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May 13 21 tweets 5 min read Twitter logo Read on Twitter
Heute ein Thread zum Thema Studien über #Ernährung, ein Thema, was mir sehr am Herzen liegt. Ihr kennt das alle: Fast täglich kann man in sozialen Medien, Zeitungen und Boulevardblättern etwas über eine neue Studie zu Ernährungsthemen lesen. Am einen Tag liest man, dass #Fleisch
tödlich ist, am nächsten Tag, dass der Mensch nicht ohne Fleisch leben kann. Zu nahezu jedem Lebensmittel finden sich positive und negative Studien, der eine schwört auf #Kohlenhydrate, während andere Gruppen diese verteufeln und lautstark #lowcarb und #keto propagieren. Selbst
zu Lebensmitteln, die jeder Mensch als gesund einstufen würde, finden sich bei entsprechender Suche über Literaturdatenbanken auch Studien, die dies scheinbar widerlegen.Doch woran liegt das und wie sollte man als Laie damit umgehen? Oder kann sich einfach jeder das herauspicken,
was ihm gerade gefällt und dies dann als Narrativ vor sich her tragen (ein Fehler, den leider auch #Veganer mit Filmen wie „What the health“ und „Gamechangers“ gemacht haben, das sog. „cherry picking“). Hierzu erstmal Grundsätzliches: Während wir in der Medizin bei Medikamenten
z.B. kontrollierte randomisierte verblindete Studien zum Wirksamkeitsnachweis verwenden, geht das in der Ernährungsmedizin nicht so einfach. Man kann einfach keine großen Kohorten bilden und vorschreiben, dass eine Gruppe täglich über 3 Jahre 2 Äpfel pro Tag ist und eine Gruppe
nicht. Außerdem ist eine Verblindung nicht möglich und der potentielle Einfluss von Störvariablen viel schwerer abzuschätzen.
Ist möglicherweise nicht das Grillsteak am Abend ungesund sondern die Tatsache, dass die Menschen dazu 3 Flaschen Bier getrunken haben?Ähnliches gilt auch
für Veganer: Liegt es möglicherweise daran, dass die Adventisten in den AHS-Studien so gut abgeschnitten haben, weil sie insgesamt einen sehr gesunden Lebensstil pflegen oder liegt es doch vorranging an der pflanzlichen Ernährung?
Mit einem entsprechend designten Studienkonzept
kann man sich in der Ernährung nahezu jedes Ergebnis „basteln“, ein Effekt, den die Fleisch- und Milchindustrie sehr gerne nutzt. Gerade bei Ernährungsstudien ist es daher wichtig, einen möglichst unvoreingenommenen Blick zu haben und sich zu einem Thema immer mehrere Studien
anzuschauen. Keine Ernährungsstudie wird alleine die einzige Wahrheit aufzeigen, dazu sind das Thema Ernährung und die vielen weiteren Einflußfaktoren einfach viel zu komplex.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind Übersichtsarbeiten, sog. Meta-Analysen, die die Datenlage mehrerer
Studien zusammenfassen und somit ein umfassenderes Bild abgeben. Allerdings muss man auch bei diesen Meta-Analysen berücksichtigen, dass auch ein Teil dieser Analysen gesponsert sind, zu einem nicht unerheblichen Teil eben auch von Interessensgruppen wie der Fleischlobby. Dadurch
kann das Gesamtbild und Ergebnis natürlich verzerrt werden. Aus diesem Grund bedient man sich in der Ernährungswissenschaft sog. Meta-Meta-Analysen, die also nochmals die Ergebnisse aus Einzelstudien und Meta-Analysen zusammenfassen. Eine der bekanntesten Meta-Meta-Analysen ist
die unten genannte Arbeit, die ich jedem Interessierten außerordentlich ans Herz lege.
In dieser Arbeit offenbart sich nämlich, dass kein Lebensmittel als ausschließlich gesund oder ungesund dargestellt werden kann.
pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25406801/
Wie so oft im Leben hängt es nämlich von der Konsumhäufigkeit und anderen Einflußfaktoren mit ab. Beispiel: Wer zweimal pro Woche ein Glas Rotwein genießt und sonst sehr gesund lebt, wird vom Wein mit großer Sicherheit keinen Schaden erleiden. Wer hingegen täglich Rotwein trinkt,
der wird auch bei sonst gesunder Ernährung mit größerer Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Schäden erleiden. Umgekehrtes Beispiel: Der Apfel. Wer täglich einen Apfel isst, sonst aber Raubbau am Körper betreibt, der wird sich nicht mit dem berühmten Spruch „An apple a day….“
retten können. Was man in der o.g. Meta-Meta-Analyse aber sehr schön sieht: Für sehr viele Lebensmittel zeichnet sich eine klare Tendenz ab: Ein Großteil der Studien zeigt z.B., dass rotes und verarbeitetes Fleisch ungesund ist und die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von
Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen steigert. Umgekehrt beweisen fast alle Studien, dass der regelmäßige Konsum von Obst und Gemüse gesund sind, Studien, die das Gegenteil belegen sind eine Rarität.
Nichtsdestotrotz gilt auch hier ein gewisses Maß: Wer jeden Tag fünf Bananen
isst, tut sich aufgrund der hohen Menge an Fructose auch nicht unbedingt etwas Gutes. Umgekehrt muss aber auch ich als Veganer konstatieren (wenn man den ethischen Aspekt ausklammert und nur auf die Gesundheit schaut), dass ein moderater Fleischkonsum (< 400g pro Woche) mit recht
großer Wahrscheinlich keine negativen gesundheitlichen Folgen hat.
Um die wichtigsten Aussagen der Meta-Studie für euch zusammenzufassen:
- Regelmäßiger Fleischkonsum ist ungesund, besonders rotes und verarbeitetes Fleisch
- Regelmäßiger Alkoholkonsum ist ungesund
- Regelmäßiger Konsum von Gemüse und Vollkornprodukten ist gesund, die Produkte sollten am besten täglich und Gemüse sogar mehrfach täglich konsumiert werden
- Regelmäßiger Konsum von Obst ist gesund, allerdings sollte bei Obst ein gewisses Maß gehalten werden, insbesondere bei
Sorten, die viel Fructose enthalten
- Regelmäßiger Konsum von Fisch in Maßen (2-3x pro Woche) scheint gesundheitsfördernd zu sein, allerdings muss man bei Seefisch die Schwermetallbelastung im Kopf haben
- Zu Milch und Milchprodukten ergibt sich ein uneinheitliches Bild: Während
der regelmäßige Konsum von Milch, insbesondere in höherem Maß (mehr als 2 Gläser pro Tag) eher ungesund zu bewerten ist, schneiden Milchprodukte wie Quark und Joghurt deutlich besser ab und scheinen protektive Effekte zu haben.
#goVegan #Ernährungsmedizin

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