Thread by @medizinfreiburg

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#NEFlive #Rettungsdienst #Palliation
ich werde von einem RTW mit dem einsatzstichwort „verwirrtheitszustand“ nachalarmiert. die angehörigen eines 64-jahrigen mannes haben die 112 gewählt, da der patient seit dem vorabend halluzinierte. nach einer unruhigen nacht hatten sie

(2/13)
am vormittag des folgetages den hausarzt kontaktiert, der sich jedoch im urlaub befindet. da der mann dinge sah, die offensichtlich nicht vorhanden waren was die angehörigen sehr beunruhigte, haben sie sich an die leitstelle gewandt. diese schickte eine RTW.

(3/13)
für diesen stellte sich folgende situation dar: der mann hatte ein bronchialkatzinom mit hirnmetastasen sowie metastasen in der wirbelsäule. laut eines arztbriefes hatte er im vergangenen jahr mehrfach chemotherapie und zahlreiche bestrahlungen.

(4/13)
ende märz wurden die behandlungen aussichtslos beendet. seither lag er fast nur noch im bett. über die osterfeiertage habe sich sein zustand wohl nochmals verschlechtert und er habe nun auch die letzten tage kaum mehr gegessen. da er aber bis am vortag noch orientiert war,

(5/13)
machten sich die angehörigen jetzt (berechtigt) sorgen, weil er nun halluzinierte. die NFS boten der familie nun an, den patienten mit ins krankenhaus zu nehmen, waren sich aber der aussichtslosen situation bewusst. da nun aber ein konflikt innerhalb der familie aufkam,

(6/13)
ob die krankenhauseinweisung nun wirklich die richtige entscheidung sei, forderten mich die NFS nach, da sie die situation „überforderte“. bei meinem eintreffen fand ich den abgemagerten mann mit gräulichem gesicht und marmorierten beinen im bett liegend vor.

(7/13)
ich erklärte den angehörigen, dass die halluzinationen im rahmen der erkrankung nicht unüblich seien und das der aktuelle zustand des mannes sehr dafür sprach, dass er sich im sterbeprozess befinde. dies schien die familie zu überfordern. letztlich wurde deutlich,

(8/13)
dass sie sich nicht ausreichend mit der situation des patienten auseinandergesetzt hatten. ich erklärte ihnen, dass sie sich jetzt nur eine einzige frage stellen müssten: darf der mann zuhause in seiner gewohnten umgebung sterben oder soll er das im krankenhaus.

(9/13)
wir ließen die familie für einen moment alleine, um sich zu besprechen. nach ein paar minuten kam der sohn zu mir und meinte, der vater möge zuhause bleiben. zwei stunden später rief mich eine befreundete kollegin an, sie sei gerade zur todesfeststellung

(10/13)
bei diesem patienten gewesen. er muss also kurz nachdem wir gegangen sind verstorben sein.

➡️ liebe angehörigen: wenn sie in der familie einen mitglied haben, welches an einer unheilbaren krankheit erkrankt ist, dann besprechen sie bitte frühzeitig im familienkreis

(11/13)
wie in so einer situation verfahren werden soll. in der regel ist das versterben zuhause, in ihrem beisein, würdevoll und erstrebenswert. aber bitte kümmern sie sich nicht erst darum, wenn der rettungsdienst bei ihnen in der wohnung steht. wir helfen zwar gerne aber

(12/13)
solche entscheidungen müssen sie selbst treffen und zwar nach dem willen der patient:innen. so eine entscheidung sollte ihnen der rettungsdienst nicht abnehmen. wir sind ihnen trotzdem gerne bei der palliation behilflich.

(13/13)
🖤
unter palliation, aus dem lat. >palliare< (mit einem mantel umhüllen) versteht man eine medizinische oder pflegerische massnahme, deren ziel nicht die heilung einer erkrankung sondern die bestmögliche versorgung dieser nicht (mehr) kurativ behandelbaren krankheit ist.