Im Gegensatz zu vielen anderen Mittelalterspielen sticht Pentiment durch seinen kritischen Umgang mit Frauenfiguren im Mittelalter und der Frühen Neuzeit hervor.
Mein Beitrag im Sammelband zu Pentiment soll sich daher Schwester Illuminata, ihrer Resignation und der Kritik am Patriarchat vor dem Hintergrund der Figur der Dido in Vergils „Aeneis“ bzw. in ihrer mittelhochdeutschen Adaption im ‘Eneasroman’ Heinrichs von Veldeke widmen.
Heinrichs von Veldeke (unten) mittelhochdeutscher „‚Eneasroman‘“ (um 1186) ist eine Adaption der antiken „Aeneis“ Vergils.
Der Roman erzählt die Geschichte von Eneas, der aus Troja flüchtet, bei der Königin Dido in Karthago Zwischenstation macht und danach die Stadt Rom gründet (für das Mittelalter ein zentrales Ereignis).
Dido verliebt sich in Eneas. Sie leidet an einer regelrechten Minnekrankheit, die ihr den Schlaf raubt, wie sie durch die „Ars amatoria“ Ovids im Mittelalter bekannt ist.
Doch diese Minne ist nicht aus freien Stücken heraus entstanden: Die Minne ist eine übernatürliche Macht und Dido wird durch göttliche Gewalt (Cupido und Venus) dazu gezwungen, Eneas zu lieben.
Auf einer gemeinsamen Jagd (Abb. 1) schlafen Dido und Eneas miteinander. Im Gegensatz zu Vergils ‚Aeneis‘ trägt die Liebesszene jedoch eher Züge einer Vergewaltigung.
In der Forschung wird diese Szene kontrovers diskutiert: Es wird unter anderem von Didos Schuld und ihrer Rolle als Minneopfer gesprochen.
Meiner Meinung nach ist der Wunsch mit Eneas zu schlafen von vornherein nicht consentfähig: Dido besitzt von Anfang an keine Autonomie, da die Gött*innen sie zwingen, Eneas zu lieben.
Eneas muss Dido auf Wunsch der Götter verlassen, ihr Status als Königin ist prekär: unverheiratet, Sex gehabt, verlassen. Daher begeht sie Selbstmord:
Ihr verräterisches Herz durchsticht sie mit Eneas' Schwert. Die unfreiwillige Liebe verzehrt sie wie ein Feuer. Sie stürzt sich in die Flammen und verbrennt, vergibt Eneas jedoch mit ihren letzten Worten.
OK, jetzt atmen wir alle mal kurz tief durch. Was hat das jetzt mit Pentiment zu tun?
Andreas Maler, aus dessen Perspektive man(n) den ersten Teil von Pentiment spielt, hat im Kloster Kontakt mit der Nonne Schwester Illuminata. Sie ist die Priorin und die Bibliothekarin des Klosters Kiersau und hat eine umfassende Bildung erfahren.
Die beiden begegnen sich im Skriptorium und führen anhand einiger Bücher ein Gespräch. Eines dieser Bücher ist die oben genannte "Aeneis".
Das Gespräch findet statt, während Illuminata zusammen mit Andreas durch das aufgeschlagene Manuskript läuft. Links: ein Liebespaarim Stil des Codex Manesse, rechts: Dido in den Flammen sterbend, während Aeneas auf einem Schiff davonsegelt.
In der Diskussion stehen die beiden sich zuerst auf den unterschiedlichen Seiten gegenüber. Während Andreas antwortet, taucht bei ihm eine Gedankenblase auf, als Illuminata über Frauen im Mittelalter spricht.
Man(n) bekommt eine Möglichkeit, in einem internen Monolog die Antwort zu reflektieren und Illuminatas Einwände nicht einfach abzutun. Sie bewegt sich, nachdem sie sich für das Verständnis bedankt, in das rechte Bild und kniet sich an den Platz von Dido.
„Even in stories, we are maidens to be rescued and wed, cruel seducers of men, or wizened crones.”; „Like Dido, we ordinary women are merely tools in the tales of men. We can never be protagonists of our own stories.“ (Pentiment, 2022)
Dido als Herrscherin wird letztlich immer nur in Abhängigkeit zum männlichen Protagonisten definiert. Sie wird durch den Zwang der Minne, der Gött*innen und der männlichen Gewalt sie in ihr Schicksal getrieben. Der einzige Ausweg aus der Unterdrückung ist der Selbstmord.
An dieser Figur reflektiert das Spiel durch Schwester Illuminata die Rolle der Frauen im Mittelalter kritisch setzt die dominante männliche Perspektive ins Verhältnis: „It’s fine poetry. For men.“
Das Niveau, auf dem das Spiel Frauenfiguren im Dorf darstellt werden, ist sehr hoch und bietet einen differenzierten Querschnitt durch die Gesellschaft. Dieser Dialog mit Schwester Illuminata ist nur ein Beispiel für die Tiefe der Reflektion in Pentiment.
Boah, das war jetzt lang, aber ich bin da gerade so drin, sorry. Wie fandet ihr Pentiment?
Jetzt stelle ich euch die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank @MHD_BDB vor. Sie ist an der Universität Salzburg angesiedelt @PLUS_1622 und hat schon eine lange Geschichte erlebt! 🧵
Das wichtigste zuerst: Was ist eigentlich Mittelhochdeutsch?! Kurz gesagt das Deutsch, was man im Mittelalter etwas von 1050 - 1350 gesprochen hat.
Dabei bezieht sich "mittel" auf die Position zwischen Alt- und Frühneuhochdeutsch.
Heute vormittag habe ich im Workshop Discord und Twitch als Tools für die Lehre vorgestellt und ein bisschen gestreamt. Jetzt geht es wieder mit Best Practice-Beispielen zum Thema Gaming und Lehre: Hier eine kleine Linksammlung für euch.
Pentiment von @Obsidian hat #MedievalTwitter in Aufruhr versetzt. Mit einer von Holzschnitten und Buchmalereien inspirierten Grafik erzählt es eine Kriminalgeschichte im Dorf Tassing im Bayern des frühen 16. Jahrhunderts. store.steampowered.com/app/1205520/Pe…
Der Arbeitskreis „Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele“ @AK_GWDS schildert hier kurz die ersten Eindrücke zum Spiel auf dem Blog: gespielt.hypotheses.org/5490
Es geht fließend weiter: Jetzt erzähle ich euch was über schwule Mods in 'Dragon Age: Origins' und was das mit dem Mittelalter zu tun hat.
DA:O spielt in einem mittelalterlichen Fantasysetting. Wie für Bioware-(Rollen-)Spiele üblich, kann man vier Romanzen mit Nebenfiguren (NPCs) führen. Dabei sind die beiden heterosexuellen Optionen mehr in die Geschichte eingebunden als die bisexuellen Figuren.
PS: Ich spiele in Dragon Age IMMER schwule Elfenmagier, und Zevran hat mich beim ersten Playthrough nach einem One Night Stand eiskalt sitzen lassen.