Meine Kollegin Claudia Dathe erläutert klug und kundig, warum viele ukrainische Autorinnen und Autoren Einladungen mit Schriftstellern aus Russland und Belarus absagen und warum sich Organisatoren dabei oft missverstanden fühlen. #Eutim @viadrina
Sie geht auf den Wunsch von Organisatoren solcher Veranstaltungen ein, den Krieg zu bebildern und individuelle Erfahrungen zu vergleichen. Dies legt das Denken offen, dass #Ukraine, Belarus & Russland eine gemeinsame Geschichte und Erfahrungsraum bis in die Gegenwart besitzen. /2
Dabei wird über den Begriff „postsowjetisch“ meist impliziert, dass die Entwicklungen in den drei Ländern seit 1991, "von einem scheinbar homogenen sowjetischen Erbe dominiert werden und dass sich die Zusammengehörigkeit innerhalb des Raumes durch dieses Erbe weiter fortsetzt.“/3
Aber obwohl die 3 Länder bis 1991 zur Sowjetunion gehörten, werde vernachlässigt, dass sich die gesellschaftl Entwicklungen "in den jeweiligen Ländern durchaus sehr unterschiedlich vollzogen haben und dass diese unterschiedlichen Erfahrungen für sich stehen können und sollten.“/4
Bei Veranstaltungen zu den drei Ländern, in denen die aktueller Perspektive befragt werde, besteht die "Annahme fort, die Ukraine und Belarus ließen sich nur in Beziehung zu Russland denken, nicht jedoch selbständig oder in Verflechtung mit anderen europäischen Räumen.“/5
"Damit wird der Blick verstellt für Individualisierungs- und Herauslösungsprozesse, die sich nicht nur in ethnisch-national determinierter Abgrenzung, sondern auch politisch und institutionell in den nach 1991 entstandenen ostmitteleuropäischen Ländern vollziehen.“/6
Die Initiatoren verfolgten damit meist 2 Ziele und schaffen Dilemma: Persönliche Erfahrung und das Nationale als Bezugskategorie werden ins Zentrum gestellt. Der Künstler wird durch die Veranstalter als Vertreter einer Nation eingeladen und nicht nur als Individuum. /7
"Die Zugehörigkeit zur Nation verdrängt die persönliche Ebene. Dass sich das Nationale in den Vordergrund schiebt, ist der in der Konzeption angelegten Zusammenschau geschuldet, die in der aktuellen Lage zu einer Konfrontation wird.“ /8
"Die Intention, mit Veranstaltungen einen individuellen Begegnungsraum zu schaffen, ist der Versuch, das Sprechen, wie es in Friedenszeiten möglich war, unreflektiert fortzusetzen, das Erleben des Krieges zu domestizieren, einzuhegen, an die hiesige Lebenswelt anzupassen." /9
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„Russophobie“ trendet wieder, obwohl Russland täglich ukrainische Städte beschießt & Menschen im Schlaf ermordet. Wahrscheinlich muss man das als Gradmesser für die Lebendigkeit des russischen Imperialismus nehmen, denn der Begriff findet sich va. in nationalistischen Texten.🧵
Der Begriff „Russophobie" oder „Antirussisch“ wird in stalinistischer Zeit gerne verwendet, um den Widerstand kleiner Völker und anderer Nationen zu brechen. Nobelpreisträger Czesław Miłosz' lässt hier 1953 eine solche stalinistische Stimme zu Wort kommen, um sie vorzuführen:
Der bekannteste Machwerk, das „Russophobie“ sogar im Titel hat, stammt von Igor Schafarewitsch (1989). Hier die erste Seite der dt. Übersetzung, in dem dieser wichtige Mathematiker dem Begriff eine russ.-nationalistische und antisemitische Grundlage gab. Man beachte *Antivolk:
Die aktuelle Feier der russisch-chinesischen Freundschaft in Russland erhält erwartungsgemäß russische Kritik als eine Politik der Unterwerfung. Wenn man die Literatur des russischen Nationalismus kennt, weiß man zudem, dass China dort meist als Feindbild gezeichnet wurde. /1
Die Bilder stammen aus einem ironischen, aber gleichwohl anti-chinesischen Video, das bei Nevzorovtv auf Telegram geteilt wurde. Es bekam gestern über 422K Abrufe. Im Video bekommt Russland in einer (fernen) Zukunft die Rolle als Vasall Chinas zugeschrieben. /2
Dabei werden ganz bewußt Parallelen zur russischen Idee der Ukraine als russischer Vasall und "Einflussraum" verwendet. Es heisst darin z. B. "wir Russen stammen vom großen chinesischen Volk" ab & "wir verdanken alles unserem großen Bruder China" etc. /3
Unbedingt lesen: @BotakozKassymb1 über russischen Kolonialismus, europäische Russland-Projektionen, russisches Opfertum, den Nationalismus der anderen oder Hannah Arendts Prophezeiung des "imperialen Boomerangs"./1
Die Ukraine wird "als 'natürlicher' Teil der russ Geschichte & Kultur gedeutet. Es ist nur folgerichtig, dass der Angriffskrieg in R. als "Spezialoperation" bezeichnet wird:Gegen die eigene Nation führt man keinen Krieg, sondern führt eine Operation zur Wiedervereinigung durch./2
"Was Putins Regime, die liberale Opposition und die Intellektuellen eint, ist die Vorstellung, dass Russ:innen in erster Linie Opfer sind: entweder von ausländischen Kräften oder vom Regime Putins. [..] unter ethnischen Russ:innen, die die grösste politische, wirtschaftliche ../3
Jewgeni Prigoschin wie immer Selbstpromoter und ambivalenter „Wahrheitssprecher“ zum Mißlingen des russischen Angriffskriegs: "Die Spezialoperation wurde zur Entnazifizierung gemacht... Wir haben aber die Ukraine zu einer Nation gemacht, die in der ganzen Welt bekannt ist." 1/7
Zur Entmilitarisierung: "Wie haben wir das Land entmilitarisiert? Wir [Russen] haben die Ukraine auf eine seltsame Weise militarisiert.“
"Ich sollte Russen sagen, aber die Ukrainer sind heute eine der stärksten Armeen der Welt."/2
"Sie [die Ukrainer] haben ein hohes Niveau an Organisation, ein hohes Niveau an Ausbildung, ein hohes Niveau an Abwehr, verschiedene Waffen. Außerdem funktionieren sie mit jedem System: Sowjetisch, NATO, sie sind immer gleich gut.“/3
"Lieber Wladimir Wladimirowitsch, teure Freunde, ich bin Ihnen und meinem Heimatland dankbar dafür, dass ich als Direktorin einer einfachen Dorfschule aus der Region Wolgograd eine so hohe Auszeichnung erhalten habe." 1/5
"Während meiner gesamten Lehrerkarriere war ich nicht nur Lehrerin und Schulleiterin, sondern auch Mentorin und Freundin meiner Kinder. Und ich habe mehr als tausend von ihnen ausgebildet. Darunter Ingenieure, Wissenschaftler und Militäroffiziere." /2
"Viele von ihnen verteidigen jetzt ihr Heimatland in der Spezialoperation. Fünf von ihnen sind gestorben. Aljoscha Osokin wurde mit dem Titel "Held Russlands" ausgezeichnet, vier von ihnen erhielten posthum den Orden für Tapferkeit." /3
Ein weiteres Stück Feldforschung in den Abgründen der russischen Z-Welt: Gestern war der 12. Parteitag der kleinen „sozialistischen“ Partei „Gerechtes Russland. Für die Wahrheit“, die auf der linksnationalen, faschistischen Seite Stimmen für Putin einfängt.
Der Vorsitzende dieser Partei ist Sergej Mironow (ja, derjenige, der stolz mit dem Wagner-Vorschlaghammer posierte). Er und die Parteimitglieder sind vehemente Unterstützer des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. /2
Prigoschin hatte einen Auftritt von der Front mit einer Audio-Botschaft, in der er sich bei den Partei bedankt, die ihn immer unterstützt habe. Das Audio ist erwartungsgemäß bizarr, weil er wie immer in das Mikrophon schreit, während man im Saal übergroß sein Photo sieht. /3