Ich habe als Journalist in den vergangenen Monaten - so wie viele andere - mit Vertreter*innen der #LetzteGeneration telefoniert. Jetzt ist klar: Seit Oktober sind deren Telefone von der Polizei abgehört worden. Sogar das offizielle Pressetelefon. #pressefreiheit (1/8)
Das ist der Festnetzanschluss mit Berliner Vorwahl, den die Letzte Generation als ihren offiziellen Pressekontakt angibt. Wann immer dort Journalisten anriefen, waren - nach SZ-Recherchen - unbemerkt auch Ermittler des bayerischen Landeskriminalamts mit in der Leitung. (2/8)
„Auf dem Anschluss gehen fast ausschließlich Anfragen von Medienvertretern, Studenten und Schülern ein, die um eine Presseauskunft oder ein Interview bitten“, resümierten die Kriminalpolizisten nach den ersten zwei Lausch-Monaten, am 9. Januar, in einem internen Vermerk. (3/8)
Daraufhin stoppte die Münchner Generalstaatsanwaltschaft aber nicht etwa die Maßnahme. Sondern sie beantragte eine Verlängerung, die ein Ermittlungsrichter das AG München am 26. Januar auch gewährte - für weitere drei Monate. (4/8)
Gleichzeitig nahmen die Ermittler nach SZ-Recherchen weitere Telefone ins Visier. Auch im Handy von Carla Hinrichs war offenbar die Polizei mit in der Leitung. Am 7. November 2022 habe Hinrichs „mehrere aktuelle Anfragen des Spiegel“ gehabt, notierten die Abhörer. (5/8)
Das Belauschen von Gesprächen mit Journalisten ist nicht per se verboten. Aber nach der Strafprozessordnung gelten besonders hohe Hürden. Journalisten sind „Berufsgeheimnisträger“, die „das Zeugnis verweigern“ dürfen, wie es in Paragraf 53 der Strafprozessordnung heißt. (6/8)
Die Ermittler müssten sehr genau abwägen – Pressefreiheit gegen Strafverfolgung. Die StPO schreibt in Paragraf 160a vor: „Betrifft das Verfahren keine Straftat von erheblicher Bedeutung, ist in der Regel nicht von einem Überwiegen des Strafverfolgungsinteresses auszugehen.“ (7/8)
Bemerkenswert ist dann aber: In den ausführlichen Beschlüssen des Amtsgerichts München findet sich zu dieser notwendigen Abwägung - kein Wort. Die Pressefreiheit und auch der entsprechende Paragraf 160a werden darin gar nicht erwähnt. Als sei nichts. (8/8)
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Über die Dummheit und Kriminalität von Menschen, die faustgroße Steine in die Hand nehmen und auf lebende Menschen werfen, die Polizeiuniform tragen, braucht man nicht viele Worte zu verlieren, so offensichtlich ist sie. #leipzig 1/9
Über die Reaktion, die die Polizei hierauf vor wenigen Tagen in Leipzig gezeigt hat, aber schon: den #Polizeikessel. Denn da ist die Bewertung komplizierter. 2/9
Beamte aus zwölf Bundesländern sind aufgelaufen; ein angemessen großer Einsatz, nachdem einige linke Aktivisten großmäulig gedroht hatten, an diesem "Tag X" Gegenstände im Wert von mehreren Millionen Euro kaputtschlagen zu wollen. 3/9
Seit Jahresbeginn haben sich 3 Strafgefangene in Berliner JVAs das Leben genommen. Das ist furchtbar traurig. Skandalös hingegen ist: 2 von ihnen saßen nur, weil sie eine Geldstrafe nicht zahlen konnten. 1/
Der eine hatte 360 Tagessätze Geldstrafe abzusitzen in der JVA Plötzensee. An seinem 5. Hafttag tötete er sich. Der andere war schon seit 10 Wochen in Haft, jetzt hatte er noch 20 weitere Wochen vor sich. Es ging u.a. um Leistungserschleichung. 2/
Das bedeutet: Die von der Ampel geplante Minimalreform, die Dauer so einer sog. #Ersatzfreiheitsstrafe nur zu halbieren, hätte beide Fälle nicht verhindert. Suizide finden fast immer am Anfang der Haft statt, der „Haftschock“ ist da besonders groß. 3/
Das ist Hayri T., 42 Jahre alt, Vater von zwei Kindern. Er sitzt in Berlin im Gefängnis, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlen kann. Wie das? 🧵
Sein Vergehen: Er ist auf seinem Fahrrad mit einem Krankenwagen zusammengestoßen, in der Nacht, betrunken. Der Krankenwagen hatte dann eine Beule, drei Tage Werkstatt. Betriebswirtschaftlicher Schaden: 2000 Euro.
Trunkenheit im Verkehr, sagte das Gericht, deshalb hat Hayri T. 100 Tagessätze Geldstrafe zu bezahlen, das sind noch mal 1500 Euro.
Noch mal ein genauer Blick auf den überraschend verschärften 130 Abs.5 StGB (#Volksverhetzung): Es geht jetzt um Leugnung ALLER Kriegsverbrechen und Genozide weltweit und zwar in ALLEN Jahrhunderten. Gesetzesbegründung aus dem @bmj_bund besagt: keine historische Beschränkung. 1/3
Das erfasst Maos „großen Sprung nach vorne“ mit Millionen Toten theoretisch genauso wie Hungerkampagnen Stalins, Kolonialverbrechen in Afrika oder Indien… Wenn über historische Bewertung diskutiert wird, kann sich künftig in all diesen Fällen die deutsche Justiz einschalten. 2/3
Bemerkenswert. Geschichtspolitik ex cathedra. Ich frage mich, ob man sich das gut überlegt hat. Und ob das juristische Korrektiv, wonach eine Leugnung nur bei „Eignung“ zur „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ in Deutschland strafbar sein soll, wirklich ausreicht. 3/3
Kritik an der von @MarcoBuschmann vorgeschlagenen Halbierung der #Ersatzfreiheitsstrafe kommt jetzt aus unerwarteter Richtung. Voilà: die Gefängnisdirektoren. Selbst sie erläutern, warum diese Reform nicht weit genug gehe. 🧵
Die Vereinigung der Gefängnisdirektoren heißt "Bundesvereinigung der Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleiter", sie hat jetzt eine Stellungnahme zum Referentenentwurf des @bmj_bund an das Ministerium übersandt.
Kurz gesagt, man muss dafür sorgen, dass künftig *weniger* Menschen wegen einer nicht gezahlten Geldstrafe in Haft kommen. Nicht bloß dafür, dass diese Menschen künftig schneller durchgeschleust werden.
Hunderte rechtextremer Fake Accounts führt der #Verfassungsschutz inzwischen.
„Das ist die Zukunft der Informationsbeschaffung“, sagt ein Leiter eines Landesamts für Verfassungsschutz.
Kleiner Recherche-🧵
Viele Rechtsradikale ahnen wahrscheinlich gar nicht, hinter wie vielen Accounts in ihren Chatgruppen bereits Agenten stecken, die unter einer „Legende“ posten. In solche „virtuellen Agenten“ hat der Geheimdienst seit 2019 massiv investiert.
Anlass war damals der Mord an Walter Lübcke. „Wir sollen mitschwimmen“, hat mir eine Agentin erzählt, die jetzt seit einem Jahr Fake Accounts führt, „gucken, was die anderen machen.“ Und, das ist das Besondere: auch selbst ein bisschen rechtsradikal spielen.