
Heute ehrt unser Land mit einem Großen #Zapfenstreich vor dem Bundestag den Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten in #Afghanistan.
Die Lehren aus diesem Einsatz werden uns noch lange beschäftigen - etwa, dass wir außenpolitisch zu wenig können & zu häufig militärisch auf die Fähigkeiten anderer angewiesen sind. Und weil sich zeigt, dass eine kluge und langfristige Strategie von Anfang an unverzichtbar ist.
Was heute keinesfalls endet, ist unsere Mitverantwortung für die Welt. Und auch für die Menschen in Afghanistan - Ortskräfte und Frauenrechtlerinnen zum Beispiel - die wir teils im Stich gelassen haben. Hier zu tun, was immer uns noch möglich ist, ist unsere Verantwortung.