Heute wollen wir uns dem Thema #Unterhalt widmen.
Und zwar in der wohl einfachsten Ausprägung als #Kindesunterhalt.

Wir beginnen mit den wichtigsten Grundlagen.

Wie immer gilt auch heute: Es ist eine vereinfachte(!) Darstellung.

Ihr habt Interesse? Dann folgt mir mal kurz ⤵️
Wie bei allen anderen Ansprüchen im deutschen Recht muss auch der Kindesunterhaltsanspruch grundsätzlich gesetzlich verankert sein.
Die Anspruchsgrundlage findet sich in § 1601 BGB und gilt – wenig überraschend – sowohl für Kinder als auch für Eltern und Großeltern usw.
Diese Norm ist so einfach, wie das Gesetz sonst nur selten ist:
"Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren."
Stammt man also voneinander ab, ist man dem Grunde nach zum Unterhalt verpflichtet.
Warum aber sich nicht alle, die voneinander abstammen, ständig Geld hin und her schicken, erklären die nachfolgenden Normen, die die Unterhaltszahlung davon abhängig machen, dass der/die Unterhaltsberechtigte bedürftig und der/die Unterhaltsverpflichtete leistungsfähig sind.
Wann ist man (für unsere heutigen Zwecke: das Kind) nun bedürftig?
Die Bedürftigkeit bestimmt sich danach, ob der bestehende Bedarf eines Kindes durch seine Einkünfte gedeckt ist.
Da Kinder in den allermeisten Fällen keine besonders relevanten Einkünfte (außer das Kindergeld, welches hälftig bei jedem unterhaltsverpflichteten Elternteil zu berücksichtigen ist) haben, kommt es vor allem auf die Frage an, welchen Bedarf das Kind hat.
Brauchen alle Kinder gleich viel?
Was muss dieser ominöse Bedarf erfassen?
Nur Essen und Klamotten? Welches Essen und welche Klamotten? Gibt es das Recht auf 1xMcDonalds/pro Woche und Lacoste-Jeans?
Was ist mit Hobbys? Gehört Skifahren dazu?
Was mit den Kosten der Wohnung?
Nach § 1610 BGB gehört sozusagen alles Lebensnotwendige dazu: Es muss der gesamte Lebensbedarf ermittelt werden – Essen, Bildungsmaterialien, besonderer Zusatzaufwand für die Bildung (regelmäßige Nachhilfe), ggf. Krankenversicherungskosten, Wohnanteil etc. etc. etc.
Der Mindestbedarf, sprich der Betrag, der als Existenzminimum zum Überleben vorhanden sein muss, bestimmt sich nach § 1612a BGB. Stellt man als Unterhaltsverpflichteter also nicht mal den Mindestunterhalt zur Verfügung, fehlt es dem Kind (rechtlich gesehen) am Existenzminimum!
Hinzu tritt auch noch, dass der Bedarf eines Kindes auch davon abhängt, wie vermögend seine Eltern bzw. der/die Unterhaltsverpflichtete(n) sind.
Die Lebensstellung des Kindes leitet sich also vom Existenzminimum und von der Leistungsfähigkeit der (zahlungspflichtigen) Eltern ab.
Dies hat seine Berechtigung darin, dass Eltern ihre Kinder an ihren Einkommensverhältnissen partizipieren lassen.
Es mag zwar solche geben, die ihr Geld nur für sich ausgeben, während sie dem Kind nur das Mindeste zukommen lassen.
Dies ist jedoch nicht das gesetzliche Leitbild.
Wie bestimmt man nun den Bedarf eines Kindes im Einzelfall?
Grundsätzlich hat das Gericht diesen Bedarf in jedem Einzelfall gesondert unter Abwägung der Lebensumstände des Kindes und der Einkommen der (zahlungspflichtigen) Eltern zu bestimmen.
Da dies jedoch eine derart enorme Belastung der Gerichte darstellen würde, dass man sicher das Dreifache an Personal bräuchte und die Verfahren gleichzeitig dennoch das Dreifache an Zeit dauern würden, gibt es die Düsseldorfer Tabelle (DD).
Die DD ist kein Gesetz und keine Verordnung, sondern lediglich eine von den Oberlandesgerichten der Länder zusammengestellte, unverbindliche Empfehlung/Richtlinie/Anleitung für die Familiengerichte.
Mithilfe der DD (ggf. zusammen mit den jeweiligen Richtlinien des jeweiligen Oberlandesgerichts) können die Familiengericht die Bedarfe von Kindern in einem bestimmten Alter und in Abhängigkeit vom bereinigten Nettoeinkommen des/der Unterhaltsverpflichteten ermitteln.
Nur zum Verständnis: Die Tabelle hat ihre Grundlage in § 1612a BGB hinsichtlich des Mindestunterhalts und zeigt lediglich auf, inwieweit sich der Bedarf in Abhängigkeit vom (höheren) Einkommen des Unterhaltsverpflichteten nach oben verändert.
Ist der Bedarf im Einzelfall hingegen anders (höher) als die Tabelle annimmt, was das unterhaltsberechtigte Kind, vertreten durch den anderen Elternteil, nachzuweisen hat, ist kein Gericht an die DD gebunden. Dann stellt man als Gericht eben den Bedarf im Einzelfall fest.
Gleiches gilt im Übrigen auch für die Frage der Leistungsfähigkeit, die die Gerichte ausgehend von den die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zusammenfassenden Richtlinien ermitteln:
Eine Bindung besteht nicht – Es geht lediglich um (Verfahrens-)Vereinfachung.
Noch eine Anmerkung:
Da der Mindestunterhalt als Existenzminimum immer sicherzustellen ist, gilt für Unterhaltsverpflichtete insoweit eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit:
Sie müssen alles in ihrer Macht Stehende+Zumutbare unternehmen, um den Mindestunterhalt sicherzustellen.
Dazu gehört das ggf. auch:
- den Job zu wechseln,
- in eine kleinere Wohnung umzuziehen,
- einen Nebenjob fürs Wochenende anzunehmen oder
- sogar, wenngleich eher ausnahmsweise, soweit es noch dem Kindeswohl entspricht, die Umgänge mit dem betroffenen Kind einzuschränken!
An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass sich der Anspruch des Kindes auf Gewährung von Unterhalt zwar grundsätzlich gegen beide Elternteile richtet, der das Kind in seinem Haushalt betreuende Elternteil jedoch seinen Anteil am Unterhalt durch die Betreuung erbringt.
(An dieser Stelle möchte ich mal die Fragen, was eine überwiegende Betreuung darstellt und wie sich die Unterhaltsansprüche beim paritätischen Wechselmodell berechnen, noch ausklammern und sie einem weiteren langen Thread vorbehalten.)
Wir wissen nun (mit der DD), was das Kind (an Geld) braucht und wer grundsätzlich wie viel zu zahlen hat.
Was ist aber nun mit dem/der Unterhaltsverpflichteten, wenn er/sie nicht genug zum Leben hat? Muss er/sie zahlen und hungern?
Die Antwort ist wie so häufig: Kommt drauf an.
Geht es um den Mindestunterhalt und kommt der/die Verpflichtete seiner/ihrer Erwerbsobliegenheit nicht nach, dann lautet die Antwort (vereinfacht): Ja, denn die Existenz des Kindes geht vor.
Mindestunterhalt hat man/frau sicherzustellen,
Geht es um mehr als den Mindestunterhalt oder kommt der/die Verpflichtete der gesteigerten Erwerbsobliegenheit beim Mindestunterhalt nach, ohne genug Geld zu kriegen, dann gilt der Grundsatz, dass ihm/ihr genug Geld zum Leben verbleiben muss. Das ist der sogenannte Selbstbehalt.
Auch der (notwendige) Selbstbehalt, der in der DD für den Normalfall festgelegt ist, bestimmt lediglich den Betrag, der einem Menschen nach Zahlung des Unterhalts verbleiben muss (siehe Anhang).
Und auch hiervon dürfen Gerichte bei besonderen Umständen abweichen, wenn beispielsweise die Wohnkosten viel höher sind als jene, die dem Selbstbehalt zugrunde liegen (derzeit 520 €) und diese gleichzeitig angemessen sind.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wie berechnet man nun den Kindesunterhalt?
Gar nicht!
Im Normalfall liest man ihn aus der DD - ausgehend von den ermittelten Bedarfen bzw. dem ermittelten, bereinigten Nettoeinkommen des/der Unterhaltsverpflichteten - ab (siehe Anhang).
Der Unterhaltsanspruch eines 11-jährigen Kindes gegen den zum Unterhalt verpflichteten Elternteil mit einem bereinigten monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 2500 € beträgt z.B. 428 €. Sobald das Kind 12 Jahre alt wird, erhöht sich der Anspruch auf 522 €.
Verringert sich das bereinigte Nettoeinkommen des zum Unterhalt verpflichteten Elternteils (unbeabsichtigt und längerfristig) auf zum Beispiel 2200 €, dann müsste dieser dem 12-jährigen Kind lediglich 493 € zahlen.

Alles ganz einfach, nicht wahr?
Nun, das liegt daran, dass wir uns bislang weder über die Frage der berücksichtigungsfähigen Abzüge noch über die Frage der sonstigen etwaigen Einkommen der Kinder oder die Frage der Ab- und Hochstufungen innerhalb der Tabelle ausgehend von der Anzahl der Unterhaltsberechtigten
noch über andere spannende Fragen wie Unterhaltsberechnung im Wechselmodell unterhalten haben.
Das kommt aber auch noch, wenn Interesse besteht.

Auch jetzt gilt:
Fragen sind erwünscht, wenngleich ich natürlich nicht versprechen kann, auf alle einzugehen.
Vielen Dank fürs Lesen!
Ach und hier noch die aktuelle Düsseldorfer Tabelle, die ich vorhin vergessen habe zu verlinken:
olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseld…

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Der GerichtsBeRichter

Der GerichtsBeRichter Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

More from @GerichtBerichte

Mar 8
Die Schwurbel-"Studie" des @hammer_wolfgang zieht Mithilfe des @tazgezwitscher weitere Verschwörungskreise!

Ein feines Sammelsurium an Missverständnissen, schlechter Recherche und - mal wieder - zu einseitiger Darstellung.

Hier einpaar Anmerkungen ⤵️

taz.de/Entscheidungsp…
1. Das PAS hält sich nirgends. Ich habe extra nochmal eine Recherche der aktuelle Rechtsprechung durchgeführt. Niemand außer manch abgedrifteter #Väterrechtler argumentiert noch damit. Damit ist bereits die Einleitung zumindest im familiengerichtlichen Zusammenhang irreführend.
2. Zum Fall des OLG Celle fehlen mal wieder die tragenden Erwägungen der dortigen Entscheidung. Hier wird einfach mal ein Teil als Gesamtbild präsentiert. Kein guter Journalismus.
Und, ja, auch der verlinkte Artikel ist völlig unzureichend, um das Kindeswohl beurteilen zu können.
Read 16 tweets
Feb 20
So, kommen wir nun – nach Tagen der Wartezeit - zur Auflösung unseres kleinen #Judgementgames.

Aber lasst mich vorab 2 Sachen loswerden:
1. Tut mir leid, dass das Verfassen dieses Berichts mal wieder zu lange dauerte. Wochenende, Fastnacht… naja, ihr wisst schon.
2. Ihr seid wirklich sehr gut, Leute!
Viele der von Euch geäußerten Gedanken trieben auch mich rum und mehrere von Euch haben die Ergebnisse gut vorausgesehen.

Wie ging der Fall bei mir nun aus?
So ganz einfach fiel mir die Entscheidung hier nicht. Es war relativ offenkundig, dass die Kinder in ihrer Haltung extrem beeinflusst waren.
Nicht so sehr von der betreuenden Mutter oder dem schimpfenden Vater, sondern vielmehr vom bisherigen Verhalten beider Elternteile.
Read 24 tweets
Feb 16
Hey Leute.
Was haltet Ihr von einer neuen Runde #JudgementGames?
So wie damals vor ca. 1 Jahr?
Interesse?
Na dann mal los ⤵️
Nochmal zur Erinnerung:
Ich schildere den wesentlichen Verfahrensablauf inklusive der relevanten Aussagen und ggf. Gutachtenergebnisse und Ihr werdet um eure Einschätzung zur bestmöglichen Lösung gebeten, bevor ich Euch mitteile, wie der Fall in der Praxis tatsächlich ausging.
Dieser Fall, der tatsächlich keine allzu lange Zeit zurückliegt, landete zunächst als vorgeblich unauffällige Urlaubsstreitigkeit auf meinem Tisch.
Nicht besonders auf den ersten Blick.
Klarer Antrag mit kurzer Begründung:
Read 25 tweets
Feb 9
Kommen wir heute nun zu den vielleicht am stärksten polarisierenden Fällen der #Umgangsverweigerung, in welchen der überwiegend betreuende Elternteil durch eine passive oder aktive #Instrumentalisierung dafür sorgt, dass das Kind den #Umgang mit dem anderen Elternteil ablehnt.
Die - meist subjektiv-moralisch bedingte - Parteilichkeit des Kindes hat in solchen Fällen ihren Ursprung häufig wenn nicht sogar meistens in der Übernahme der Sichtweise des überwiegend betreuenden Elternteils durch das Kind.
Das Verhalten dieses Elternteils, der meist gleichzeitig die Hauptbezugsperson des Kindes ist, führt in dieser Fallgruppe dazu, dass das Kind den anderen Elternteil und den Umgang mit diesem ablehnt, weil es das ihm präsentierte Zerrbild sinngemäß übernimmt.
Read 32 tweets
Feb 1
Lasst uns heute die 2. Kategorie der #Umgangsverweigerung etwas näher beleuchten.

Wie bereits angesprochen, handelt es sich hierbei um Fälle in welchen das Kind seine #Verweigerungshaltung deshalb aufbaut, weil es seitens des Elternteils, dem es sich verweigert, gekränkt FÜHLT.
Hierbei muss keine tatsächliche Kränkung vorliegen!

Entscheidend ist lediglich die Sicht des Kindes, aus welcher die Handlung bzw. Äußerung bzw. eine angebliche Handlung oder Äußerung als kränkend eingestuft wird.
Woraus resultieren die in diese Kategorie fallen den Kränkungen?
Woraus resultieren die in diese Kategorie fallenden Kränkungen?

Auch hier sind die Ursachen vielfältig:
Eine besonders große Rolle spielen hierbei die häufig vorkommenden "neuen Beziehungen" der jeweiligen Elternteile.
Read 26 tweets
Feb 1
@BiancaGegen @UnrollHelper Nun, Dritte, die ihre Interessen haben und ggf durchsetzen, gibt's oftmals. Häufig sind auch Großeltern treibende Kräfte, meist jedoch anders ausgerichtet als hier.
Wichtig ist, dass man den Elternteile seitens des JA bzw in der Beratung klar macht, dass hier eine klare
@BiancaGegen @UnrollHelper Abgrenzung zu erfolgen hat und dass sich dieser Elternteil ggf unter Einbeziehung des Dritten klar machen muss, dass dies die Umgänge und damit das Kindeswohl ggf beeinträchtigen könnte. Eine Allzweckwaffe gegen Einmischungen gibt's aber auch hier nicht. Wenn sich der/die Dritte
@BiancaGegen @UnrollHelper weigert mitzuspielen bzw weiter alles torpediert (und dies nachweisbar ist), kann allerdings auch eine familiengerichtliche Regelung unter explizitem Ausschluss des Dritten nützen.
Die Gefahr hierbei ist jedoch, dass der Konflikt dadurch auf eine höhere Ebene gehoben werden
Read 4 tweets

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Don't want to be a Premium member but still want to support us?

Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal

Or Donate anonymously using crypto!

Ethereum

0xfe58350B80634f60Fa6Dc149a72b4DFbc17D341E copy

Bitcoin

3ATGMxNzCUFzxpMCHL5sWSt4DVtS8UqXpi copy

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(